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Vier höhere Töchter verwandeln das Land in ein strenges Mädchenpensionat

Der Auftritt von vier koalitionären Damen mit einem neuen riesigen Gesetzespaket gegen "Hass im Netz" ist der deprimierende Tiefpunkt dieser Koalition geworden. Statt dass die Regierung erkennt, dass die Menschen ob der immer stärker werdenden Knebelung durch die Obrigkeit immer mehr empört sind, zieht sie die Schrauben der Meinungsfreiheit noch stärker an. Es wird nun schon zum dritten Mal binnen weniger Jahre Gesetzesverschärfungen gegen eine so nebulose Meinung wie Hass-Erregung geben. Es ist beklemmend, dass die türkis-grüne Initiative zusammenfällt mit einigen erschreckenden globalen Vorgängen: bei denen in Russland neuerlich ein Regierungskritiker heimtückisch vergiftet wird; bei denen in Belarus Aufmüpfige zu Tausenden verhaftet und verprügelt werden; bei denen in Berlin die rot-rot-grüne Stadtregierung Demonstrationen einfach verbietet (und erst durch Gerichte zu deren Tolerierung gezwungen wird); bei denen in der Türkei kritische Plattformen einfach zugedreht werden; bei denen britische Behörden jahrelang ein Strafverfahren gegen ein Medium geführt haben, weil es immer wieder über dubiose Manipulationen bei Wirecard(!) berichtet hat; bei denen es in Hongkong zum ersten Mal seit Generationen eine totalitäre Meinungszensur gibt.

Und das sind nur die spektakulärsten internationalen Entwicklungen Richtung Zensur und Totalitarismus, die eigentlich auch die Damen Zadic, Raab, Edtstadler und Maurer kennen müssten.

Keine Frage: Es gibt wirklich widerliche Beschimpfungen und Drohungen. Vor allem gegen jeden, der in der Öffentlichkeit steht. Auch ich habe immer wieder solche erhalten, mich eine Minute darübrt geärgert – und dann die Sache vergessen. Solche Widerlichkeiten gibt es seit jeher. Ob im Netz, ob bei Brief, ob am Telefon. Jahrzehnte hat man – ob Politiker, ob Journalist – es mit verärgerter Gelassenheit zur Kenntnis genommen, dass sich manche Menschen an einem abreagieren wollen. Das gehört zur Demokratie, solange solche Widerlinge nicht physisch aktiv werden.

Das Ende der Aufklärung

Die höheren Töchter, die heute diesbezüglich in der Regierung das Sagen haben, sehen das jedoch anders. Sie glauben , ganz Österreich in ein strenges Mädchenpensionat für betuchte junge Damen verwandeln zu können, wo untugendliche Äußerungen streng verpönt sind. Sie haben die wichtigste Erkenntnis, den wichtigsten Fortschritt der westlichen Kultur durch die Aufklärung vergessen – oder nie begriffen: Die besteht ganz eindeutig im zentralen Wert der Meinungsfreiheit!

Wie wichtig diese ist, kann man nicht nur an den aktuellen internationalen Aktionen zu ihrer Zermalmung sehen, an die oben erinnert wird. Meinungsfreiheit ist spätestens seit dem 18. Jahrhundert und den großen Aufklärern zentraler Teil unserer abendländischen Kultur. Sie ist Mittelpunkt unserer europäischen Werte, von denen Politiker so oft schwätzen. Historiker können ihre Spuren sogar bis Canossa 1077 zurückverfolgen, oder bis zur Weigerung der frühen Christen, die Götter Roms anzubeten.

Eigentlich hatte ich nie geglaubt, dass ich im demokratischen Österreich die Meinungsfreiheit noch einmal so massiv bedrängt sehen werde wie sie in Zeiten des Vormärz unter Metternich und Gentz gewesen ist, im (kurzen) Neoabsolutismus eines Franz Josephs oder während der Besatzungszeit 1945 bis 1955, als von den Briefen bis zu den Zeitungen alles zensuriert worden ist (wer es nicht weiß, schlag etwa bei Nestroy nach oder beim bewundernswerten Kampf der Arbeiterzeitung in den Nachkriegsjahren).

