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Das Platzen einer Verschwörungstheorie

Sie ist seit März tausende Male in allen linken Medien Europas breitgetreten worden, wie immer mit dem ORF an der unrühmlichen Spitze. Sie hat Österreich und Tirol gewaltigen Schaden zugefügt. Und sie ist von diesen Medien gezielt vor den Wiener Wahlen neuerlich erzählt worden: die Verschwörungstheorie von den böswilligen Gierhälsen zu Ischgl und Tirol, die ihrer fetten Tourismus-Renditen wegen Tausende bewusst in die Corona-Infektion gehen haben lassen. Einen Tag nach den Wiener Wahlen ist diese Theorie nun mit einem lauten Knall zerplatzt. Dieses Platzen ist eindeutiges Ergebnis des Berichts einer Expertenkommission unter einem langjährigen Höchstrichter. Diese Kommission sollte auch sonst ein Vorbild sein: als Ersatzmodell für die unsäglichen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. 

Die mehr als ein halbes Jahr lang überall verbreitete Ischgl-Story hat gelautet: Dort haben sich tausende Menschen ganz am Beginn der Pandemie mit dem Corona-Virus infiziert und daraufhin die Infektion quer über Europa verbreitet – dieser Teil stimmt. Aber der zweite Teil ist nun als falsch entlarvt worden, dass Ursache dieser Verbreitung eine böswillige Verschwörung von Hoteliers, Seilbahnbetreibern, Beamten und Politikern zwischen Ischgl, Landeck und Innsbruck wäre, die die Gesundheit vieler Menschen dem touristischen Profit geopfert hätten.

Diese von der Expertenkommission nun zerstreute linke Verschwörungstheorie ist ebenso Unsinn wie die rechte Corona-Mär, dass das Virus von Bill Gates in die Welt gesetzt worden sei, damit er mit Impfprogrammen fette Gewinne machen könne. Und sie ist ebenso Unsinn wie die vor allem in Amerika verbreitete These, die Chinesen hätten das Virus absichtlich gezüchtet, um die freie Welt infizieren zu können.

Auch dazu lautet die mutmaßliche Wahrheit jeweils anders:

  • Es gibt keinerlei Beweis für die ständigen Anschuldigungen, dass Bill Gates ein Bösewicht wäre. Er lässt vielmehr einen Teil der vielen Milliarden, die er in der ersten Hälfte seines Lebens mit dem Aufbau von Microsoft verdient hat (das übrigens von Anhängern des weit besseren Konkurrenzprodukts Apple nicht ganz zu Unrecht als "Microschrott" verhöhnt wird), nun humanitären Zwecken zur Verbesserung der globalen Gesundheit zukommen. Dazu gehören ganz logischerweise jetzt auch Beiträge zur Suche einer Impfung gegen die Corona-Krankheit, die von einem Großteil der Menschen dringend ersehnt wird, die von einer Minderheit hingegen aus diversen Gründen abgelehnt wird. Er ist genauso ein Reicher wie Dietrich Mateschitz, der mit seinem ebenfalls ethisch nicht besonders wertvollen "Red Bull" Milliarden gemacht und diese nun vielen überaus lobenswerten Dingen zuwendet (wenn man vom Motorsport absieht).
  • Es gibt auch bei China kein einziges ernstzunehmendes Indiz, dass dieses Land vorsätzlich das Virus freigesetzt hätte. China hat aber sehr wohl grob fahrlässig agiert, als es wochenlang die Gefährlichkeit der dort ausgebrochenen Epidemie verschwiegen und Ärzte sogar bestraft hat, die darüber informieren wollten. Offen muss lediglich bleiben, ob das Covid-19-Virus durch eine Mutation bei Fledermäusen in freier chinesischer Wildbahn entstanden ist, oder ob es bei gefährlichen Experimenten in einem militärischen Forschungslabor nahe dem Wildtiermarkt von Wuhan entschlüpft ist.

Andere Corona-Dummheiten erledigen sich überhaupt von der ersten Sekunde an von selber. Etwa jene, dass die G5-Technologie schuld an der Pandemie sei.

