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Der Sieger, Amerika und das Recht

Joe Biden ist der Sieger des/der amerikanischen Wahltage/s. Wenn auch keineswegs der erwartete große Erdrutsch-Sieger. Das und der Verlauf der letzten 24 Stunden geben Anlass zu vielen Anmerkungen.

Die wichtigsten:

Es gibt auch wenig Zweifel, dass Biden auch nach allen, wahrscheinlich wochenlangen Rechtsstreitigkeiten Sieger der Präsidentenwahl bleiben wird.

Bidens Sieg war zwar auf Grund der Umfragen zu erwarten gewesen – sogar in noch viel, viel deutlicherem Ausmaß –, er ist aber dennoch aus vielen Gründen  (die ich schon vor der Wahl hier ausführlich angeführt habe) bedauerlich. Er bedeutet vor allem einen Triumph für die Meinungsmache durch die im geschlossenen Stechschritt marschierenden internationalen Mainstreammedien, für die gewalttätigen Blacklivesmatter-Randalierer und für die skandalösen, an einem der wichtigsten Grundrechte der freien Welt rüttelnden Zensoren bei Twitter&Co.

Zugleich gibt es wenig Hoffnung, dass Joe Biden in jenen Punkten, wo Trump völlig falsch gelegen war – etwa bei seiner Aversion gegen den freien Welthandel –, jetzt eine echte Kurskorrektur einleiten wird.

Biden ist der angenehmere und höflichere, wenn auch schon leicht senile Mensch. Er ist vor allem kein aufgeplusterter und eitler Pfau wie Trump. Das spricht für ihn. Politische Inhalte tun das weniger.

Der Trost für alle Menschen, die sich vor einer Linkswende in Amerika fürchten, ist zweifellos die Tatsache, dass der Senat mit ebenso großer Sicherheit republikanisch kontrolliert bleiben wird. Das wird vieles verhindern, wovor sich die Hälfte Amerikas fürchtet.

Der größte Wahlverlierer heißt aber nicht Donald Trump, sondern Demoskopie. Neuerlich sind die Meinungsforscher mit ihrer Prognose eines gewaltigen demokratischen Sieges völlig daneben gelegen. Sie begreifen einfach nicht, was trotz gewaltiger Gehirnwäsche durch die Elite die Hälfte Amerikas bewegt.

Das Ergebnis ist sehr knapp. Und das ist – trotz aller erbitterten Streitigkeiten – gut für die Demokratie: Das zeigt erstens, dass das jahrhundertealte Institut einer Wahl keineswegs durch Demoskopie ersetzt werden kann. Das vermittelt zweitens jedem Wähler die wichtige Botschaft: Es kommt auf mich an, ich habe mitzusprechen.

Es ist schon in zahllosen Ländern passiert, dass sich zwei verschiedene Kandidaten noch während eines langen Zählvorgangs zu Siegern erklären wie jetzt in den USA geschehen. Das verwirrt zwar. Das ist aber keine Katastrophe und kein Grund zur Aufregung, solange es einen klaren, wenn auch komplizierten rechtlichen Weg zur Klärung der Frage gibt. Und es ist nur dümmlich, wenn sich hierzulande beispielsweise der Neos-Abgeordnete Brandstätter darüber aufregt – nein, natürlich regt man sich bei den Neos nur über Trump auf.

Donald Trump hat in Wahrheit seine Niederlage schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt eingestanden, als er im gleichen Atemzug mit der Sieges-Behauptung davon gesprochen hat, dass er Opfer eines Betrugs geworden ist. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen lässt sich nur dadurch auflösen, dass man das als verstecktes Eingeständnis der Niederlage entziffert. So etwas direkt einzugestehen würde jedoch Trumps Charakter widersprechen.

Es gibt – bei aller Erbitterung im Trump-Lager – keinerlei Anzeichen, dass dort ein Bürgerkrieg drohen würde. Diese Gefahr ist immer nur von linken Journalisten an die Wand gemalt worden. Die ersten aus Amerika am Wahlabend gemeldeten bewaffneten Zusammenrottungen sind nämlich die von linksextremistischen Blacklivesmatter-Demonstranten in Portland und einigen anderen Städten gewesen, die dabei angeblich auch Waffen getragen haben. Einige Stunden später sind dann umgekehrt auch aus Arizona ungute Ansammungen von Republikanern gemeldet worden, die aber ebenfalls keine Gefahr darstellen.

