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Frau Edtstadler, das wird uns teuer kommen!

Die österreichische Europaministerin will, dass Österreich keine EU-Mittel erhält. Eine solche Aussage wird Frau Edtstadler zwar sicher dementieren, aber sie geht absolut zwingend und klar aus dem hervor, was sie selber in den letzten Tagen mehrmals gesagt hat, sowie aus dem, was die EU-Kommission jetzt veröffentlicht hat. Zumindest solange wir uns einig sind, dass eins und eins zwei ist.

Erstens hat Karoline Edtstadler in den letzten Tagen mehrfach erklärt: "Österreich tritt klar für eine Verankerung der Rechtsstaatlichkeit im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU ein." Damit hat sie sich – skandalöser wie dummer Weise – ganz ins Lager jener europäischen Linksparteien gestellt, die durch eine solche Regelung Ungarn und Polen demütigen und entmündigen wollen, indem sie ihnen Gelder entziehen, weil diese Länder angeblich nicht dem völlig undefinierten Wiesel-Begriff "Rechtsstaatlichkeit" entsprechen. 

Zweitens: Die EU-Kommission hat fast gleichzeitig einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Verletzungen dieser Rechtsstaatlichkeit aufgelistet hat. Darin sind nun nicht nur Ungarn und Polen auf die Arme-Sünder-Bank gesetzt worden, sondern auch Österreich wegen rechtsstaatlicher Defizite.

Drittens, klarer Schluss, denn eins und eins ist eben zwei: Edtstadler tritt damit logischer Weise ganz eindeutig dafür ein, dass auch Österreich EU-Gelder entzogen werden.

Man darf gespannt sein, wie sich die Ministerin da herausreden wird. Dabei sollte sie aber vor allem gleich klarlegen, was die Wiener Regierung überhaupt geritten hat, sich auf die Seite der EU-Linken (zu der natürlich immer auch ein Othmar Karas und eine Angela Merkel gehören) zu stellen und die logischen Freunde, Nachbarn und Alliierten Österreichs in Mitteleuropa vor den Kopf zu stoßen. Ohne irgendetwas davon zu haben, außer Liebedienerei bei den Linken und bei Deutschland betrieben zu haben (was Österreich aber offensichtlich nichts nutzt – siehe die deutsche De-Facto-Reisesperre Richtung Österreich).

Damit hat Edtstadler sowohl finanziell wie auch außenpolitisch ganz klar gegen die Interessen des Landes verstoßen. Damit hat sie sich – obwohl Juristin – aber auch gegen einen ehernen und schon vor zweieinhalb Jahrhunderten in österreichischen Gesetzen fixierten Rechtsgrundsatz gestellt, der von großen Denkern der Aufklärung ausformuliert worden war und der in jedem Rechtsstaat gilt: "Nullum crimen (nulla poena) sine lege."

Es kann nichts ein Delikt sein, nichts zu einer Strafe führen, was nicht schon vorher durch ein Gesetz verboten worden ist. Und es gibt eben keine EU-Richtlinie, keine EU-Verordnung, keinen Vertragsartikel, der konkretisieren würde, was "Rechtsstaatlichkeit" denn eigentlich ist, welche Regeln damit gemeint sind. Daher gibt es auch keine Regeln, deren Verletzung man Ungarn oder Polen vorwerfen könnte.

Das sind keine "juristischen Spitzfindigkeiten", das sind die wichtigsten Fundamente eines Rechtsstaats. Wenn dieses Prinzip nicht mehr gelten sollte, dann kann die politische Macht wirklich jede Form der Political Correctness, des linken Mainstream-Denkens zum Diktat erheben. Dann haben wir in Europa die reine Willkürherrschaft von Kommissaren, parteipolitischen Parlamentsmehrheiten und politisch bestellten EuGH-Richtern mit klarer ideologischer Ausrichtung (man erinnere sich dazu etwa an die Ablehnung der von Österreich vorgeschlagenen Richter-Kandidatin durch den Gerichtshof, ganz offensichtlich weil sie zu konservativ war).

