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Sicherheit schaut anders aus als das, was Bildungsminister Faßmann nach monatelangem Hin und Her vor einigen Tagen für den herbstlichen Schulbeginn verkündet hat. Endlich verkünden hat dürfen: Denn die eigentliche Kompetenz in Sachen Seuchenbekämpfung liegt ja bei Gesundheitsminister Anschober. Der aber zeigt sich zunehmend entscheidungsschwach. Herausgekommen ist in Sachen Schule ein überaus komplizierter Kompromiss, der restriktiver ist als das, was Faßmann immer wieder als eigene Wunschlinie angedeutet hat. Der Kompromiss hat aber so wie die gesamte Corona-Politik Österreichs der letzten zwei Monate einen gewaltigen zentralen Schwachpunkt.
Dieser Schwachpunkt trägt den Namen "Ampel". Auch die von Faßmann veröffentlichte Regelung ist ganz auf die Ampelschaltung abgestimmt. Nur: Obwohl schon seit langem von der Ampel geredet wird, so ist weiterhin, auch Tage nach Faßmanns detailliertem Erlass völlig unklar, wie wann nach welchen Regeln für welches Gebiet und mit welchen Folgen (für alle anderen Bereiche außerhalb des Schulbetriebes) die vierphasige Ampel geschaltet wird, und was für Folgen das in allen anderen Bereichen hat.
Dabei hat Anschober schon am 4. Juli die Einführung des Ampelsystems angekündigt (er muss also wohl noch viel länger interne Konzepte und Analysen dafür gehabt haben, sonst wäre es grob fahrlässig gewesen, von "Ampel" auch nur zu reden). Es heißt aber dennoch bis jetzt nur vage, dass im September der Probebetrieb für ein Ampelsystem beginnen würde. Aber in den Schulen beginnt da ja schon der Ernst. Daher wäre es eigentlich dringend schon heute unverzichtbar zu wissen, welches Ampellicht etwa derzeit in den verschiedenen Bezirken leuchten würde.
Daher ist es sehr fragwürdig, ob es wirklich schlau ist, den Schulbetrieb auf das bezirksweise gedachte Ampelsystem umzustellen. Noch dazu, wo Wien absurderweise schon durchsetzen hat können, dass die ganze Stadt als ein einziger Bezirk angesehen wird. Das macht in Wien also jede durch eine Ampelschaltung ausgelöste Maßnahme automatisch zu einer flächendeckenden.
Damit droht zumindest den Schulen der Hauptstadt ein neuer März 2020. Sind doch die Corona-Zahlen (Infektionen wie Todesfälle) in Wien seit längerem viel katastrophaler als in den anderen Bundesländern, mit zeitweiser Ausnahme der Steiermark. Umgekehrt: Will Anschober – aus Rücksicht auf den Wiener Wahltag – dennoch ausgerechnet Wien von jeglicher Maßnahme verschonen, wie schon sehr konkret berichtet wird, müsste er gerechterweise ganz Österreich Grünlicht geben. Was die ganze Ampelei lächerlich macht.
Zehnmal schlauer wäre es daher jedenfalls für das Bildungssystem, wenn jede Maßnahme einzig auf jene Schule oder jene Klasse reduziert würde, an der ein Schüler oder Lehrer erkrankt oder infiziert ist oder wo es einen Verdachtsfall gibt.
Vieles klingt an sich ja ganz sinnvoll, was Faßmann da vorgelegt (oder verhindert) hat:
Das Problem liegt genau in diesem "weitgehend" und darin, dass kein regelmäßiges Monitoring für alle stattfindet. Irgendwie bleibt damit ein großer Bereich der Unklarheit und Unsicherheit, der überdies völlig von der weiterhin unbekannten Ampelpolitik Anschobers abhängt. Es kann also beispielsweise sehr wohl doch dazu kommen, dass wieder sehr viele Schüler – speziell die älteren – zu Homeschooling verdammt sein werden.
Gewiss: Niemand kann behaupten, dass es leicht wäre, die richtige Corona-Politik zu entwickeln. So sind weltweit inzwischen schon allzu viele Politiker und Staaten, die eine Zeitlang als vorbildlich gehandelt worden sind, völlig entzaubert. So haben in Deutschland die zeitweiligen Corona-Wunderkinder Spahn und Söder inzwischen ihren Absturz erlebt, weil Dinge – etwa in Bayern die Test-Administration – nicht funktioniert haben (in Wien funktioniert vieles ebenfalls schlecht, nur ist das bisher von den mit Inseraten gefütterten und von ideologischen Rathausfreunden journalistisch gemachten Medien weitgehend verschwiegen worden).
Aber das, was jedenfalls schiefgehen muss, ist eine Politik, die Unklarheit und Ungewissheit ausstrahlt. Und das gilt jedenfalls am meisten für die unsicher flackernde Ampel.
