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Es ist keineswegs nur die sommerliche Hitze, welche die Menschen in Belarus, im Libanon und in Hongkong derzeit zu verzweifelten Kampf- und Hassaktionen gegen die Mächtigen treibt. Diese Freiheitskämpfe verdienen in all ihrer Unterschiedlichkeit – und trotz oder gerade wegen ihrer Aussichtslosigkeit – unsere volle Unterstützung und Sympathie, und nicht nur das laue Routine-Gelabbere aus Brüssel oder Wien. Oder gar die Berichte der linken Mainstream-Medien, die Aufstände gegen postkommunistische Diktatoren nicht sonderlich mögen und daher trotz der sommerlichen Nachrichtenflaute nur sehr lustlos darüber berichten (oder die gar wie der ORF unrelativiert einen "Wahlsieg" des Belarus-Diktators melden).
Nur die protestierenden Libanesen bekommen eine etwas engagiertere Berichterstattung. Was besonders auffällt, weil es in diesem Land zum Unterschied von Belarus und China an sich eine echte Demokratie gibt. Diese größere Beachtung hängt gewiss auch damit zusammen, dass man von dort problemlos berichten kann, was in Belarus und Honkong kaum möglich ist.
Aber die Sympathie der Mainstreammedien für die Demonstranten von Beirut ist zweifellos vor allem Folge der Tatsache, dass sie die libanesischen Zusammenhänge einfach nicht verstehen (oder gar wie die aus Beirut berichtende ORF-Anfängerin verlangen, dass die Demonstranten und nicht das Parlament die Regierung bestimmt). Würden sie den Libanon verstehen, wäre gleich die Sympathie viel geringer.
Die ob der gigantischen Explosion im Beiruter Hafen mit vielen Tausenden Opfern erbitterten Levantiner protestieren gewiss auch gegen Korruption und die ständig (nicht erst seit Corona) voranschreitende Verarmung des Landes. Aber das wirkliche Feindbild der empörten Beiruter ist weniger die politische Klasse im Allgemeinen. Es ist vielmehr ganz eindeutig die Hisbollah-Miliz der schiitischen Minderheit, gegen die sich niemand anzutreten traut.
Dieser (laut Selbstdarstellung vor allem gegen Israel kämpfenden Terrormiliz) wird von den Demonstranten die Schuld an der Explosionskatastrophe zugeschoben. Dabei spielt weniger die ebenfalls kursierende Verschwörungstheorie eine Rolle, dass die Hisbollah absichtlich die Explosion ausgelöst hätte. Aber sehr viele Libanesen sind überzeugt, dass die Hisbollah in dieser Lagerhalle am Hafen Sprengstoffmassen für ihre Kriegsaktionen (die vor allem gegen Israel, aber auch gegen innerarabische Gegner im Libanon und in Syrien gerichtet sind) gelagert hat, die in typisch arabischer Schlamperei und Korruption jedoch nicht ausreichend gesichert oder kontrolliert worden sind.
Die volle Wahrheit dazu werden wir aber wohl wie so oft nie erfahren.
Tatsache ist jedenfalls, dass man auf den Fernsehbildern der Beiruter Demonstrationen nur Frauen ohne Kopftuch findet; und dass im Gegensatz zu Beirut mit seinen vielen Christen im von der schiitischen Hisbollah kontrollierten Südlibanon Ruhe herrscht.
Das eindeutigste Indiz für eine düstere Rolle der Hisbollah bei der Explosion, aber auch der gesamten Malaise des Libanon ist, dass sich ausgerechnet der Hisbollah-Financier Iran sofort gegen die Protestierenden und gegen ausländische "Einmischung" gewandt hat. Teheran fürchtet, dass es durch diese Volksbewegung und den von ihr nun ausgelösten Rücktritt der Regierung – in der die Hisbollah eine Schlüsselrolle hatte! – zu einer Wende im Libanon kommen könnte, die Irans Einfluss auf das Land schwächen könnte.