Gewiss: Von den totalitären Zuständen der kommunistischen oder nationalsozialistischen Regime sind wir noch ein ordentliches Stück entfernt. Aber sollen wir ob dieser Gnade unserer Regierung etwa schon die Füße küssen müssen?

Was echte Meinungsfreiheit ist

Echte Meinungsfreiheit besteht natürlich nicht darin, dass alle der gleichen Meinung wie die Machthaber und die Mainstream-Medien sind (auch wenn die das gerne so hätten). Der wahre Test für ihr Vorhandensein ist zweifellos erst dann bestanden,

  • wenn die Menschen keinerlei Sorgen haben, zu sagen und schreiben, was auch immer sie denken; selbst wenn es scharf, unerzogen, widerlich ist;
  • wenn sich die Regierenden (und auch ich) maßlos darüber ärgern müssen;
  • wenn nicht nur die Gedanken frei sind, wie es ein 200 Jahre alten Lied so bewegend beschreibt (das ich bei Studentenverbindungen verschiedenster Couleur immer mit Ergriffenheit höre, wenn ich dort ein Referat halten darf): "Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen."

Die höheren Töchter der Regierung und ihre Hintermänner begreifen noch etwas anderes nicht: Exzedierende Meinungsäußerungen sind nicht nur ein hart erkämpftes Grundrecht, sondern auch ein exzellentes Ventil für die Menschen. Wenn sie in einem Land unbesorgt möglich sind und wenn die Bürger durch direkt-demokratische Mechanismen ihren Mehrheitswillen gegen die politmediale Klasse durchsetzen können, dann gibt es in diesem Land naturgemäß auch keine Motivation, schärfere und bedrohliche Aktionen zu setzen. Ob diese nun in revolutionären Aktionen oder – wie gerade in Berlin – im Sturm auf den Reichstag bestehen.

Echte Meinungsfreiheit hat aber auch eine grundlegende staatsphilosophische Dimension: Sie ist Beweis für Respekt vor dem wahren Souverän. Und dieser oberste Souverän ist – zumindest nach dem Wortlaut unserer Verfassung – weder der Bundespräsident noch die Regierung und auch nicht das Parlament (selbst wenn dort viele glauben, dass sie wie die altrömischen Kaiser legibus solutus über den Gesetzen stehen, wie ihr gegenwärtiger Hysterieanfall wegen der Ibiza-Videos beweist, die ihnen die Justiz nur gemäß dem Gesetzeswortlaut und nicht gemäß dem willkürlichen parteipolitischen Interesse der Abgeordneten übergeben will). Der oberste Souverän der Republik Österreich ist vielmehr eindeutig das Volk. Zumindest laut Verfassung.

Ja, und zu diesem Volk gehören auch – völlig gleichwertig!! – sehr einfache und sehr impulsive Menschen. Und diese geben nun einmal, so wie etwa auch der amerikanische Präsident, bisweilen Äußerungen von sich, die sie am nächsten Morgen keineswegs wiederholen würden. Aber das begreift man halt bei den höheren Töchtern nicht.

Viele Meinungsäußerungen sind schon jetzt verboten

Diese neue Regierungsaktion ist aber auch deshalb so überflüssig, weil jetzt schon eine unglaublich lange Latte von Äußerungen verboten und strafbar ist. Zu Recht und zu Unrecht. Zu Recht sind etwa alle Arten von Drohungen oder Aufrufen zu Gewaltakten verboten; zu Unrecht sind es schon seit der unsäglichen Justizministerin Berger die sogenannten Hassdelikte des Verhetzungsparagraphen. Denn Hass ist Meinung. Und Meinung hat eben als zentrales Grundrecht frei zu sein.

