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Warum ich neuerdings Pilnacek, Red Bull und Rutte mag

Red Bull war nie mein Lieblingsgetränk und mit den Herren Christian Pilnacek (Justizsektionschef) sowie Mark Rutte (niederländischer Ministerpräsident) bin ich nie warm geworden, weil sie beide immer einen allzu selbstbewussten Eindruck gemacht haben. Doch jetzt hat man bei allen dreien etwas gesehen, was bei den sonstigen europäischen Staats- und Regierungschefs, bei Beamten und Unternehmen Mangelware zu sein scheint. Und das verdient höchsten Respekt und laute Bravorufe.

Davon, was sie da gezeigt haben, bräuchte diese Welt viel mehr. Das ist Mut, das ist Charakter, das ist die Bereitschaft, gegen ungebührlichen Druck standzuhalten, was man vielleicht wirklich nur dann schafft, wenn man große innere Stärke hat, die andere als Arroganz missverstehen könnten.

Der Justizsektionschef

Christian Pilnacek hat diese Eigenschaften an den Tag gelegt, als er als erster laut und deutlich klargemacht hat, welche Katastrophe der parlamentarische Untersuchungsausschuss ist, wie unfähig und präpotent sich dort etliche Abgeordnete verhalten. Sie stellen unsinnige Fragen und haben ihren Rest an Benehmen weit außerhalb des Parlaments abgegeben.

Ja, auch mit seiner Kritik am Essen von Semmeln während der Vernehmung von Zeugen hat Pilnacek Recht – egal ob diese nun mit Wurst oder Käse gefüllt sind (was für die SPÖ offenbar einen Unterschied macht). Wenn sich jene Menschen, die sich gerne als "Hohes" Haus anreden lassen, wie ein Hausmeister benehmen, dann sind sie eben ein sehr, sehr niedriges Haus.

Nichts gegen Hausmeister – aber Hausmeister nehmen eben nicht so unglaubliche Privilegien für sich in Anspruch wie die Parlamentarier. Sie glauben nicht, die oberste Staatsgewalt über allen Regeln und Gesetzen zu sein ("legibus solutus" zu sein, wie die alten Römer gesagt hätten). Sie können nicht von Zeugen Aussagen mit Beugestrafen und öffentlichen Demütigungen erzwingen. Ihr Tonfall erinnert nicht an den von Staatsanwälten in Nazi- oder kommunistischen Blutgerichtshöfen, wo längst vor der Beweisaufnahme die Verurteilung schon feststeht.

Auch wenn das Verhalten so mancher Abgeordneter kein Amtsmissbrauch im wörtlichen Sinne des Strafgesetzbuches sein mag (was schon deshalb der Fall ist, weil sich die Abgeordneten selbst Immunität gegenüber strafrechtlichen Konsequenzen gegeben hat), so ist es doch eindeutig ein Missbrauch des Amtes.

Was für ein Unterschied zum Benehmen und Auftreten der meisten Richter in diesem Land, die wissen, dass ihre besondere richterliche Gewalt zwingend ein besonderes Benehmen erfordert, wenn sie von den Bürgern respektiert werden wollen. Sie behandeln Zeugen höflich und korrekt. Um diese Aura der Korrektheit auch äußerlich auszustrahlen, sind die Richter meist in Talare gewandet, und nicht in Freizeit-T-Shirts, wie einst schon Peter Pilz, das heimliche Vorbild vieler Abgeordneter, die ihm - auf noch dazu reduzierter intellektueller Stufe - nachzueifern versuchen.

Natürlich gibt es auch bei den Richtern ganz ärgerliche Ausnahmen. Aber für diese Fälle sind Disziplinar-Konsequenzen durch höhere Instanzen vorgesehen (zumindest wenn sich Parteien oder Anwälte trauen, diese anzurufen). Bei Abgeordneten insbesondere dieses Untersuchungsausschusses ist rotziges Benehmen hingegen nicht die Ausnahme, sondern geradezu die Regel. Zum Unterschied von Richtern müssen Abgeordnete auch Null Angst vor Disziplinarmaßnahmen haben, denn Ordnungsrufe ignorieren sie, diese sind für manche nur eine Art Trophäe, die sie keine Sekunde ernst nehmen.

Aber es geht beim Verhalten dieses Ausschusses nicht nur um Benehmen, nicht nur um Respekt gegenüber den "vernommenen" Bürgern. Es geht längst auch um die grundsätzliche Frage, ob hier nicht die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit schon überschritten werden, weil eben die Gesetzgebung nicht die Justiz ist. Diese Gewaltenteilung ist eines der absoluten Fundamente der Verfassung, des Rechtsstaates. Es wäre daher durchaus sinnvoll, wenn sich der Verfassungsgerichtshof einmal sehr grundsätzlich mit dieser Frage befassen würde.

Gut tut aber auch der empörte Protest Pilnaceks dagegen, dass Parlamentarier und/oder Staatsanwälte ständig Inhalte von Mails und SMS-Dialogen an die Öffentlichkeit durchsickern lassen, die von der mehr als fragwürdigen Korruptionsstaatsanwaltschaft beschlagnahmt worden waren. Mainstreammedien lassen sich dabei fast täglich als Instrument dazu missbrauchen, solche eigentlich vom Amtsgeheimnis geschützten Dinge hinauszutragen. Sie glauben, dadurch wieder das Leserinteresse zu gewinnen – und begreifen nicht, wie sehr sie in Wahrheit das Vertrauen der Leser ständig noch mehr verlieren, wenn sie sich ganz freiwillig und bewusst von dunklen Mächten für parteipolitische Skandalisierungen missbrauchen lassen, statt selbst das Verhalten dieser dunklen Mächte als größtes Krebsübel anzuprangern.

