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Neben vielen katastrophalen Schäden hat die Corona-Panik Europa auch zwei sehr positive Entwicklungen gebracht. Diese müssten allerdings jetzt auch verteidigt werden – vor allem gegen Attacken aus der linken Ecke. Offenbar aus Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner hört man dazu von Österreich aber leider gar nichts. Es geht einerseits um die Klimapanik und andererseits um die Migration. Stattdessen hat die ÖVP eine ganz andere EU-Diskussion angerissen, fast wie wenn sie von diesen wirklich wichtigen Fragen ablenken wollte. Der ÖVP-Vorstoß kann zwar theoretisch auch Positives bringen, birgt aber letztlich viel mehr Gefahren als Chancen.
Eine ganz wichtige positive Nachricht ist der dramatische Rückgang der illegalen Migration nach Europa. Im April gab es um 85 Prozent weniger Afrikaner und Asiaten, die sich in die EU hineinschwindeln wollten. Vor allem im östlichen Mittelmeer, wo über die Türkei jahrelang vor allem Afghanen nach Europa geströmt sind, ist die "Flucht"-Bewegung vollständig zum Erliegen gekommen.
Das erinnert lebhaft daran, wie die Türken noch Anfang März mit großer Aggressivität versucht haben, "Flüchtlings"-Massen zu Lande und zu Wasser ins EU-Europa hineinzudrücken. Dieser winterliche Migrantenansturm wurde zwar – wie gehabt – von allen Linken Europas lebhaft unterstützt, aber dann vom türkischen Diktator Erdogan sang- und klanglos wieder abgeblasen. Das ist ein eindeutiger Erfolg der Griechen, die ihre Grenzen rigoros abgesperrt haben, auch mit ein wenig Unterstützung aus Österreich.
Aber auch auf den anderen Routen gab es einen signifikanten Rückgang der illegalen Migration: etwas weniger stark auf der Route Libyen-Italien; sehr stark hingegen im Westen Richtung Spanien.
Eigentlich wäre es jetzt zentrale Aufgabe der EU zu untersuchen, was die Ursachen der größten positiven Wende in der Migration seit Herbst 2015 sind. Leider ist in Brüssel aber weit und breit kein Interesse daran zu sehen, was da eigentlich mitgespielt hat:
Wenn die EU-Behörden an dem interessiert wären, was die Bürger Europas in den letzten zehn Jahren am meisten besorgt hat, dann würden sie jetzt intensiv all diesen Fragen nachgehen und zu lernen versuchen, wie man ein Wiederaufleben der illegalen Migration verhindern kann, auch wenn sicher kein neuer Lockdown möglich wäre, um die Migration zu stoppen. Aber an einer Migrations-Reduktion ist man offensichtlich in Brüssel ohnedies völlig desinteressiert.
Dennoch ist der drastische Rückgang einmal eine sehr gute Nachricht. Die zweite erfreuliche Entwicklung ist, dass sich in der größten Partei des größten Landes Europas erstmals massiver Widerstand gegen die EU-Klimaschutzpolitik regt.
Die neue Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hat sich ja im Vorjahr mit voller Rückdeckung ihrer Patin, der deutschen Bundeskanzlerin, einem "New Green Deal" verschrieben. Sie hat das ganz offensichtlich getan, um sich die Unterstützung der in der EU relativ starken Linken zu sichern (rechte Wähler sind ja so dumm, sich bei EU-Wahlen viel weniger zu beteiligen als bei nationalen – im Irrglauben, damit die EU bestrafen zu können).
Die Von-der-Leyen-Kommission will die ohnedies schon hohen und für viele Länder wie Österreich jetzt schon unerreichbaren "Klimaziele" für 2030 noch einmal anheben. Gegenüber dem Basisjahr 1990 sollen die CO2-Emissionen nicht mehr "nur" um 40 Prozent, sondern gleich um 50 bis 55 Prozent reduziert werden! Dabei lacht die restliche Welt insgeheim jetzt schon über EU-Europa, das als einzige Region die utopischen Vorstellungen der Klimapaniker ernst nimmt, die ja schon mit den bisherigen Vorgaben in Westeuropa großen Schaden angerichtet haben (in Osteuropa nicht, weil dort durch die Modernisierung der 1990 so arg umweltverschmutzenden kommunistischen Industriebetriebe diese Ziele leicht erreichbar gewesen sind).
