Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Sie ist seit März tausende Male in allen linken Medien Europas breitgetreten worden, wie immer mit dem ORF an der unrühmlichen Spitze. Sie hat Österreich und Tirol gewaltigen Schaden zugefügt. Und sie ist von diesen Medien gezielt vor den Wiener Wahlen neuerlich erzählt worden: die Verschwörungstheorie von den böswilligen Gierhälsen zu Ischgl und Tirol, die ihrer fetten Tourismus-Renditen wegen Tausende bewusst in die Corona-Infektion gehen haben lassen. Einen Tag nach den Wiener Wahlen ist diese Theorie nun mit einem lauten Knall zerplatzt. Dieses Platzen ist eindeutiges Ergebnis des Berichts einer Expertenkommission unter einem langjährigen Höchstrichter. Diese Kommission sollte auch sonst ein Vorbild sein: als Ersatzmodell für die unsäglichen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse.
Die mehr als ein halbes Jahr lang überall verbreitete Ischgl-Story hat gelautet: Dort haben sich tausende Menschen ganz am Beginn der Pandemie mit dem Corona-Virus infiziert und daraufhin die Infektion quer über Europa verbreitet – dieser Teil stimmt. Aber der zweite Teil ist nun als falsch entlarvt worden, dass Ursache dieser Verbreitung eine böswillige Verschwörung von Hoteliers, Seilbahnbetreibern, Beamten und Politikern zwischen Ischgl, Landeck und Innsbruck wäre, die die Gesundheit vieler Menschen dem touristischen Profit geopfert hätten.
Diese von der Expertenkommission nun zerstreute linke Verschwörungstheorie ist ebenso Unsinn wie die rechte Corona-Mär, dass das Virus von Bill Gates in die Welt gesetzt worden sei, damit er mit Impfprogrammen fette Gewinne machen könne. Und sie ist ebenso Unsinn wie die vor allem in Amerika verbreitete These, die Chinesen hätten das Virus absichtlich gezüchtet, um die freie Welt infizieren zu können.
Auch dazu lautet die mutmaßliche Wahrheit jeweils anders:
Andere Corona-Dummheiten erledigen sich überhaupt von der ersten Sekunde an von selber. Etwa jene, dass die G5-Technologie schuld an der Pandemie sei.
Zurück zum Ischgl-Bericht: Dieser widerlegt die Behauptungen einer bösartigen und zynischen Verschwörung, insbesondere des von den genannten Medien oft behaupteten Drucks der Tourismuswirtschaft auf Entscheidungsträger, kein vorzeitiges Ende der Wintersaison zu verhängen. Der Bericht zählt aber sehr wohl eine Häufung von Fehleinschätzungen, Chaos-Aktionen und Kommunikationsfehlern auf.
Wobei einer der Vorwürfe auch Bundeskanzler Kurz trifft: Er hat am 13. März "überraschend, ohne unmittelbare Zuständigkeit und ohne substanzielle Vorbereitung" in einer der damals so beliebten Pressekonferenzen erklärt, dass das Paznauntal (also insbesondere Ischgl) unter Quarantäne gestellt wird. Darauf seien Touristen überstürzt und chaotisch abgereist. Die Umsetzung einer solchen Komplettquarantäne hätte aber unbedingt zuerst in Tirol genau vorbereitet werden müssen, bevor man sie öffentlich ankündigt, betont der Bericht zu Recht, wenn auch mit der immer viel größer gewordenen Weisheit eines ex post.
Auch in Hinblick auf Tirol wurde eine ganze Reihe chaotischer, unkoordinierter und unzureichender Aktionen und Fehleinschätzungen jener Tage und Stunden aufgespießt. Aber trotz vieler Details ist nirgendwo der böse Vorsatz oder Zynismus sichtbar worden, den so viele linke Journalisten im letzten Halbjahr zelebriert haben. Freilich: Wer hätte ausgerechnet aus diesem Eck korrekte Berichterstattung erwartet?
Bei nüchterner Beurteilung ist es völlig klar: Sowohl die Tiroler wie auch der Rest der Welt waren in den ersten Tagen und Stunden völlig überfordert von dem, was da auf sie zukommt. Alles in allem ist sogar eindeutig, dass Österreich insgesamt eine Woche früher reagiert hat als viele andere Länder, wo man das Virus viel länger unterschätzt hatte.
Heute fragt man sich ja ganz im Gegenteil: Hat Österreich, wie viele andere Länder, nicht in Wahrheit überreagiert? Sind durch den massiven Lockdown viele möglicherweise sogar noch größere Schäden eingetreten?