Die ausländische "Einmischung" sieht Teheran aber in der Gefahr, dass unabhängige internationale Experten die Katastrophe untersuchen und dass dadurch die Hisbollah noch mehr zur Schuldigen werden könnte. Eine andere Form der von Teheran so auffallend bekämpften "Einmischung" ist gar nicht denkbar. Und Lebensmittel-, Zelt-, Medikamenten- und Baumaterial-Hilfslieferungen aus Europa und Amerika können ja wohl nicht einmal die Steinzeit-Mullahs stören. Lieferungen dieser Art sind offensichtlich das ganze Ergebnis einer groß beweihräucherten globalen Geberkonferenz, bei der letztlich nur mickrige 200 Millionen zusammengekommen sind.
Teheran kann schon gar nicht an die Möglichkeit einer militärischen "Einmischung" des Westens im Libanon glauben. Eine solche wäre total absurd. Denn selbst die israelische Armee, eine der stärksten der Welt, hat sich einst wenig glorreich wieder aus dem libanesischen Kuddelmuddel zurückziehen müssen. Daher denkt wohl kein einziger Europäer oder Amerikaner an eine solche Intervention.
Auch politische beziehungsweise ökonomische Sanktionen sind nicht einmal theoretisch Thema. Im Falle des Libanons – der ja ein durchaus demokratisches System hat, das nur unter der bewaffneten Macht der von Teheran finanzierten Hisbollah leidet, – würde man mit Sanktionen nur die Bevölkerung treffen. Und gegen den Iran sind die direkten Beweise zumindest in Hinblick auf die letzten Tage zu dünn.
Vor allem hat sich die EU – nicht zuletzt getrieben von einem zunehmenden, wenn auch unterschwelligen Antisemitismus – schon im Streit mit den USA über das Atomabkommen ganz auf die Seite Teherans gestellt. Trotz der iranischen Kriege in Syrien, im Irak und im Jemen. Und trotz der von Israel immer wieder geäußerten Existenzängste angesichts der Entwicklung einer iranischen Atombombe (die ja durch das in Wien geschlossene internationale Abkommen keineswegs unmöglich gemacht worden war).
Teherans Proteste gegen eine eventuelle "Einmischung" können sich also nur dagegen richten, dass internationale Experten ernsthaft die Ursachen der Explosion und die Rolle der Hisbollah untersuchen könnten. Und dass der Libanon von einer Halbkolonie Irans wieder zu einem unabhängigen Staat werden könnte.
Das beweist, dass eigentlich eine ganz andere Reaktion Europas dringend nötig wäre. Zumindest dann, wenn es etwa will, dass der Libanon wieder der – nach Israel – Europa ähnlichste Staat des Nahen Ostens wird.
Weit weg von jedem Demokratie- und Rechtsstaatsbewusstsein ist die Haltung der EU – und Österreichs – auch gegenüber Belarus. Dort ist gerade vom übelsten Diktator Europas die krasseste und schmutzigste Wahlfälschung seit Jahrzehnten begangen worden. Dort wird der Protest der betrogenen Bevölkerung mit einer Brutalität niedergeknüppelt, die fast schon an Budapest 1956, Prag 1968 und Krakau 1980 erinnert.
Und was macht die EU? Nichts. Sie ist offensichtlich zu sehr damit beschäftigt, Ungarn als bösem Rechtsbrecher den Prozess zu machen, weil es einer ausländischen Privatuniversität die Genehmigung verweigert; und Polen, weil es das Pensionsalter für Richter gesenkt hat. Ja freilich, wenn man mit so gewaltigen Verbrechen konfrontiert ist, kann man sich nicht um solche Kleinigkeiten wie den Freiheitskampf eines europäischen Volkes und seine Niederknüppelung kümmern ...
Ach ja, die EU und Österreich haben sich eine Ausrede zurechtgelegt: Würde man schärfer protestieren und etwa Sanktionen gegen das Land verhängen, dann würde man Diktator Lukaschenko ja in die Hände Russlands und Chinas treiben.
Mein Gott, wie rührend!
Als ob man da noch etwas treiben könnte.