Zurück zum Ischgl-Bericht: Dieser widerlegt die Behauptungen einer bösartigen und zynischen Verschwörung, insbesondere des von den genannten Medien oft behaupteten Drucks der Tourismuswirtschaft auf Entscheidungsträger, kein vorzeitiges Ende der Wintersaison zu verhängen. Der Bericht zählt aber sehr wohl eine Häufung von Fehleinschätzungen, Chaos-Aktionen und Kommunikationsfehlern auf.

Wobei einer der Vorwürfe auch Bundeskanzler Kurz trifft: Er hat am 13. März "überraschend, ohne unmittelbare Zuständigkeit und ohne substanzielle Vorbereitung" in einer der damals so beliebten Pressekonferenzen erklärt, dass das Paznauntal (also insbesondere Ischgl) unter Quarantäne gestellt wird. Darauf seien Touristen überstürzt und chaotisch abgereist. Die Umsetzung einer solchen Komplettquarantäne hätte aber unbedingt zuerst in Tirol genau vorbereitet werden müssen, bevor man sie öffentlich ankündigt, betont der Bericht zu Recht, wenn auch mit der immer viel größer gewordenen Weisheit eines ex post.

Auch in Hinblick auf Tirol wurde eine ganze Reihe chaotischer, unkoordinierter und unzureichender Aktionen und Fehleinschätzungen jener Tage und Stunden aufgespießt. Aber trotz vieler Details ist nirgendwo der böse Vorsatz oder Zynismus sichtbar worden, den so viele linke Journalisten im letzten Halbjahr zelebriert haben. Freilich: Wer hätte ausgerechnet aus diesem Eck korrekte Berichterstattung erwartet?

Bei nüchterner Beurteilung ist es völlig klar: Sowohl die Tiroler wie auch der Rest der Welt waren in den ersten Tagen und Stunden völlig überfordert von dem, was da auf sie zukommt. Alles in allem ist sogar eindeutig, dass Österreich insgesamt eine Woche früher reagiert hat als viele andere Länder, wo man das Virus viel länger unterschätzt hatte.

Heute fragt man sich ja ganz im Gegenteil: Hat Österreich, wie viele andere Länder, nicht in Wahrheit überreagiert? Sind durch den massiven Lockdown viele möglicherweise sogar noch größere Schäden eingetreten?

  • durch Nichtbehandlung anderer Krankheiten;
  • durch schwere wirtschaftliche Schäden des verfügten Lockdowns, die zur Auslösung der größten Krise der Nachkriegszeit beigetragen haben;
  • und durch massive und übertriebene Einschränkungen der Grundrechte.

Nach der Klärung der Geschehnisse rund um Ischgl (die noch anhängigen Strafverfahren drehen sich alle nur um konkrete Fälle der Überforderung und Fehlreaktion einzelner Beamter) wären zwei weitere Corona-Skandale noch viel dringender zu untersuchen:

  1. Der erste wäre eine dringend notwendige globale Untersuchung zu den Fahrlässigkeiten Chinas. Nachdem aber die UNO natürlich nie eine Untersuchung zu China unternehmen wird, wäre das einmal ein Fall, wo die EU zeigen könnte, ob sie vielleicht doch auch außerhalb von Sonntagsreden ein ernstzunehmender globaler Faktor werden will. Denn in China ist es nicht nur wie in Ischgl ein paar Tage und Stunden chaotisch zugegangen, dort ist vielmehr wochenlang bewusst gelogen und zugedeckt worden. Nicht aus angeblichen touristischen Interessen, sondern wegen des massiven Propagandainteresses einer totalitären Partei, die unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, dass bei ihr etwas außer Kontrolle geraten könnte.
  2. Der zweite ist das totale Versagen der Wiener Gesundheitsbehörden (womit nicht die Spitäler gemeint sind). Diese Behörden sind seit Monaten(!) außerstande,
    • alle gewünschten Tests rasch durchzuführen (denn es werden immer wieder völlig unakzeptable Wartezeiten von einer Woche berichtet);
    • alle durchgeführten Tests rasch auszuwerten und die Getesteten rasch zu informieren (denn es gibt eine Reihe von positiv(!!) Getesteten, die erst eine weitere Woche nach dem Test davon erfahren haben);
    • bei allen Infizierten das sogenannte Contact Tracing durchzuführen (denn viele Infizierte wurden nie, wie eigentlich vorgeschrieben, nach ihren Kontakten befragt, und diese Kontakte sind in Wien nie befragt oder informiert worden).