Nur entsetzt zuschauen kann man rund um die Corona-Krise – ganz jenseits der Schule –, wie sich die FPÖ in einen absurden Hass gegen jede Corona-Maßnahme verrennt. So hat jetzt ihr Klubobmann Kickl das absolut sinnvolle Kontakt-Tracing (also die Konzentration auf die Suche nach allen Kontakten eines Erkrankten) und die dafür notwendige Speicherung von Kontaktdaten als "Spitzelsystem nach DDR-Vorbild" und als Grundlage für einen "autokratischen Überwachungsstaat" bezeichnet, in den Sebastian Kurz Österreich angeblich als "Dollfuß-Regime 2020" verwandeln wolle.
Es ist schmerzhaft zuzusehen, wie – subjektiv verständlicher, aber objektiv irrer – Hass einen Politiker blind macht.
Man sollte eher im Gegenteil kritisieren, dass diese fürs Kontakt-Tracing notwendige Speicherung von Kontaktdaten laut Regierungsplänen nur dann erfolgen darf, wenn jemand der Speicherung ausdrücklich zugestimmt hat. Betriebe oder Veranstalter dürfen, so steht es im Gesetz, niemandem den Zutritt verweigern, der die Einwilligung zur Datenverarbeitung ablehnt.
Das ist absurd. Damit wird das gesamte Kontakt-Tracing zur Farce. Damit vergrößert sich automatisch, statt dass Infektions-Cluster wirklich gezielt nachverfolgt werden können, die gewaltige Gefahr, dass es wieder zu Lockdowns und Schulschließungen kommen wird.
Unter den vielen absurden Maßnahmen, die wir hinter uns haben und die uns noch drohen, ist das gezielte Kontakt-Tracing sogar fast die sinnvollste Maßnahme, um die flächendeckende Ausbreitung einer Infektion zu verhindern. Genau das will auch die große Mehrheit der Österreicher.
Aber können nicht diese Daten missbraucht werden, werden manche einwenden. Mit viel Phantasie ist das tatsächlich vorstellbar. In 99,99 Prozent der Fälle ist zwar das Festhalten der Information, dass Andreas Unterberger bei diesem Konzert oder jenem Arzt oder in jenem Restaurant gewesen ist, völlig problemlos. Heikel wird es nur, wenn Unterberger sich in einem Beisl mit einem Geheimagenten treffen sollte oder geheim mit einer anderen als der anverheirateten Frau auf einem Konzert wäre. Das sollte er dann halt besser bleiben lassen ...
Viel richtiger und wichtiger wäre es, hätte Kickl seine Kritik-Kapazität auf das Fehlen scharfer Maßnahmen gegen den Missbrauch von Daten und Informationen durch Beamte gerichtet. Ich habe jedoch nur wenig Kritik von ihm an dem Skandal gehört, dass noch immer ununterbrochen der Amtsverschwiegenheit unterliegende Informationen aus einer bestimmten Staatsanwaltschaft an bestimmte Medien gelangen.
Dabei geht es zwar nicht primär um Informationen, die irgendwie mit dem Kontakt-Tracing zu tun hätte. Aber es sollte unbedingt darum gehen, dass jede Behörde, jeder Beamter absolut und immer mit sämtlichen Informationen über einen Bürger vertraulich umzugehen hat. Und dass, wenn sie das nicht tun, automatisch (und nicht nur entsprechend der Ideologie oder dem Mut eines Ministers) eine unabhängige polizeiliche Untersuchung zu erfolgen hat, und dass eine illegale Datenweitergabe durch einen Beamten jedenfalls mit unbedingten Gefängnisstrafen zu ahnden ist.
In der Praxis wird aber sehr schludrig oder böswillig mit individuellen Daten umgegangen, aber extrem geheimnisvoll mit Daten, etwa wo Korruption bei Auftragsvergaben und dergleichen im Spiel sein könnte, etwa wo aus Steuergeldern parteipolitische Zwecke bedient werden.
In anderen Ländern kommt es jedenfalls ganz selbstverständlich zu immer mehr genau solchen gezielten Corona-Bekämpfungsmaßnahmen, wie sie Kickl so erregen. Die deutsche Reederei Tui Cruises hat jetzt beispielsweise angekündigt, dass künftig bei der Wiederaufnahme von Kreuzfahrten jeder einzelne Mitreisende einen negativen Corona-Test vorlegen muss. Das ist eindeutig eine noch viel schärfere Maßnahme als das bloße Deponieren von Name und Adresse, damit man gefunden wird, wenn ein Mitreisender erkrankt sein sollte.
Die meisten würden jedenfalls nur dann in ein solches Schiff einsteigen oder in ein Konzert gehen, wenn auch bei allen anderen Gästen solche Maßnahmen getroffen werden wie das Bestehen auf Tests, wie das Deponieren des Namens. Oder wenn man künftig sicher sein kann, dass nur jene im Saal sitzen, die wirklich eine Impfung nachweisen können.
Auch wenn die FPÖ diese vehement ablehnt.