Aber statt dass diese grundrechtswidrigen Strafdelikte endlich abgeschafft werden, werden sie nun weiter verschärft. So können Österreicher durch sie mit zwei Jahren Haft(!) bestraft werden, wenn sie Unflätiges etwa gegen Moslems sagen – bisher war das nur ein kollektives Privileg der diversen Lieblingsgruppen der Linken, jetzt wird es auch zum individuellen jedes einzelnen Moslems. Man kann sogar dann bestraft werden, wenn man etwas Wahrheitsgemäßes sagt, sobald das Hass auslösen kann! Nicht bestraft wird hingegen, wer etwas gegen "Priester", "Unternehmer" oder "Bauern" sagt. Dabei sind das lauter Gruppen, von denen man glauben könnte, dass sie der ÖVP nahestehen. Dennoch macht die ÖVP nun schon zum dritten Mal bei einer Verschärfung dieses "Verhetzungsparagraphen" mit.

Wie sehr es eine Lüge ist, dass es neue Gesetze gegen "Hass im Netz" braucht, wie die vier zensurgeilen Koalitionsdamen behaupten, zeigt etwa die Tatsache, dass erst vor wenigen Tagen in Salzburg ein Mann wegen solcher Hassdelikte sogar in Untersuchungshaft genommen worden ist.

Daran ändert die durchschaubare Strategie von Justizministerin Zadic absolut nichts. Sie hat ganz "zufällig" am gleichen Tag, da sie solche neue Zensurgesetze vorlegt, die Information an die Öffentlichkeit dringen lassen, dass gegen sie irgendwo eine Beschimpfung gestanden ist, die man eventuell auch als Morddrohung auffassen kann. Doch solche Drohungen – wenn sie das wirklich waren – sind immer schon strafbar gewesen. Solche verbalen Exzesse gibt es seit jeher gegen fast jeden Menschen in der Öffentlichkeit. Nur nehmen sie halt die wenigsten ernst oder verlangen gar nach einem neuen Gesetz.

Als mich die Obrigkeit persönlich bedrohte

Wie sehr die Obrigkeit die Verfolgung solcher Meinungsdelikte schon längst zur Unterdrückung wenig fügsamer Staatsbürger einsetzt, habe ich vor einem Jahr am eigenen Leib erfahren. Die Staatsanwaltschaft leitete damals ein massives Verfahren gegen mich wegen zweier Paragraphen ein, die jeweils zu mehrjähriger Haft führen können. Sie hat dabei nur übersehen, dass die inkriminierten Äußerungen nicht von mir, sondern von einigen Postern gestammt haben. Und sie hat vor allem vergessen, von mir die Entfernung der Postings zu verlangen (wozu ich auch schon damals bei strafbaren Postings verpflichtet gewesen wäre), sondern eben gleich durch den Versuch einer Strafverfolgung die große Kanone des Strafrechts direkt auf mich gerichtet.

Deshalb ist die Sache letztlich blöd gelaufen für die angeblich so überlasteten Staatsanwälte. Aber immerhin haben diese mir Anwaltskosten im vierstelligen Bereich zufügen können. Für diese bekomme ich keinen Groschen Ersatz, wenn es nicht gelingt, das Verhalten der Staatsanwaltschaft direkt als Amtsmissbrauch verurteilen zu lassen (aber als einfacher Staatsbürger ist man meist gut beraten, einen solchen Vorwurf nicht justizanhängig zu machen). Absolut sicher bin ich – auch wenn ich es nicht beweisen kann –, dass dieser Drohversuch damit zusammenhängt, dass ich davor einige kritische Artikel über das Verhalten der Korruptions- und der Grazer Staatsanwaltschaft geschrieben habe.

Ich habe sie zwar auch danach geschrieben, aber ich habe dadurch hautnah gelernt:  Wenn man einen Obrigkeitskritiker (noch) nicht direkt belangen kann, so versucht es die Staatsanwaltschaft halt über die Bande irgendwelcher unkorrekter Äußerungen anderer Personen.

