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Wenn das kein Megaflop ist: Nicht einmal jeder vierte Österreicher hat sich an den Corona-Massentests beteiligt. Das ist ein totaler Kontrast zum naiven Optimismus der Regierung, der zu Beginn der Massentests verbreitet worden war. Das Scheitern von solcherart konzipierten Massentests war aber von vornherein klar gewesen. Das war zumindest in diesem Tagebuch mehrfach prophezeit worden (etwa hier oder hier). Bundes- und Landesregierungen können jetzt aber nicht einfach sagen: "Die Österreicher sind halt selber schuld, wenn noch viele sterben." Oder: "Die Österreicher haben es durch ihre Nichtteilnahme an den Tests selber verursacht, dass jetzt bald der nächste Lockdown kommen muss, nach deutschem Vorbild vielleicht sogar noch heuer." Die Politik könnte vielmehr auch aus Fehlern lernen. Und überdies könnte die Regierung auch manchmal von Ideen der Opposition lernen.
Wenn jedoch der Gesundheitsminister zur Verteidigung der Massentests zu sagen wagt, diese seien ein "gelungener Schritt zur Eingrenzung der Pandemie in Österreich" gewesen, dann kann er das nicht wirklich ernst gemeint haben: Denn die durch die großaufgezogene Massenaktion in Summe gefundenen 4200 Virusträger sind weniger Infizierte, als an den meisten Novembertagen binnen 24 Stunden auf ganz konventionellem Weg gefunden worden sind! Dabei haben die Massentests satte zweistellige Millionensummen gekostet.
Außer Spesen also nichts gewesen? Nun, auch Spesen können gutes Lehrgeld sein. Könnten.
Auch Sebastian Kurz, mit dessen Person das Projekt ja innig verknüpft war, muss nun erkennen, dass seine persönliche Beredsamkeit alleine nicht ausreicht, um sonderlich viele Menschen in Bewegung zu setzen. Zwar ist die Quote der Teilnahme an den Tests eng mit den Wahlergebnissen der ÖVP korreliert – liegt aber weit unter diesen. Nicht einmal 23 Prozent: Das ist ein Ergebnis in SPÖ-, aber nicht in ÖVP-Dimensionen. Es ist freilich kein Zufall, dass die Teilnahme gerade im SPÖ-beherrschten Bundesland Wien weitaus am schlechtesten ausgefallen ist, wo ja lange besonders intensiv gegen die Tests gestänkert worden ist.
Auch Kurz muss begreifen – so richtig sein Massentest-Ansatz an sich auch war –, dass Menschen echte Motivation brauchen, um für die Allgemeinheit etwas zu tun, von dem sie persönlich eigentlich nur Nachteile haben (vom Zeitaufwand über das abschreckende Wort "Massen" bis zum unangenehmen Gefühl, wenn einem fremde Menschen in der Nase herumstochern: In den oben erwähnten Texten habe ich 20 verschiedene Gründe für eine Nichtteilnahme aufgezählt).
Auch Kurz muss begreifen, dass zu den Tests nur jene hingegangen sind, die auch sonst zu den disziplinierten und eher altruistischen Zeitgenossen gehören. Die daher auch viel seltener Virusträger sind.
Welche Lehren sollte nun das Lehrgeld auslösen?
Es ist gut, richtig und wichtig, wenn sich jeder nach Belieben testen lassen kann, ohne auf die skandalösen Abwimmelreaktionen zu stoßen, die ein dreiviertel Jahr lang bei Anrufen (auch für Menschen mit Symptomen!) auf dem Krisentelefon 1450 zu hören gewesen sind. Daher sollten auch die anderen Bundesländer weiter freie Tests ermöglichen.
Das wäre insbesondere knapp vor den Feiertagen für die familiären Weihnachtstreffen hilfreich, vor denen sich (wiederum) zumindest die verantwortungsbewussten Österreicher gerne rasch noch einmal testen lassen würden. So manche Bürger werden dann übrigens aus familieninterner Vorsicht vielleicht sogar eine stärkere Motivation haben hinzugehen als Anfang Dezember. Dafür könnte auch die ständig betrommelte Information sorgen, dass die jetzt beendeten Tests ja nur eine "Momentaufnahme" gewesen seien, auf die schon am nächsten Tag eine Ansteckung folgen könnte.
Auch wenn da dann naturgemäß keine staatliche Kontrolle dahintersteht (die oft ohnedies nicht funktioniert), so ist dennoch von vielen Infizierten eine verantwortungsbewusste Reaktion erwartbar, also eine Meldung an den Arbeitgeber und eine freiwillige Quarantäne, wenn sie mit dem Virus in Kontakt gekommen sind.
Dabei geht es kommunikationspsychologisch schon einmal darum, dass von der Regierung positiv klingende Signale statt der dauernden Verbote ausgesendet werden. Oder gar statt des Wortes "Zwang". Freilich muss klar sein, dass die Teilnahme an Tests beziehungsweise Impfungen indirekt sehr wohl für viele weitgehend zu einer Notwendigkeit wird, sei es in Hinblick auf den Beruf, sei es in Hinblick auf viele Freizeitaktivitäten.
Die möglichen Beispiele solcher positiven Folgen sind zahlreich und im Ausland zum Teil schon realisiert:
Alle diese Ideen sind vor allem deshalb sinnvoll, weil sie einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Test beziehungsweise Impfung und den dadurch erlangten Vorteilen herstellen.
Alle diese Regelungen schützen zum Unterschied von allgemeinen, eher als abstrakt empfundenen Massentests ganz konkrete andere Menschen: Patienten, Schüler, Kunden, Zuschauer, Gäste.
Alle diese Regelungen sind anders als alle grundsätzlich abzulehnenden Zwangsideen Strategien, die hin zu einer Öffnung – oder zu einem Offenbleiben – von Fußballplätzen, Sportanlagen, Gasthäusern, Schulen oder Hotels führen würden.
Alle diese Regelungen sind das Gegenteil eines unterschiedslos alle treffenden Lockdowns.
Sie sind daher viel logischer, ehrlicher und sympathischer als die zuletzt zumindest einen Tag lang vom Gesundheitsministerium vorgeschlagene Wahnsinnsidee, dass die Polizei auch Privatwohnungen durchsuchen soll.
Sie sind an sich auch viel sympathischer als alle jetzt ins Spiel gebrachten Varianten, den Menschen einfach etwas dafür zu zahlen, dass sie sich testen oder impfen lassen.
Jedoch: So sehr diese Idee einer massenweisen Bestechung für einen anständigen Bürger eigentlich demütigend ist, so ernst ist doch zu prüfen, ob ihre Umsetzung nicht dennoch unvermeidlich ist:
Diese waren nämlich kaum bei den Tests zu sehen. Das wird auch durch die besonders niedrige Teilnahmequote im migrantendominierten Wien bestätigt. Migranten aus der Türkei, Südpolen oder vom Balkan füllen aber derzeit ganz überproportional die intensivmedizinischen Stationen. Gerade bei ihnen würden sich mit absoluter Sicherheit solche pekuniären Motivationen viel schneller herumsprechen als komplizierte rationale, medizinische oder ethische Argumente. Diese Argumente kommen schon allein deshalb nicht durch, weil sie an den oft hohen Sprachbarrieren scheitern. Während sich beispielsweise die Information "Da gibt es 50 Euro zu holen" mit absoluter Sicherheit blitzschnell verbreiten würde.
Ernüchternd, aber wahr.