Die Medien bedienen diese Mächte unter dem Schutz des sogenannten Redaktionsgeheimnisses, wodurch beide im Dunkeln agieren können. Hingegen zwingt gleichzeitig die Staatsgewalt des Tiefen Staates die Bürger immer brutaler, sich vor ihr nackt auszuziehen, ohne dass die Medien diesen zu Hilfe kommen würden. Vielmehr begeilen sich die Medien an der Nacktheit der Bürger und verlangen immer noch strengere Gesetze unter dem Vorwand, die Bürger würden sonst angebliche Fake News ausstreuen.

Aus all diesen Gründen darf man sich über Pilnaceks Empörung freuen. Auch wenn dabei zwei Fragezeichen offen bleiben:

  • Fällt ihm das alles erst auf, seit er selber Opfer ist?
  • Warum versucht er nicht – mit seiner zweifellos extrem hohen Kenntnis der (von ihm selbst mitverfassten) Strafprozessordnung – rechtlich dagegen vorzugehen?

Das Koffeingetränk

Wechsel zu Red Bull: Der österreichische Getränkehersteller hat mehrere Manager seiner amerikanischen Tochter gefeuert, die sich konzernintern politisch und populistisch zu betätigen versucht haben. Sie haben mehr Engagement Red Bulls für die linksextremistische "Blacklivesmatter"-Bewegung verlangt.

Aber Red Bull hat richtig erkannt: Es ist nicht Aufgabe eines Getränkeherstellers, sich zu einer enorm kontroversiellen und unglaublich viele Emotionen aufwühlenden Kampagne zu äußern, oder gar daran zu beteiligen. Genau das aber haben einschlägige – schwarze und linksradikale – Aktivisten freilich schon bei sehr vielen vor allem amerikanischen Konzernen erreicht.

Umso wichtiger ist – ohne auf alle Schattenseiten, Widersprüchlichkeiten und Lügen dieser Bewegung einzugehen – klar zu sagen: Es ist gut, es ist wichtig, dass endlich ein großes Unternehmen es abgelehnt hat, sich unter Druck setzen zu lassen, dass er lokalen Managern klar gezeigt hat, es ist nicht ihre Aufgabe, Konzernpolitik zu machen.

Red Bull wird jetzt zweifellos Ziel einer gewaltigen Kampagne werden, die auch gleich prophylaktisch alle anderen Unternehmen einschüchtern soll, sich den linksradikalen Forderungen nur ja nicht zu widersetzen. Daher kann es für jeden anständigen Menschen nur eine Konsequenz geben: künftig den Durst mit der stiergeschmückten Dose zu löschen. Schon um durch das Gegengewicht zum linksradikalen Terror ein Signal für Meinungsfreiheit und Mut zu setzen.

Der aufrechte Sparsame

Und noch ein Dritter ist vor den Vorhang zu holen, weil er mutig breitem Druck und Psychoterror widersteht. Das ist zumindest bisher der niederländische Premier Mark Rutte. Er besteht darauf, dass Italien und die anderen Schuldenstaaten nur dann dreistellige Milliardensummen der "sparsamen" Europäer bekommen, wenn sie genau definierte Forderungen erfüllen.

Diese Forderung Ruttes – der auch den österreichischen Bundeskanzler offenbar am gänzlichen Umfallen gehindert hat – sind aus mehreren Gründen berechtigt und notwendig:

  • Griechenland hat in finanziellen Nöten genauso präzise Sanierungsleistungen erfüllen müssen (vor allem Abspecken von Wohlfahrtsleistungen und Privatisierungen), sodass es schlicht ungerecht wäre, Italien, Spanien & Co viel Geld ohne strenge Auflagen zukommen zu lassen.
  • Die Niederlande, Österreich, Schweden und viele andere EU-Länder sind ebenfalls durch Corona schwer getroffen; sie wissen bis heute nicht einmal annähernd, wie sie die riesigen Folgekosten fürs eigene Land finanzieren werden, weshalb es die Bürger als extrem fragwürdig empfinden, jetzt für andere Länder noch mehr belastet zu werden.
  • Die Corona-Krise wird von Italien in Wahrheit nur als aktueller Vorwand genommen, um die Europäer für die Folgen der jahrelangen, gar nicht mit der Pandemie zusammenhängenden Misswirtschaft zahlen zu lassen.
  • Jeder weiß: Wenn Italien jetzt ohne harte rechtliche Auflagen Geld bekommt, werden alle netten Absichtserklärungen spätestens bei der nächsten italienischen Regierungskrise vergessen sein.
  • Die EU und der Binnenmarkt waren nie geschaffen worden, damit einzelne Staaten von den anderen finanziert werden: Ganz im Gegenteil, die Verträge verbieten das eigentlich sogar, weshalb man sie jetzt in dieser Frage wieder einmal bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen versucht.
  • Und wenn Italien jetzt droht, falls es das Geld nicht bekommt, dann ist der Binnenmarkt (und damit auch Italiens Verbleib im Euro) bedroht, kann man nur sagen: "Na bitte, dann geht halt".

Bei allen dreien, die man heute vor den Vorhang holt, um ihnen laut zuzujubeln, sollte man sich freilich bewusst sein: Schon morgen können sie unter dem gewaltigen Druck, der von vielen Seiten auf sie ausgeübt wird, umfallen. Aber umso lauter sollte man ihnen vorerst zurufen: Bravo!

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