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Die Justiz hat alles "bestens" gemacht

Erfreulich: Gleich zwei Landeshauptleute, ein roter und ein schwarzer, haben sich mittlerweile ausdrücklich für das ausgesprochen, was dieses Tagebuch gestern gefordert hat. Das ragt überaus positiv aus einer Fülle von Dummheiten, Scheinaktionen und Nebelgranaten hervor, die ansonsten die Diskussion um den Terror beherrschen. Dieser nun erfreulich unterstützte Vorschlag droht freilich zum Spaltpilz für die Koalition zu werden.

Sowohl der oberösterreichische wie der burgenländische Landeshauptmann haben ebenfalls die Einführung der Institution einer Sicherungshaft für den Fall verlangt, dass jemand gefährlich für Leib und Leben ist, aber noch kein Delikt begangen hat. Natürlich muss eine solche Sicherungshaft an genaue Voraussetzungen geknüpft sein, darf nur durch Richter ausgesprochen werden und muss regelmäßig überprüft werden.

Aber verfassungswidrig, wie manche meinen, ist sie nicht. Sie kann es schon deshalb nicht sein, weil es ja schon lange den sogenannten "Maßnahmenvollzug" im österreichischen Rechtssystem gibt, wo geistig abnorme Täter unbefristet weggesperrt werden können. Freilich, völlig unakzeptabel ist es dabei, dass Gerichte – wie ein aktuelles Urteil beweist – mit diesem Instrument sogar reine Verbaltäter, von denen keine Gefahr ausgeht, auf unbekannte Dauer wegsperren. Aber da das (außer mir) offensichtlich niemanden aufregt, muss es umso klarer sein, dass eine Sicherungshaft bei nachweislich wirklich gefährlichen Menschen möglich sein muss.

Die Einführung einer solchen Sicherungshaft wäre jedenfalls viel wichtiger als jene Themen, die das Parlament jetzt bei einer Sondersitzung zum Wiener Terror beschäftigt haben. Dabei ging es vor allem um den versuchten Munitionskauf durch den späteren Mörder in der Slowakei, den der Verfassungsschutz von den Slowaken erfahren, aber nicht ans Gericht weitergemeldet hat.

Das ist zwar eine an sich skandalöse Unterlassung, die eigentlich schon seit zwei Tagen zur Suspendierung des verantwortlichen BVT-Beamten führen hätte müssen. Aber ebenso klar ist: Dabei geht es nur um eine rückwärtsgewandte Diskussion; und es ist eher unwahrscheinlich, dass man auch künftige Terroristen beim Munitionskauf erwischen kann. Auch wäre der Anschlag selbst in keiner Weise verhindert worden, wenn man im BVT pflichtgemäß vorgegangen wäre. Denn die maximal mögliche Konsequenz wäre die Aufhebung der bedingten Entlassung gewesen. Nur wäre der Täter inzwischen auch dann schon wieder frei, wenn er die ganze Strafe absitzen hätte müssen. Ein relevantes neues Delikt stellt ein versuchter Munitionsankauf im Ausland hingegen vermutlich nicht dar.

Mehr und echte Sicherheit für die Bürger dieses Landes hätte es in diesem wie auch vielen ähnlichen Gefährdungsfällen jedenfalls nur dann gegeben, wenn der Täter aus der Strafhaft nahtlos und auf viele Jahre in eine Sicherungshaft gewandert wäre, von der er erst freikommt, wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr darstellt.

Die einzige andere Möglichkeit, die wirklich den Anschlag verhindert hätte, wäre es gewesen, wenn die Gemeinde Wien nicht gesetzeswidrig die Doppelstaatsbürgerschaft genehmigt hätte, worauf er abgeschoben hätte werden können. Dieser Aspekt hat aber seltsamerweise das Parlament überhaupt nicht interessiert. Dort haben sich Schwarz und Grün nur staatstragend-defensiv verhalten; sie haben bis auf ein paar vage, aber wenigstens positiv klingende Andeutungen des Bundeskanzlers nichts an konkreten(!) Vorhaben verkündet, sondern immer nur diffus von einer BVT-Reform gesprochen. Und Rot und Blau hatten nur ein Ziel, nämlich auf die ÖVP einzuprügeln. Wirklich konkrete Vorschläge für die Zukunft waren auch von ihnen nicht zu hören.