Der chaotische Ablauf des Wahltages und wohl auch der nächsten Wochen ist vor allem dadurch verursacht, dass in jedem Bundesstaat ein völlig anderes Wahlsystem herrscht. Unionsweit einheitlich ist im Grund nur die Zahl der jeweils zu vergebenden Wahlmänner geregelt. Zumindest bisher haben die Amerikaner dieses ihr extrem föderalistisches System auch geliebt. Das hat die regionale Identität geprägt. Das hat amerikanische Wahltage immer spannend gemacht. Stundenlang konnten die Amerikaner beim langen Auszählungsvorgang wie bei fünf aneinandergereihten Super-Bowls zuschauen. Und in keinem Bundesstaat waren sie erstaunlicherweise imstande, so wie in Österreich ein funktionierendes Hochrechnungssystem zu entwickeln, das dem Wahlabend jede Spannung raubt. Auch das eine Blamage der US-Demoskopie. 

Die Vorgänge und Rechtsregeln in jedem Bundesstaat unterliegen freilich sehr wohl der Kontrolle durch den Supreme Court. Und dieser beschäftigt sich mit ihnen auch regelmäßig. Das ist gut so.

Denn die Betrugs-Vorwürfe von Donald Trump sind keineswegs nur so aus dem Finger gesogen, wie es der Mainstream dargestellt hat. Dieser hat sich ja lediglich mit abwertend-martialischem Vokabular darüber aufgeregt, dass Trump ein "Heer", eine "Armada" von Anwälten zu beschäftigen gewagt hat. Als ob das nicht sein gutes Recht wäre, als ob Biden ohne Anwälte in die Gerichtsschlacht gehen würde.

Der Mainstream hat sich aber nie dafür interessiert, worin die Betrugsvorwürfe eigentlich genau bestehen. Dabei sind dort Dinge gelaufen, die etwa in der österreichischen Demokratie völlig unvorstellbar wären und die daher hierzulande zur sofortigen Wahlaufhebung führen würden. Da gibt es nämlich Bundesstaaten, die diesmal – angeblich aus Corona-Angst – automatisch, also unverlangt allen Wählern die Briefwahl-Karten zugesandt haben, was logischerweise zu tausendfachen Stimmabgaben durch falsche Empfänger und durch lange schon Verstorbene geführt hat, was auch das Wahlgeheimnis ordentlich in Frage stellt, weil in einigen ethnischen Gruppen die Stimmzettel offen eingesammelt worden sind. Da werden in einigen Staaten sogar Briefwahlstimmen gezählt, die noch Tage nach der Wahl von der Post gebracht werden. Da klagen die Republikaner, dass ihre Vertrauensleute in einigen Wahlbezirken zeitweise aus dem Wahllokal ausgeschlossen worden seien. Und man kann überzeugt sein, dass sie in den nächsten Wochen noch eine Fülle weiterer – bewiesener oder behaupteter – Vorwürfe auf den Tisch der Gerichte legen werden.

Dennoch tendiere ich gefühlsmäßig dazu, dass der Biden-Sieg halten wird, dass er nicht nur der Wahltags-Sieger sein wird. Denn auch wenn der Supreme Court eine konservative Mehrheit hat, so wollen Richter in aller Regel psychologisch nicht die Verantwortung für ein so drastisches Eingreifen auf sich nehmen, das dann eventuell zu Unruhen führen und die gesamte Institution des Gerichts selber gefährden würden. Es sei denn, die Republikaner können wirklich noch dramatischere Fälschungsbeweise vorlegen.

Jedenfalls lächerlich ist aber das Verlangen Trumps gewesen, plötzlich die Stimmauszählung in einigen Staaten abzubrechen, als sich entgegen dem ersten Trend die Dinge doch gegen ihn wandten. Das ist blamabel und kindisch.

Das alles mag jedem seltsam und dramatisch vorkommen. Nur: Österreicher sollten das nicht kritisieren. Denn auch hier sind ja die letzten Bundespräsidentenwahlen angefochten worden. Denn auch hier hat es lange gedauert, bis darüber entschieden war. Und die Wahlaufhebung ist in Österreich damals aus viel läppischeren Gründen gerichtlich angeordnet worden, als sie in Amerika jetzt behauptet werden.

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