Als ob nicht die Opposition in Belarus jede, wirklich jede politische Unterstützung ohne Wenn und Aber benötigen würde.
Als ob der Diktator von Minsk nicht ohnedies genauso widerlich wäre wie die Diktatoren in Moskau oder Peking.
Als ob nicht Moskau und Peking schon in den ersten Stunden nach Verkündung des sogenannten "Wahlergebnisses" die Ersten gewesen wären, die jubelnd dem Diktator von Minsk gratuliert haben, was zumindest auf eine enge Seelenverwandtschaft hinweist.
Als ob es im übrigen irgendetwas ändern würde, wenn das Land ganz von Moskau geschluckt würde.
Moskau dürfte übrigens gar nicht sonderlich an dem rohstoffarmen und zurückgebliebenen Land interessiert sein. Denn in dem verlotterten Belarus beträgt das (seit 2014 schrumpfende) Pro-Kopf-Einkommen nur knapp mehr als die Hälfte des russischen – oder gar nur rund ein Siebentel des österreichischen.
Der von Belarus geschickt ausgestreute Schmäh ist schon alt, dass der Westen einen kommunistischen Diktator unterstützen müsse, weil der sich sonst an Moskau wenden müsste. Vom jugoslawischen Diktator Tito bis zu Rumäniens Gewaltherrscher Ceausescu haben sie alle mit dieser Methode gearbeitet. Und der Westen hat den Schmäh immer geglaubt – bis jeweils das Volk in blutigen Erhebungen gezeigt hat, was es wirklich von diesen Herrschern hält (um präzise zu sein: In Jugoslawien hat das nur die nichtserbische Mehrheit des Volkes getan).
Genauso widerlich ist das sich ebenfalls auf ein paar salbungsvolle Worte beschränkende Desinteresse der EU – und Österreichs – an der brutalen Gleichschaltung Hongkongs durch China. Zwar gibt es an China im Gegensatz zu Belarus und zum Libanon sehr großes ökonomisches Interesse vieler europäischer Player. Zwar liegt China deutlich weiter weg als diese beiden Staaten.
Aber zum Unterschied von ihnen verletzt China nicht nur grundlegende Prinzipien von Humanität und universalen Menschenrechten, sondern bricht auch einen völkerrechtlichen Vertrag (mit Großbritannien), den es einst bei der Übernahme Hongkongs abgeschlossen hatte. Dieser hatte den Bürgern der einstigen britischen Kolonie explizit volle Meinungsfreiheit und Demokratie garantiert. Dieser ist jetzt von Peking eiskalt zerfetzt worden.
Gerade ein solcher Rechtsbruch kann aber auch Österreich und die EU alles andere als gleichgültig lassen: Denn es gibt mit China beziehungsweise chinesischen Firmen Tausende Verträge. Jetzt aber sehen wir endgültig, dass alle Verträge mit China das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind.
Wie China sich in Europa verhält, das sieht man aber gerade jetzt auch am Technologiediebstahl und Abtransport der Maschinen aus dem einstigen österreichischen Vorzeigeunternehmen ATB. Das sieht man auch an den höchstwahrscheinlich legitimen Sicherheitsbedenken gegenüber Huawei und anderen chinesischen IT-Giganten. Wie brutal und egoistisch China international vorgeht, erleben seit einigen Jahren aber auch viele afrikanische Länder: Das Reich der Mitte hat mit vielen Milliarden, die es in Europa und den USA verdienen konnte, in Afrika zwar scheinbar viel investiert, aber dabei fast nur Arbeitsplätze für Chinesen geschaffen; und nur Land für die eigene Lebensmittelversorgung gekauft. Peking hat hingegen Null Rücksicht auf die sozialen oder ökologischen oder ökonomischen Interessen Afrikas geübt.
Jetzt wird die gleiche Taktik gegenüber Europa unter dem Stichwort "Neue Seidenstraße" verfolgt. Wiederum dürften etliche Länder auf diese durchsichtige Taktik hineinfallen. Erstaunlicherweise tut dies auch Ungarn trotz seiner großen Erfahrung mit kommunistischen Diktaturen – aber offenbar will sich Budapest strategische Alternativen angesichts der feindlich gewordenen Stimmung in Teilen Westeuropas entwickeln.