Apropos Kosten, die natürlich wiederum die Steuerzahler zahlen dürfen: Nur wenige Stunden sind nach der Pressekonferenz der vier Zensurkoalitionärinnen vergangen – und schon verlangt (verständlicherweise) die Richtervereinigung eine deutliche Vermehrung der Richterposten wegen des bevorstehenden Arbeitsanfalls durch das neue Gesetz. Aber freilich: Seit März hat diese Regierung ja das Geld zu einer unbeschränkt vorhandenen Masse erklärt. Seither finanziert man jede Infamie, "koste es, was es wolle".

Das Zensurprojekt ist auch gleichheitswidrig

Besonders verlogen ist auch, wenn so getan wird, als ob sich die Zensur nur gegen große Internetmedien wie Facebook richten. Aber erstens sind die jetzt im Entwurf stehenden 100.000 User keine sonderlich große Größe für eine Internet-Plattform. Und zweitens ist eine solche Grenze dann doppelt verfassungswidrig (sofern die VfGH- oder EGMR- oder EuGH-Richter sich trauen, für die Grundrechte einzutreten): erstens wegen der skizzierten Einschränkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit, und zweitens wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes; es kann ja nicht ein (angebliches) Delikt bei Großen verfolgt werden, bei Kleinen aber nicht.

Widerlich und lächerlich zugleich ist dabei auch das Verhalten der alten Medien: Zeitungen und ORF glauben offenbar wirklich, das eigene Dahinsiechen dadurch abbremsten zu können, dass Internet-Medien schikaniert werden. Dort sind ja die Bürger zum ersten Mal in der Geschichte der engen Kontrolle durch die medialen Gatekeeper entkommen. In den eigenen Existenznöten bejubeln sie also sogar ihren jahrhundertelang ärgsten Feind, die Zensur.

Was bedeutet das alles für dieses Tagebuch? Ich werde diese Frage gewiss noch mit Anwälten sehr genau prüfen, aber auf Grund der hohen Besucherzahl des Tagebuchs dürfte es jedenfalls unter das Zensurgesetz fallen. Daher besteht derzeit eindeutig die Gefahr, dass ich die Veröffentlichung von Postings ab Inkraftreten des Gesetzes beenden muss. Denn ich habe weder die Kapazität, noch die geringste Intention, selbst zum Vorzensor zu werden.

Die Maske wird zum Symbol der Republik

Wer hätte gedacht, dass die Corona-Maske, die uns die Regierung zwingt, über den Mund zu tragen, auch metaphorisch zum ganz großen Symbol dieser Regierung und der Entwicklung werden wird, die Österreich unter Türkis-Grün nimmt!

PS: Ein absolut brillanter Text, der eigentlich nicht auf Österreich bezogen ist, der aber haargenau passt, ist vor wenigen Stunden in der NZZ erschienen. Absolut lesenswert, wenn ihn vielleicht auch unsere höheren Töchter nicht verstehen werden.

PPS: Wer glaubt, dass die Neos in irgendeiner Hinsicht eine liberale Partei wären, sollte spätestens jetzt der Wahrheit ins Auge blicken. Obwohl Meinungsfreiheit ganz unbestreitbar DER Kern des klassischen Liberalismus ist, haben die Neos – ausgerechnet durch den Träger eines hocharistokratischen Namens – das Gesetz als positiv gelobt und "begrüßt", nur die mangelnde "Zielgenauigkeit" angemerkt …

PPPS: Hingegen sei die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler als mutig und aufrecht gepriesen. Sie hat sich vor wenigen Tagen in einem Text klar und öffentlich schon gegen dieses Hass-Gesetz gewandt. Eine kleine Hoffnung lebt daher, dass auch noch andere Koalitionsabgeordnete so anständig sein werden, dagegen aufzustehen. Wir werden uns das noch sehr genau anschauen.

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