Dieses Versagen hat dazu geführt, dass die Infektionszahlen in Wien seit Monaten weit über dem österreichischen Schnitt liegen, dass es dadurch weit mehr Folgeinfektionen gibt als durch Ischgl, dass international die Stadt schon von vielen anderen Ländern mit einem De-Facto-Reiseverbot belegt worden ist.

Das Wiener Versagen war ein Zeichen viel größerer Unfähigkeit, als es in Tirol rund um die Ischgler Tage offenkundig geworden ist, wo eine Verordnung ein oder zwei Tage zu spät umgesetzt worden ist. Denn in Wien zieht sich das Versagen über Monate; es passierte nicht ganz am Anfang einer völlig unbekannten neuen Bedrohung, sondern erst nach langer Dauer der Epidemie; und noch dazu hat es statt zu hektischen Maßnahmen (wie der Tiroler Paznauntalsperre) zu pappigem Leugnen (wie in China) geführt, das jede Kritik als "Wien-Bashing" hingestellt hat, welches sich "die Wiener nicht verdient haben" (Michael Ludwig).

Testen, testen, testen

Eine der neuesten Corona-Verschwörungstheorien behauptet, Wien läge nur deshalb so schlecht, weil zu viel getestet werde. Auch das ist eine Lüge. Es wird überall mehr getestet – endlich –, aber in Wien keineswegs überdurchschnittlich mehr. Und es werden Testwillige noch immer abgewiesen. Was noch immer ein Skandal ist.

Mit dieser Argumentation "Zu viele Tests" trifft sich die Rathauspropaganda übrigens mit manchen Kritikern von rechts. Aber auch die haben mit dieser Kritik nicht recht. Solange es keine Impfung gibt, und solange es keine ausreichende Behandlung gibt (zumindest erfährt man nichts von einer solchen, auch wenn die Todeszahlen auffallend klein geworden sind), sind verbreitete Tests noch immer die relativ beste Strategie, auch wenn man dabei logischerweise viele Nichtinfizierte mittestet.

Aber gehäufte Tests haben eben nur dann Sinn, wenn sie – mit welchen Techniken immer – blitzschnell ausgewertet werden und wenn ebenso blitzschnell alle Kontakte angesprochen und isoliert oder ebenfalls getestet werden. Wenn das nicht geschieht, sind breitgestreute Tests tatsächlich sinnlos. Damit geht im Grund Wien – und damit automatisch ganz Österreich – den schwedischen Weg hin zu einer Herdenimmunisierung, einen Weg, auf dem die Pandemie erst nach einer deutlich erhöhten Sterblichkeit abebben wird.

Allerding hat niemand in Österreich jemals diesen Weg angekündigt oder gar beschlossen. Wir befinden uns einfach als Folge der Unfähigkeit der Wiener Behörden auf diesem Weg.

Kommission ein Vorbild

Ein letztes Mal zurück zur Ischgl-Kommission: Deren zügige und klare Arbeit könnte und sollte auch auf anderen Ebenen ein Vorbild werden, wird es aber natürlich nicht. Die Schaffung solcher unabhängiger Kommissionen unter einem pensionierten Höchstrichter zu einem größeren Thema wäre insbesondere auch auf Bundesebene dringend und wichtig. Man vergleiche die rasche und substanzielle Arbeit der Ischgl-Kommission, die niemanden verschont, die aber zugleich absurde mediale und parteipolitische Verschwörungstheorien wie einen Luftballon platzen lässt, mit dem ständigen Müllwerfen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der angeblich Ibiza gewidmet ist.

Dieser agiert schon viel länger als die Ischgl-Kommission, hat kein Ziel, kein erkennbares Konzept, keine brauchbaren juristischen Regeln. Statt zur Zerstreuung von Verschwörungstheorien kommt es schon vor jeder Sitzung zur Aufstellung irgendwelcher neuer solcher Theorien durch Parteiexponenten, die dann regelmäßig im Nirwana verlaufen.

Wer sich mit verständlichem Grauen von dieser Schmutzkübelveranstaltung abgewendet hat, der blickt voll Sehnsucht auf Großbritannien und etliche andere Länder, wo für schwierige Untersuchungen eine "Royal Commission" (beziehungsweise "Commission of Inquiry") eingesetzt wird, die dann beinhart, aber ohne parteipolitische Verdummung Tacheles produziert.

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