Diese Zielerhöhungen der Ursula von der Leyen sind angesichts der gigantischen Wiederaufbaunotwendigkeiten nach der Corona-Zerstörung jetzt noch viel abenteuerlicher. Daher ist es sehr erfreulich, dass die Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion jetzt wagt, geschlossen gegen diese "Überforderung" Deutschlands durch eine solche "weitreichende Zielverschärfung" zu protestieren.
"Ich kann nicht erkennen, wie ein Industriestaat das umsetzen könnte," formulierte einer der Abgeordneten. Die Fraktion fordert anstelle dieses Ziels den Ausbau des marktwirtschaftlichen Emissionshandels mit CO2-Emissionszertifikaten.
Die rebellierenden Unions-Abgeordneten verwiesen interessanterweise auch darauf, dass Frankreich, die Niederlande und Dänemark bereit seien, einen solchen Schritt mitzugehen. Immerhin werden ja zwei dieser drei Länder von – wenn auch sehr gemäßigt – links der Mitte stehenden Regierungen geleitet. Das zeigt, anderswo ist in der Sozialdemokratie durchaus noch wirtschaftliche Vernunft und Verantwortungsbewusstsein zu finden.
Hingegen hoffen die CDU/CSU-Exponenten offensichtlich nicht mehr auf Unterstützung durch Österreich. Dabei hat die Alpenrepublik strukturell sehr ähnliche Probleme wie Deutschland und ist schon jetzt von der Erreichung der bisherigen Ziele weit entfernt, sollte also noch schärfere Vorgaben strikt bekämpfen.
Das ist ein klarer Beweis, wie sehr Österreich seit Aufnahme der Grünen in die Regierung auch international als nach links gerutscht angesehen wird. Die ÖVP traut sich in diesen Dingen nicht einmal mehr Muh zu sagen, weil sie durch das Koalitionsabkommen den gesamten Umweltbereich den Grünen überlassen hat. Die türkisen Schwarzen begreifen offensichtlich nicht, dass es in dieser Frage insbesondere nach Corona um die zentrale Frage geht, ob Österreich noch ein moderner Wirtschaftsstandort bleiben kann. Das ist aber angesichts von mehr als 1,8 Millionen Menschen ohne volle Beschäftigung die zweifellos wichtigste Frage der Nation geworden.
Die CDU/ CSU-Abgeordneten werden sich aber gegen die eigene Bundeskanzlerin und die EU-Kommission nicht durchsetzen können, wenn sie nicht einmal von Österreich Unterstützung bekommen.
Statt sich diesen zwei brennenden zentralen Themen zu widmen, die bisher Eckpfeiler der türkisen Identität gewesen sind – also Schutz des Wirtschaftsstandortes und Schutz gegen Wiederaufleben der illegalen Migration – hat sich die ÖVP jetzt ganz auf das Verlangen nach einem neuen EU-Vertrag konzentriert. Der Verdacht ist groß, dass das nur ein Ablenkungsmanöver ist.
Dabei ist es ja keine Frage, dass das EU-Gebäude seit den letzten Verträgen total windschief ist. Das reicht von der verfehlten und eigentlich rechtswidrigen Staatsfinanzierung durch die EZB bis zur völligen Absenz der EU in den Wochen der Corona. Mit dieser Kritik ist nicht gemeint, dass die Seuchenbekämpfung bei der EU in besseren Händen gewesen wäre. Ganz im Gegenteil: Von den USA über Großbritannien und Spanien bis Italien und Ungarn wurden Entscheidungen richtigerweise sogar zu einem guten Teil von der nationalen auf die regionale Ebene verlagert.
Aber die EU blieb auch absolut stumm, als es wegen der Corona-Panik zu einer der schlimmsten Verletzungen des Herzstücks der europäischen Integration durch Deutschland und Frankreich gekommen ist. Nämlich des europainternen Freihandels. Die beiden Länder haben wochenlang den Export medizinischer Produkte von einem EU-Land in ein anderes behindert.
Dennoch hat man dazu keinen Laut aus Brüssel gehört, obwohl da eigentlich Blitz und Donner am Platz gewesen wären. Die EU kann auch bis heute nicht einmal eine geordnete Öffnung der EU-internen Grenzen für EU-Bürger durchsetzen. Auch da sind es jetzt wieder CDU/CSU-Abgeordnete, die zum ersten Mal europaweit eine Initiative koordinieren, dass alle inneren Grenzen geöffnet werden.