Nach der Klärung der Geschehnisse rund um Ischgl (die noch anhängigen Strafverfahren drehen sich alle nur um konkrete Fälle der Überforderung und Fehlreaktion einzelner Beamter) wären zwei weitere Corona-Skandale noch viel dringender zu untersuchen:
Dieses Versagen hat dazu geführt, dass die Infektionszahlen in Wien seit Monaten weit über dem österreichischen Schnitt liegen, dass es dadurch weit mehr Folgeinfektionen gibt als durch Ischgl, dass international die Stadt schon von vielen anderen Ländern mit einem De-Facto-Reiseverbot belegt worden ist.
Das Wiener Versagen war ein Zeichen viel größerer Unfähigkeit, als es in Tirol rund um die Ischgler Tage offenkundig geworden ist, wo eine Verordnung ein oder zwei Tage zu spät umgesetzt worden ist. Denn in Wien zieht sich das Versagen über Monate; es passierte nicht ganz am Anfang einer völlig unbekannten neuen Bedrohung, sondern erst nach langer Dauer der Epidemie; und noch dazu hat es statt zu hektischen Maßnahmen (wie der Tiroler Paznauntalsperre) zu pappigem Leugnen (wie in China) geführt, das jede Kritik als "Wien-Bashing" hingestellt hat, welches sich "die Wiener nicht verdient haben" (Michael Ludwig).
Eine der neuesten Corona-Verschwörungstheorien behauptet, Wien läge nur deshalb so schlecht, weil zu viel getestet werde. Auch das ist eine Lüge. Es wird überall mehr getestet – endlich –, aber in Wien keineswegs überdurchschnittlich mehr. Und es werden Testwillige noch immer abgewiesen. Was noch immer ein Skandal ist.
Mit dieser Argumentation "Zu viele Tests" trifft sich die Rathauspropaganda übrigens mit manchen Kritikern von rechts. Aber auch die haben mit dieser Kritik nicht recht. Solange es keine Impfung gibt, und solange es keine ausreichende Behandlung gibt (zumindest erfährt man nichts von einer solchen, auch wenn die Todeszahlen auffallend klein geworden sind), sind verbreitete Tests noch immer die relativ beste Strategie, auch wenn man dabei logischerweise viele Nichtinfizierte mittestet.
Aber gehäufte Tests haben eben nur dann Sinn, wenn sie – mit welchen Techniken immer – blitzschnell ausgewertet werden und wenn ebenso blitzschnell alle Kontakte angesprochen und isoliert oder ebenfalls getestet werden. Wenn das nicht geschieht, sind breitgestreute Tests tatsächlich sinnlos. Damit geht im Grund Wien – und damit automatisch ganz Österreich – den schwedischen Weg hin zu einer Herdenimmunisierung, einen Weg, auf dem die Pandemie erst nach einer deutlich erhöhten Sterblichkeit abebben wird.
Allerding hat niemand in Österreich jemals diesen Weg angekündigt oder gar beschlossen. Wir befinden uns einfach als Folge der Unfähigkeit der Wiener Behörden auf diesem Weg.
Ein letztes Mal zurück zur Ischgl-Kommission: Deren zügige und klare Arbeit könnte und sollte auch auf anderen Ebenen ein Vorbild werden, wird es aber natürlich nicht. Die Schaffung solcher unabhängiger Kommissionen unter einem pensionierten Höchstrichter zu einem größeren Thema wäre insbesondere auch auf Bundesebene dringend und wichtig. Man vergleiche die rasche und substanzielle Arbeit der Ischgl-Kommission, die niemanden verschont, die aber zugleich absurde mediale und parteipolitische Verschwörungstheorien wie einen Luftballon platzen lässt, mit dem ständigen Müllwerfen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der angeblich Ibiza gewidmet ist.
Dieser agiert schon viel länger als die Ischgl-Kommission, hat kein Ziel, kein erkennbares Konzept, keine brauchbaren juristischen Regeln. Statt zur Zerstreuung von Verschwörungstheorien kommt es schon vor jeder Sitzung zur Aufstellung irgendwelcher neuer solcher Theorien durch Parteiexponenten, die dann regelmäßig im Nirwana verlaufen.
Wer sich mit verständlichem Grauen von dieser Schmutzkübelveranstaltung abgewendet hat, der blickt voll Sehnsucht auf Großbritannien und etliche andere Länder, wo für schwierige Untersuchungen eine "Royal Commission" (beziehungsweise "Commission of Inquiry") eingesetzt wird, die dann beinhart, aber ohne parteipolitische Verdummung Tacheles produziert.