So sehr auch der ORF und andere Linksmedien – etwa durch die bösartige Manipulation der gemeldeten Corona-Opferzahlen – fast täglich gegen die USA und Großbritannien hetzen (wie in unseren Breiten zuletzt nur vor 1945 gehetzt worden ist), so klar muss man sagen: Diese beiden Länder haben als einzige deutlich mit Sanktionen auf den Hongkonger Rechtsbruch reagiert.
Die EU – und Österreich – hingegen haben gar nicht reagiert. Heuchlerisch und fast mitleidheischend fragen europäische Diplomaten, wenn man sie darauf anspricht: Was sollen wir denn schon tun? Wir können China doch nicht den Krieg erklären?
Natürlich kann und soll man das nicht. Aber dennoch gibt es Etliches, was China wenigstens zum Nachdenken bringen und der Freiheitsbewegung moralische Unterstützung bringen könnte. Und was überdies eine legitime Antwort auf den diskriminierenden Umgang mit europäischen Investoren durch die Volksrepublik wäre:
Vor allem sollten all diese – und weitere – Schritte in Koordination mit den USA erfolgen. Unabhängig davon, wie sehr die europäische Linke bis hin zu Merkel den amerikanischen Präsidenten auch hasst, und wie albern Donald Trump in etlichen seiner Auftritte auch ist. Aber nur in einer solchen Koordination läge die Chance Europas, von einem belächelten pseudomoralischen Papiertiger zu einer weltpolitisch etwas ernster genommenen Macht zu werden.
Und einen ähnlichen – wenn auch natürlich anders gearteten – Katalog sollte man auch in Sachen Belarus und Hisbollah/Iran entwickeln.
Aber dieses Europa und die von Brüssel bis zu den heimischen Medien tonangebende Linke sind mit Sicherheit zu all dem unfähig. Oder unwillig. Das sieht man übrigens auch ganz augenscheinlich auf unseren Straßen: Etwa in Wien gibt es nicht die geringste Spur jener Zehntausenden (oder einer Pamela Rendi), die sich vor wenigen Wochen noch lautstark über den Tod eines amerikanischen Kleinkriminellen in Minneapolis durch einen Polizisten erregt haben.
Dabei wird dieser Tod in den USA jedenfalls zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren führen (bei dem freilich auch die bisher in vielen Medien weitgehend unterdrückten heftigen Auseinandersetzungen VOR der einzigen hunderte Male ausgestrahlten Szene eine Rolle spielen werden). Aber wegen der Toten in Minsk und Beirut, wegen der zynischen und brutalen Aushebelung von Demokratie, Menschenrechten und Völkerrecht in diesen drei Ländern rühren Rendi&Konsorten keinen Finger.
Ach, was für widerliche, verlogene und verkommene Typen sind sie doch alle, die sich da von Rot und Grün auf die Straße locken haben lassen! Die dort heuchlerisch gebrüllt haben: "Black lives matter". Die aber nicht einmal lispeln wollen, dass auch das Leben und die Freiheit und die Würde der Menschen in Belarus, im Libanon und in Honkong zählen. Das sind ja nur Europäer. Das sind ja nur libanesische Christen. Und das ja nur demokratieversessene Chinesen, denen es ungeheuerlicherweise unter dem britischen Kolonialjoch besser gefallen hat als nach der Wiedervereinigung mit den übrigen Chinesen.
PS: Ja, in Minsk, Beirut und Hongkong ist auch massiver Hass auf die Mächtigen und ihre uniformierten Schergen im Spiel. Hass ist ganz zufällig auch genau das, was uns die Mächtigen in Europa – und insbesondere Österreich, wo gerade an einem neuen Zensurgesetz gebastelt wird, – immer mehr verbieten wollen. Etwa gar aus der gleichen Machtgier und undemokratischen Intoleranz, wie sie Lukaschenko, Xi & Co prägt?