Auch Richter und Staatsanwälte haben in einer eigenen Stellungnahme bloß selbstzufrieden behauptet, es wäre in der Justiz im konkreten Fall alles bestens, alles "nach bestem Wissen und Gewissen" abgelaufen. Dabei wäre es gerade ihnen mehr als gut angestanden, doch ein wenig mehr nachzudenken, wie es in solchen Fällen nicht nur "bestens", sondern besser oder gar gut für die Österreicher abgehen hätte können. Gut ist in solchen Fällen eben wohl nur eine Sicherungshaft.

Rechtsstaatlich ist es allerdings generell fragwürdig, dass Richter und Staatsanwälte gemeinsam öffentliche Erklärungen abgeben. Sollen doch die Richter in Strafprozessen eigentlich Staatsanwälten und Angeklagten, beziehungsweise deren Verteidigern mit völliger Äquidistanz und Neutralität gegenüberstehen. Daher ist jeder Anschein von Fraternisierung mit nur einem der beiden Stände sehr negativ.

Zugleich sei aber festgehalten, dass Sebastian Kurz und der Innenminister mit ihrer Kritik schlicht falsch gelegen sind, dass es ohne die bedingte Freilassung nicht zu dem Anschlag gekommen wäre. Denn auch bei voller Verbüßung hätte er am Allerseelentag seine Taten vollbringen können.

Das war eindeutig ein übler Fehler. Für den sie sich auch entschuldigen hätten können.

Sie hätten aber vor allem über das viel größere Problem reden müssen, dass solche extrem gefährlichen Personen von der Justiz immer nur relativ kurz aus dem Verkehr gezogen werden. Die Politik ist schließlich dazu da, sich falsch auswirkende Gesetze zu ändern.

Die Sicherungshaft wäre auch in Anbetracht der nach dem Anschlag durchgeführten 15 Verhaftungen sehr sinnvoll. Denn man wird kaum einem ein neues begangenes Delikt nachweisen können, das jetzt schon strafbar wäre. Immerhin befinden sich unter ihnen nicht weniger als acht Personen, die schon einmal wegen terroristischer Taten oder gar einschlägiger Mordversuche verurteilt worden waren. Und denen die Justiz inzwischen schon längst wieder – ach ja, natürlich: "nach bestem Wissen und Gewissen" – die Freiheit gegeben hat (etwa durch milde Urteile, etwa durch vorzeitige Freilassung). Aber vielleicht halten ja alle Richter und Staatsanwälte Haftzeiten von fünf Jahren für einen versuchten "Ehrenmord" (was für eine unerträgliche Bezeichnung, aber ich kenne keine andere) ohnedies für "bestens" …

Besonders schwummrig wird einem freilich, wenn man erfährt, dass derzeit in Österreich nicht weniger als 50 wegen terroristischer Vereinigung verurteilte Menschen schon wieder ("bedingt" oder "vorzeitig") auf freiem Fuß sind. Und dass sie von solchen Vereinen betreut werden wie jenen, die auch mit dem montägigen Terroristen regelmäßige, zweifellos nette "Sitzungen" abgehalten haben.

Das schreit ebenso nach Sicherungshaft wie die mindestens 300 "Gefährder", von denen die Polizei ausgeht.

Allerdings zeigen sich die Grünen, also eine Regierungspartei, in Sachen Sicherungshaft völlig unwillig. Sie haben eine solche auch schon für abzuschiebende Migranten abgelehnt. Sie glauben offenbar allen Ernstes, dass bürokratisch-organisatorische Turnübungen wie die jetzt ständig versprochene BVT-Reform irgendetwas Relevantes bringen können.