Während die EU-Kommission bei ihren vertraglich eigentlich festgehaltenen Kernaufgaben versagt, mischt sie sich ohne ausreichende rechtliche Basis in rein interne Vorgänge Polens und Ungarns ein. Wenn die Polen etwa eine Präsidentenwahl coronabedingt nur als Briefwahl durchführen wollen, wird dadurch kein einziges Element des Binnenmarktes oder einer Wirtschaftsgemeinschaft tangiert. Offensichtlich stört die Brüsseler Machtstrukturen etwas ganz anderes, sie können es nur nicht laut sagen: In Polen wird wahrscheinlich wieder die "falsche" Partei gewinnen.
Aus diesen und vielen anderen Gründen wäre ein neuer EU-Vertrag, der die europäische Integration durch Rückbesinnung und Reduktion auf die ursprünglichen Aufgaben rettet, tatsächlich durchaus sinnvoll. Mit etlichem Wohlwollen kann man diesen Wunsch auch aus den Worten von Sebastian Kurz herauslesen, wenn er von einem "Europa der Subsidiarität" als Ziel eines neuen Vertrages spricht. Dieses Wort müsste ja eigentlich eine Rückverlagerung von Kompetenzen von Brüssel in die Länder bedeuten.
Im Zeichen dieses neuen Modeworts des – wohl absichtlich für die Bürger unverständlich gehaltenen – Politikerslangs will sie "Technologie, Forschung und Entwicklung nach Europa holen, um weniger Medikamentenabhängigkeit von China und Indien zu haben". Klingt nett – aber auch nicht mehr, wenn man sich eben an die deutsche Blockade solcher Medizinprodukte am Weg nach Österreich erinnert. Es wäre schon toll gewesen, wenn der EU-interne Freihandel funktioniert hätte.
Solche Gedanken bedeuten den Wunsch nach einem weiteren Machttransfer Richtung EU. Und sie sind überdies rein planwirtschaftliches Denken.
Aber wenn Österreich schon besonders an die Pharma-Branche denkt: Sinnvoll wäre nur, dass die EU und die einzelnen Länder pharmazeutischen Unternehmen – aber natürlich auch allen anderen – so gute Rahmenbedingungen bieten, dass die freiwillig in Europa bleiben. Für neue Krisenzeiten sollten wir zugleich an allem, was wichtig erscheint, strategische Vorräte – etwa für drei Monate – anlegen. Hingegen ist es völlig unrealistisch und wie absolut jede Planwirtschaft zum Scheitern verdammt, wenn man sämtliche Medikamentenproduktion nach Europa zwingen will. Ein solches Heim-ins-europäische-Reich muss man dann natürlich auch überall sonst bei allen wichtigen Produkten praktizieren, von der Soja-Produktion bis zur Erdölförderung. Die sind ja genauso wichtig.
Noch enttäuschender an den nun geäußerten Gedanken der Karoline Edtstadler über einen neuen EU-Vertrag ist die Nennung jener Dinge, die sie ausdrücklich in der EU-Kompetenz belassen will: Das reicht von der Migrationspolitik über die Außenpolitik bis zu den Klimazielen. Aber genau diese Bereiche waren und sind die des größten europäischen Versagens!
Was ist die EU-Außenpolitik doch für eine Waschlappenpartie!
Aber aus Österreich habe ich noch keinen einzigen kritischen Satz dazu gehört. Schlimm.
Noch schlimmer ist das Ergebnis, wenn man heute einen Vergleich mit Deutschland zieht: Wer hätte gedacht, dass man dort eines Tages weit mehr Ansatzpunkte finden kann, die Hoffnung für eine positive Entwicklung Europas geben, als bei einer von Sebastian Kurz geleiteten Regierung? Vom tapferen EZB-Urteil des deutschen Verfassungsgerichts über den parlamentarischen Kampf für eine Grenzöffnung bis zum mutigen Aufbegehren der CDU/CSU-Fraktion gegen den mörderischen "Green Deal" der EU. Der härteste Widerstand gegen das europäische System Merkel kommt aber heute aus der CDU selber, während Sebastian Kurz da seine einstige Heldenrolle schubladisiert hat. Während man bei uns hingegen nur schwammige Politphrasen über "Subsidiarität" hört ...
PS: Übrigens: Kann man sich einen Vorstoß von ÖVP-Abgeordneten vorstellen, der nicht auf einen direkten Wunsch des Partei- und Regierungschefs zurückgeht? Nein, das kann man sich nicht vorstellen. Solch eigenständiges Denken wagen nur deutsche Abgeordnete.