Natürlich kann die EU auf dem Weg der normalen Gesetzgebung all das, was Kommission, sowie eine ausreichende Rats- und Parlamentsmehrheit etwa an Ungarn oder Polen stört, regeln und verbieten. Man kann etwa Regeln aufstellen, wann in den einzelnen Staaten amerikanische Privat-Unis zuzulassen sind, wenn man in der ungarischen Uni-Praxis das große Rechtsstaats-Problem sehen sollte. Man kann regeln, wie es verhindert werden soll, dass oppositionelle Zeitungen wegen Lesermangels eingehen oder notverkauft werden. Dann und nur dann muss sich ein EU-Mitglied – zumindest wenn in der EU selber das Rechtsstaatlichkeits-Prinzip herrscht – dem auch unterwerfen, wenn es auch zum formal beschlossenen EU-Recht geworden ist.

Das muss dann freilich gleichermaßen für alle Mitgliedsländer gelten. Das könnte dann etwa bei den Medien noch sehr interessant werden. Gibt es doch insbesondere in den deutschsprachigen Ländern fast nur noch einen in linksliberalem Gleichschritt marschierenden Medien-Mainstream. Wie stellt man da sicher, dass es auch wieder konservative, klassisch-liberale oder gar rechtspopulistische Zeitungen und Fernsehanstalten gibt? Oder hat eine solche Rechtsstaatsregel nur zugunsten linker Zeitungen zu gelten?

Aber einfach so pauschal zu sagen, Medien würden in Ungarn behindert und eingeschüchtert, geht einfach nicht. In einem Rechtsstaat muss man vielmehr ordentlich und präzise Ross und Reiter beim Namen nennen.

Dieser Vorwurf der Behinderung und Einschüchterung der Medien kann ja im Übrigen auch in Österreich erhoben werden. Hier kann man das sogar im Gegensatz zu Ungarn sehr präzise unterlegen. Etwa durch die Klage von Medien, dass sie zu Hintergrundgesprächen bei Sebastian Kurz nicht eingeladen werden; oder weil einst österreichischen Zeitungen von einem sehr mächtigen roten Landes-Presse- und Informationsdienst regelmäßig beschieden worden ist: "Ihr kriegt‘s gar keine Inserate, solange der Unterberger bei euch Chefredakteur ist."

Besonders peinlich für das Ungarn-Kapitel über Rechtsstaatlichkeit ist der von Budapest sofort herausgefischte Umstand, dass sich die EU-Kommission dabei auf zwölf Organisationen bezieht, von denen elf von George Soros, dem ungarisch-amerikanischen Erzfeind der Budapester Regierung, finanziert worden sind. Ziemlich peinlich für die EU-Kommission, die das bisher aber nicht einmal versucht hat zu entkräften.

Sehr spannend könnte jedenfalls die von Ungarn und Polen angekündigte Retourkutsche werden: Sie gründen jetzt ein Institut zur Überwachung der Rechtstaatlichkeit in anderen EU-Ländern. Dabei könnte eine viel längere und vor allem konkretere Liste herauskommen, wo und wie grundlegende Rechtsprinzipien und Menschenrechte in anderen EU-Ländern verletzt worden sind. Etwa durch die Inhaftierung von katalanischen Unabhängigkeitsverfechtern. Etwa durch die Ermordung kritischer Journalisten mittels von regierungsnahen Kreisen bestellter Killer in Malta und der Slowakei. Etwa durch die Länge von Gerichtsverfahren in Österreich, wo die skandalöse und oft nicht einmal durch eine Verurteilung beendete Dauer mancher Verfahren politisch unliebsamen Menschen zehn Jahre ihres Lebens und Hunderttausende Euros an nie refundierten Anwaltshonoraren kosten. Um nur ein paar Dinge zu nennen.

Das Tagebuch bekommt recht: "Keine gerechte Inseraten-Verteilung"

Von ähnlicher Oberflächlichkeit wie zu Ungarn sind im EU-Bericht an sich auch die Ausführungen zu Österreich. Dieses Manko wird aber mehr als ausgeglichen durch einen Satz von geradezu historischer Bedeutung. Denn die EU-Kommission spricht erstmals den größten Korruptionsskandal des Landes an, nämlich die im Lauf der Jahre Milliarden-Umfänge erreicht habende freihändige Vergabe von Bestechungsinseraten aus Steuergeldern.

Endlich tut das jemand! Toll!

Der Vorwurf klingt selbst in der bürokratisch verschwurbelten Diktion Brüssels noch arg: "Österreich weist Medienunternehmen relativ viele staatliche Inserate zu, und es wurden Bedenken hinsichtlich eines möglichen politischen Einflusses auf eine solche Zuteilung geäußert, da keine Regeln für eine gerechte Verteilung vorlagen."