Beim Thema Sicherungshaft werden die Grünen aber dennoch klar Farbe bekennen müssen. Denn auch wenn die ÖVP derzeit das einzige Angriffsziel der Opposition ist (wohl weil es von ihr die meisten Wähler zurückzuholen gibt), so ist doch klar, dass die ÖVP beim Beschluss einer solchen Sicherungshaft parlamentarisch auch Alternativen zu den Grünen hätte. Jedenfalls haben sich sowohl Blau (ganz) wie auch Rot (zumindest im Burgenland) schon eindeutig dafür ausgesprochen. Und der Koalitionspakt lässt der ÖVP beim Migrationsthema auch die Möglichkeit zum parlamentarischen Fremdgehen mit anderen Partnern. Daher sollten sich die Grünen klugerweise wohl nicht ganz verweigern.

Neben diesem zentralen Thema Sicherungshaft (um das sich die Mainstreammedien in bekannter Feigheit völlig drücken) gibt es auch sonst einige ganz erstaunliche Beobachtungen und Anmerkungen zum Thema Terror und Islamismus zu machen.

  1. Burgenlands Landeshauptmann Doskozil hat neben der Sicherungshaft auch die Zusammenlegung aller drei Nachrichtendienste verlangt (des sturmdurchtosten BVT und der zwei Heeresdienste). Das wäre aber eine aufgelegte Dummheit. Eine solche Zusammenführung würde nur zu jahrelangen Eifersüchteleien und Rangkämpfen innerhalb eines solchen Supergeheimdienstes führen, nicht zu mehr Sicherheit. Dieser könnte außerdem leicht als zu mächtig außer Kontrolle geraten. Überdies scheint das Heeresnachrichtenamt mit seinen internationalen militärischen und politstrategischen Analysen derzeit ganz gut unterwegs zu sein.
  2. Ein türkisches Vereinshaus in Wels ist mit antiislamischen Schmierereien versehen worden. Ärgerlich – so wie es die Schmierereien an Tausenden anderen Häusern sind. In aller Regel zuckt die Polizei leider über Schmierereien nur noch mit der Schulter. Aber hier ist es plötzlich ganz anders: Wenn es antiislamische Schmierereien sind, muss gleich der Verfassungsschutz ausrücken. Das zeigt neuerlich die bereits sehr problematisch verschobenen Maßstäbe in diesem Land, wo ausgerechnet jene Religion unter besonderem Schutz steht, die die gefährlichsten Mitglieder hat. Überdies wundert man sich nicht mehr, dass der Verfassungsschutz keine Kapazitäten hat, um potenzielle Terroristen zu überwachen, wenn er sich auch um Schmierereien kümmern muss.
  3. Wirklich beklemmend entwickelt sich auch die Diskussion um die versprochene Untersuchungskommission, die jetzt agieren soll. In Wahrheit scheint nämlich niemand eine echt unabhängige Untersuchung im Sinne der berühmten "Royal Commissions" zu wollen. Die beteiligten Ministerien wollen die Hand darauf behalten, was völlig kontraproduktiv wäre. Und die Oppositionsparteien wollen gar wieder das Parlament einschalten, was zu einer neuen, noch unproduktiveren Schlammschlacht führen würde, oder zumindest für ihre Propaganda alle Akten durchstöbern können.
  4. Als ob sie nicht schon längst als Herd der europaweiten islamistischen Umtriebe erkannt worden wäre, hat die türkische Regierung nun jetzt noch eines draufgesetzt: Sie hat sich jetzt nicht entblödet, offiziell gegen das Verbot der "Grauen Wölfe" durch Frankreich zu protestieren. Diese Grauen Wölfe sind eine SA-ähnliche Geheimorganisation türkisch-nationalistischer Orientierung, die ständig extremistische Gewaltaktionen setzt: gegen Kurden, gegen Armenier, gegen Griechen. Und wenn ihr nichts anderes einfällt, geht es dann gegen die Christen allgemein. Ankara protestiert gegen deren Verbot, obwohl es absurderweise gleichzeitig leicht widersprüchlich behauptet, dass es erstens die Organisation gar nicht gebe, und zweitens, dass die verbotenen Symbole weit verbreitet seien und keinen illegalen Aspekt haben.
