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Die ÖVP hat schon mehrere eigene Abgeordnete – darunter drei hochinteressante Persönlichkeiten – wegen einzelner nicht ganz politisch-korrekter Sätze gemaßregelt und hinausgebissen. Jener Abgeordnete jedoch, der ständig aggressiver und bösartiger wird, um gegen die eigene Partei zu schießen und intrigieren, bleibt völlig unangetastet. Dafür finden sich zwar acht verschiedene zumindest theoretisch mögliche Erklärungen, die aber alle nicht unbedingt für Sebastian Kurz sprechen.
Dieser ÖVP-Abgeordnete ist natürlich der Schwiegersohn Kurt Waldheims und einstige Kurzzeit-Generalsekretär Othmar Karas, der seit mehr als zwanzig Jahren auf einem ÖVP-Mandat im EU-Parlament sitzt. In praktisch jeder Frage hat er sich in den letzten Jahren lautstark und öffentlich gegen die Linie von Kurz und als militanter EU-Ideologe gegen die österreichischen Interessen quergelegt. Zuletzt tat er das bei der Abstimmung im EU-Parlament über das Ergebnis des letzten EU-Gipfels. Im Gegensatz zu allen anderen sechs ÖVP-Abgeordneten stimmte Karas dabei (wieder einmal) mit den Linksparteien.
Einzelgänger Karas und die Mehrheit des Parlaments unterstützten eine Resolution gegen die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels. Sie übten dabei insbesondere auch Kritik an den Rabatten, die Kurz für Österreich herausverhandelt hatte. Karas griff in einer Erklärung zu diesem Gipfel sogar Kurz (wenn auch ohne Namensnennung, so doch eindeutig erkennbar) direkt und persönlich an: Es würden "diejenigen gefeiert, die sich für weniger Zuschüsse, weniger Zukunftsinvestitionen und weniger Rechtstaatlichkeit eingesetzt haben."
Die immer größer werdende, aber unbeantwortete Frage lautet: Warum lassen sich Kurz und die so säuberungsfreudig gewordene ÖVP das gefallen? Die zumindest theoretisch möglichen Erklärungen:
Jedenfalls ist der Kontrast der totalen Untätigkeit in Sachen Karas zur früheren Härte der ÖVP gegen eigene Abgeordnete gewaltig. Dieser Kontrast fällt umso mehr auf, als sich kein einziger der hart bestraften ÖVP-Mandatare direkt gegen Kurz oder sonst einen ÖVP-Funktionär gewandt hat, sondern nur mit Einzelaussagen gegen Dritte. Die Gemaßregelten haben zum Unterschied von Karas bei Abstimmungen auch immer mit der Partei gestimmt.
Zur Erinnerung die drei spektakulärsten Fälle:
Alle drei haben den gleichen Fehler begangen: Sie haben in ihren Formulierungen nicht ganz so nichtsagend und hohl formuliert, wie es sonst Politiker gerne tun. Sie haben frei von der Leber weg das gesagt, was sie sich denken. Sie haben damit genau so gesprochen, wie es – mindestens – hunderttausende Wähler der ÖVP auch tun. Was aber offensichtlich in den von zahllosen engdenkenden Pressesprechern auf Political Correctness getrimmten Politikeräußerungen nicht mehr vorkommen darf (obwohl keine einzige der inkriminierten Äußerungen gegen die ohnedies sehr strengen Regeln des österreichischen Strafrechts verstoßen hat).
Besonders verwunderlich ist allerdings an diesen Fällen gewesen, dass sich die politische Klasse ständig wundert, weil die Menschen sich von ihr immer weniger angesprochen und verstanden fühlen. Das ist an sich kein Wunder, ist doch die Politikersprache für die Bürger immer mehr zur Fremdsprache geworden.
Der Hinauswurf dieser Drei ist fast als Vorspiel zur gegenwärtigen überaus bedenklichen Initiative von Karoline Edtstadler einzustufen. Sie will – sogar gegen den Widerstand der offenbar stärker als sie an Menschenrechten und Meinungsfreiheit orientierten derzeitigen EU-Kommission – ein neues scharfes Zensurgesetz durchbringen, das als "Hass im Netz" getarnt wird. Dass dieser Vorstoß gerade von Edtstadler kommt, macht besonders betroffen, hat man sie doch lange für eine Idealverkörperung der versprochenen Mitte-Rechts-ÖVP gehalten. Und nicht für eine linke Zensur-Tante.
In letzter Zeit häufen sich damit die Signale einer Rückkehr der ÖVP auf den Kurs der Mitterlehner-Partei. Und diese Signale werden angesichts der völlig konsequenzenlos bleibenden Umtriebe des Othmar Karas besonders bedrückend. Diese bleiben vorerst nur deshalb unbestraft, weil rechts der ÖVP bei der FPÖ seit einem Jahr totales politisches Chaos herrscht, und weil links die Neos im Eilschritt noch weiter nach links marschieren. Weshalb die liberalkonservativen Wähler wieder heimatlos zu werden drohen.
Ihnen wird eine klare Botschaft vermittelt: Für interessante - und zum Selberdenken fähige - Köpfe wie Franz, Schmidt oder Dönmez ist ebensowenig Platz in der ÖVP wie für Meinungsfreiheit (die ja nur dann eine echte ist, wenn die geäußerten Meinungen unbestraft auch ganz aus dem Ruder laufen können!). Für einen Karas und seinen am linken Rand der Sozialdemokratie einzuordnenden Anti-Kurz-Kurs ist offensichtlich problemlos Platz.
Zunehmend wächst wieder die Sehnsucht nach einer mutigen Partei, die sich nicht nach einer linksliberalen Political Corretness orientiert, die zugleich wertkonservativ und wirtschaftsliberal - und damit fast automatisch erfolgreich ist, wie die Beispiele von Thatcher bis Reagan zeigen. Die ÖVP war das unter Schüssel in hohem Ausmaß. Aber das deutsche Beispiel zeigt, dass sich das dramatisch wandeln kann. So war Angela Merkel am Anfang durchaus auf dieser Linie - auch wenn das niemand glaubt, der nur ihre Politik der letzten Jahre beobachtet.