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Man kann ihn herzig und lieb nennen, aber in Wahrheit ist er traurig und beschämend: der lächerliche Bonsai-Zwergwuchs namens gemeinsamer EU-Außenpolitik. Diese produziert nur noch eine Blamage nach der anderen. Während Europa lautstark antiamerikanische Gesänge grölt (die vor allem aus dem Munde der einst durchaus proamerikanischen Sozialdemokraten kommen), bekommt es gar nicht mit, wie sehr es als lachhafter Papierdackel vorgeführt wird. Nicht nur von Russland oder China, sondern zunehmend auch von Staaten wie der Türkei.
Einzige Frage ist: Ist das eigentlich zum Fremd- oder Selbstschämen? Hängt man doch als Österreicher da irgendwie drinnen. Andererseits ist Österreich wirklich nicht ein Land, das die EU-Außenpolitik mitsteuern würde, es hat EU-außenpolitisch nicht einmal einen seinen zwei Prozent entsprechenden Einfluss.
Die einzige Mitschuld an der Performance der EU-Außenpolitik kann man Österreich lediglich deswegen zuschieben, weil seine Neutralität die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitspolitik behindert. Freilich hatte die EU mit Irland schon lange vor Österreich ein neutrales Land aufgenommen. Diese Aufnahmen sind damals im kollektiven Gefühl Europas passiert, dass ohnedies die Nato, also auf deutsch die USA, Europa weiterhin schützen würde. Seit aber in Amerika der "America First"-Populismus triumphiert, zeigt sich, wie gefährlich die Lücke durch das Fehlen einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ist, wie dringend Eigenverantwortung nötig wäre.
Es wäre jedoch völlig falsch, das Versagen Europas den USA oder der Mitgliedschaft Neutraler in die Schuhe zu schieben. In Wahrheit war vor allem den Deutschen diese doppelte Ausrede immer sehr angenehm. Denn der größte EU-Staat hat seit der Wiedervereinigung jedes eigenständige außenpolitische Denken aufgegeben, hat sogar die einst respektable Bundeswehr zu einem Rosthaufen verkommen lassen. Nicht nur sein linkssozialistischer Außenminister Maas klingt so wie einst Bruno Kreisky: Täglich einmal auf die USA und Israel schimpfen, und den Rest der Welt freundlich umwerben. Auch Angela Merkel klingt ähnlich. Wenn aber schon der größte EU-Staat ins neutrale Nirwana versinkt, dann wird das fatal für die EU. Gelegentliche Über-den-Tellerrand-Hinausblick-Versuche Frankreichs verplätschern da wirkungslos.
Jetzt hat der EU-Außenbeauftragte, der spanisch-katalanische Sozialdemokrat Josep Borrell, das Problem präzise und richtig beschrieben: "Die Ära eines versöhnlichen, wenn nicht gar naiven Europas ist überholt." Soft-Power-Politik reiche nicht mehr aus, sie müsse durch eine "Hard-Power-Dimension" ergänzt werden. "Es ist an der Zeit, dass Europa seinen Einfluss, die Durchsetzung seiner Weltsicht und die Verteidigung seiner eigenen Interessen geltend macht."
Goldene Worte, Herr Kommissar. Aber eben Worte, wie seit Jahrzehnten. In sämtlichen anderen Staatskanzleien der Welt hält man sich nur den Bauch vor Lachen, weil da offensichtlich ein Eunuch über seine sexuellen Träume phantasiert. Das einzige, was Borrell als Antwort auf das richtig erkannte Defizit einfällt, sind nämlich Phrasen wie: Europa solle die wirtschaftliche Abhängigkeit von Drittstaaten reduzieren; Schlüsseltechnologien vor ausländischer Übernahme schützen; Cybersicherheit, Drohnen, Quantentechnologie.
Gähn.
Denn die Wirklichkeit sieht ein bisschen härter aus und würde mehr erfordern als das ständige "Wir wollen vermitteln":
Die Liste peinlichen außenpolitischen Versagens ließe sich noch lange fortsetzen. Ursachen dafür gibt es mehrere:
- das schon genannte Bleigewicht durch neutrale Mitglieder;
- das auch – aber nicht nur – damit zusammenhängende Fehlen einer europäischen Armee oder zumindest eines gegenseitigen Beistandsversprechens wie in der Nato;
- die Entwöhnung von der Notwendigkeit, Eigenverantwortung zu tragen, weil man jahrzehntelang durch die USA behegt worden ist;
- die prinzipielle Unmöglichkeit, unter 27 Nationen einen Konsens herzustellen;
- der Phantomschmerz einstiger Groß- oder Kolonialmächte wie Frankreich, aber auch Spanien und Italien, die alle noch immer insgeheim von einer eigenständigen nationalen Bedeutung in der Welt träumen;
- und nicht zuletzt die Aversion der in der EU tonangebenden Linken gegen jede nationale oder westliche Identität, weil die Linke emotional immer auf der Seite der Schwarzen, der Moslems und jedes Regimes stehen, dass sich sozialistisch oder kommunistisch nennt.
Die außenpolitische wie moralische Schwäche Europas hängt aber auch eng mit seinem wirtschaftlichen und intellektuellen Verfall zusammen. Wie weit ist die EU doch von den sogenannten Lissabon-Zielen der Jahrtausendwende entfernt! Damals hat man angeberisch verkündet, dass Europa bis 2010 "ein Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt sein" wolle. Zwar glauben manche EU-Europäer wenigstens noch an das "soziale und ökologische Vorbild". Aber gerade einem Vorbild in diesen Eigenschaften will – im Eigeninteresse – kein Staat der restlichen Welt folgen. Denn durch diese sozialökologische Politik würde jeder wirtschaftliche Fortschritt zertrümmert, der allen anderen Nationen wichtiger ist. Musterbeispiel für diese Fehlentwicklung sind die Billionen, die mit sozialen Begründungen seit Jahrzehnten Richtung der Mittelmeerländer geflossen sind, ohne dass dort auch nur irgendeine echte strukturelle Verbesserung erreicht werden könnte. Und wo jetzt weitere Summen fließen sollen.
Aber auch intellektuell geht es mit Europa steil bergab. Selbst wenn die europäische Präpotenz das nicht wahrhaben will. Das kann man etwa sehr gut an der Entwicklung der Erfindungen und Patente oder jener der Universitäten sehen. Nach Ausscheiden der Briten findet sich im EU-Raum keine einzige der zehn weltbesten Universitäten. Diese liegen alle in den USA, China, Großbritannien – und der Schweiz. Statt sich um ein Aufholen zu bemühen, haben die europäischen Unis rundum Genderismus- und ähnliche Schwachsinns-Institute gegründet. Und sie haben an den Unis Toiletten für Menschen gebaut, die sich nicht entscheiden wollen, welches Geschlecht sie gerade haben …
Nachträgliche Ergänzung: Jetzt hat das deutsche Außenministerium eine wirklich "harte" Antwort auf die Aktion der drei türkischen Kriegsschiffe gefunden: Der Zwischenfall soll von UN-Experten bewertet werden. Da können wir ja sicher gehen, dass es in sechs Monaten eine nichtssagend-ausgewogene Antwort geben wird.