  5. Welche Maßnahmen andere Länder im Kampf gegen den radikalen Islamismus und die (ebenfalls von Ankara unterstützten) Muslimbrüder setzen, hat man jetzt in Ägypten gesehen: Es hat 59 Islamisten zu jeweils 15 Jahren Haft verurteilt, weil sie sich an wochenlangen Kundgebungen der Muslimbrüder beteiligt haben. Mit unseren Rechtsmaßstäben ist das zwar unvereinbar. Aber es gibt zum Nachdenken, weil Ägypten – das Land mit den schlimmsten Muslimbrüder-Erfahrungen – nicht grundlos so drakonisch vorgeht. Das macht den Unterschied zu Österreich besonders beklemmend, wo man nach einer "Ehrenmord"-Verurteilung nach fünf Jahren wieder frei herumläuft.
  6. Geradezu übel ist mir gewordenen, als im Parlament einer nach dem anderen, ohne rot zu werden, geschworen hat, wie sehr Österreich doch "Grundrechte und Freiheiten" in vollem Umfang verteidigen werde. Dabei schränkt dieses Land selbst ganz freiwillig und ganz ohne Bomben die Grundrechte und Freiheiten der Bürger ein, insbesondere die Meinungsfreiheit. Diese wird neuerdings vor allem durch "Hass"-Verbote unterminiert, die an Orwells "1984" erinnern. Gummiparagraphen kastrieren die Meinungsfreiheit einmal unter der Überschrift "Verhetzung", bei der nächsten Verschärfung unter dem Titel "Hass im Netz". Dabei wird in infamer Weise eine völlig gewaltfreie und von den einst beschworenen Grundfreiheiten geschützte Meinung wie der Hass untrennbar mit echten Aufrufen zur oder Gutheißung von Gewalt vermischt, die zweifellos streng zu bestrafen sind. In Österreich gibt es heute mit Sicherheit nicht mehr die von Frankreich noch so tapfer verteidigte Freiheit, auch Mohammed-kritische Karikaturen zu veröffentlichen. Hierzulande würden solche Zeichnungen – in panischer Angst vor den aggressiven Reaktionen – sofort zum empörten Ausrücken der Justiz führen. Zu diesen Einschränkungen der Meinungsfreiheit kommen nun auch die schon mehrmals vom Verfassungsgericht kritisierten Freiheitseinschränkungen der Pandemie wegen.
  7. Ähnlich weit an der Wahrheit vorbei wie mit der Behauptung, die Grundrechte unverändert zu verteidigen, segelt die ganze politische Klasse, wenn sie ständig behauptet, wie einmalig der montägige Anschlag gewesen sei. Womit sie die Lüge verbreitet, die Grazer "Allah Akbar"-Terrorfahrt mit drei Toten oder der Doppelmord von Wullowitz im Vorjahr seien kein islamistischer Terror gewesen, was Wissenschaftler inzwischen klar bestätigen.
  8. Und was will uns der Wiener Kardinal mit dem salbungsvollen Aufruf sagen: "Wer Österreich liebt, der spaltet es nicht"? Er macht da offensichtlich die verlogene Gehirnwäsche der Machthaber mit: Wer die Justiz und das BVT kritisiert, wer schärfere Maßnahmen gegen Islamismus und illegale Migration fordert, wer in den Moscheen das Fehlen einer echten Distanzierung zum Islamismus erkennt, wer aufdeckt, dass sich die Islamische Glaubensgemeinschaft nie ordentlich von den Moslembrüdern abgegrenzt und nie geholfen hat, Gefährder aufzudecken, sei ein "Spalter", also offenbar ein ganz Böser? Warum begreift Schönborn nicht, dass hinter solchen Aktionen viel mehr Liebe zu Österreich steckt, als bei all jenen, die nach dem Anzünden eines Kerzerls möglichst rasch wieder zur Tagesordnung übergehen wollen und die alle riesigen Probleme mit einer dicken Tuchent voller Phrasen "Wir halten alle zusammen!" zudecken wollen?

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