Allein dafür, diese Korruption erstmals auf europäischer Ebene angesprochen zu haben, müsste man Brüssel fast – fast! – alle anderen Defizite, Einseitigkeiten und Schlampigkeiten nachsehen. Viele Jahre lang hat dieses Tagebuch gegen diesen Korruptionsskandal angeschrieben. Scheinbar echo- und erfolglos.

Wo es keine Regeln für die Vergabe von hunderten Millionen Euro alljährlich gibt, geht es zwangsläufig ungerecht zu. Und das kann gar nichts anderes sein als schwer krimineller Amtsmissbrauch. Dieser wird zwar von der Kommission nicht beim Namen genannt. Das ändert aber juristisch nichts an der eindeutigen Konsequenz.

Könnten die EU-Kommissare sich beim nächsten Mal ein wenig Zeit auch noch für Fakten-Recherchen nehmen, würden sie im offiziellen Medientransparenzbericht dann unschwer nachlesen können, dass nicht "Österreich" – womit eigentlich nur die Bundesregierung gemeint sein kann – die meisten Inserate "zuweist", sondern ausgerechnet die Gemeinde Wien.

Aber das sind letztlich Kleinigkeiten. Freuen wir uns vorerst einmal, dass wenigstens der Schlüsselsatz gegen die Inseratenkorruption jetzt Schwarz auf Weiß zu Papier gebracht worden ist.

Er kann hoffentlich auch dadurch nicht mehr aus der Welt geschafft werden, dass in Österreich auf eine sehr typische Weise reagiert worden ist: Jene Medien, die Profiteure dieser Bestechungsinserate sind, ignorieren diese Passage weitgehend. Und die Regierung kündigt "Überlegungen" dazu an. Aus, sonst nichts. Sie kann das tun, weil mit Sicherheit schon aus Eigeninteresse kein Medium jemals danach fragen wird, was aus diesen "Überlegungen" eigentlich geworden ist …

Vermutlich will man den EU-Tadel durch dieses österreichische "Nicht einmal ignorieren" entsorgen und das Korruptionsschema munter weiterlaufen lassen. Mies, aber nicht ungeschickt. Jedenfalls ganz anders als die heftige Reaktion aus Budapest.

Durch dieses Ignorieren glaubt man sich in der Regierung offenbar auch die unangenehmen finanziellen Konsequenzen der eigenen Rechtsstaatlichkeits-Verletzungen vom Hals halten zu können, die die Regierung zuvor den Ungarn für Rechtstaatlichkeits-Verletzungen an den Hals gewünscht hat.

Freilich, je weiter man in das Papier hineinschaut, als umso leichtgewichtiger muss man es bezeichnen. Das zeigt sich etwa bei jener Passage zu Österreich, wo sich der Bericht unkritisch zum Sprachrohr der Korruptionsstaatsanwaltschaft macht und wo er ganz in deren Sinn deren Belastung durch die "umfassenden Berichtspflichten" und "begrenzten Ressourcen" bejammert. Ganz offensichtlich ohne zu begreifen, wie viele sinnlose Ressourcen diese Staatsanwaltschaft beispielsweise dadurch vergeudet hat, dass sie österreichweit Prozesse angestrengt hat, nur weil Bezirkshauptleute Briefwahlkuverts zu früh schlitzen haben lassen. Die Kommission  hat auch gar nicht begriffen, dass  niemand anderer als gerade diese Korruptionsstaatsanwaltschaft schuld an überlangen Prozessen ist, die die Gewerkschaft auch oft bekrittelt.

Und vor allem hat sie nicht begriffen, dass genau diese Korruptionsstaatsanwaltschaft dafür zuständig gewesen wäre, die von ihr kritisierte Medienkorruption endlich einmal vor einen unabhängigen Richter zu bringen. Wodurch diese schlagartig beendet worden wäre. Die Korruptionsstaatsanwälte haben dies aber nie versucht und sind so mit- oder gar hauptschuldig am jahrelangen ungehinderten Weitergang der von der EU getadelten Inseraten-Korruption.

Aber so wie Edtstadler offenbar eins und eins nicht addieren kann, kann es halt die EU-Kommission auch nicht. Aber dennoch große Freude, weil die Kommission immerhin einmal bis eins zählen hat können.

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