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Schule: Tausende Details geregelt – aber das Wichtigste nicht

Der ganze Gehsteig rund um die Schule ist, so weit das Auge reicht, mit dicken roten Balken bemalt, damit frühmorgens jeweils ein Kind hinter jeweils einem Balken wartet (oder was - weil Kinder ja so sind wie Soldaten und genau dort stehen, wo sie sollen ...). Bis ins Detail ist Österreichs Schulen vom Bildungsministerium alles vorgegeben worden, wie sie jetzt ihre Halböffnung zu organisieren haben. Keine Spur von "Eigenverantwortung", also von jenem Wort, das die Regierung derzeit so gerne im Mund führt. So wie für Theater, Gasthäuser oder Schwimmbäder ist auch für die Schulen jeder Handgriff und Schritt reguliert worden, den ein Österreicher künftig machen kann. Nur dort, wo wirklich Regulierung nötig wäre, weil da verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen involviert sind, hat man eine Regulierung unterlassen. Offenbar weil man zu feig war zu entscheiden.

Der nun in wichtigen Teilen wiederbegonnene Schulunterricht ist so überreguliert, dass sich Lehrer ernstlich fragen, ob sie in den paar Stunden bis zum Sommer überhaupt noch zum Unterrichten kommen werden.

Dazu hat sich das Bildungsministerium noch einige zusätzliche Schikanen im letzten Augenblick ausgedacht: Am Freitag, also dem letzten Werktag, bevor die Schüler wieder zurückgekommen sind, hat es die Schulen mit der zusätzlichen Pflicht zu einer umfangreichen Datenerhebung eingedeckt, die diese jetzt ständig vornehmen sollen. Im Zuge eines "Monitorings der Schulöffnungen" sollen sie jetzt unter anderem die jeden Tag an der Schule An- oder Abwesenden abzählen und melden.

Das hat den Schuldirektoren – die zum Unterschied etwa von den Theaterdirektoren bisher sehr kooperativ die Corona-Herausforderungen zu bewältigen versucht haben – den Kragen platzen lassen und sie zu einem kollektiven Protest-Aufschrei motiviert. Sie haben den Eindruck, das Ministerium agiere, als ob die Schulen jetzt eh keine Zusatzbelastungen hätten. Zumindest die Direktoren erkennen Null gesundheitspolitischen oder pädagogischen Zusatznutzen solcher Zählungen. Diese dienen offenbar nur dazu, dass das Ministerium viele Zahlen hat, die dann bei Pressekonferenzen verkündet werden können.

Noch schlimmer ist das ständige Umwerfen der Stundenpläne durch neue Vorgaben des Bildungsministeriums. Die jüngsten Änderungen sind gar erst am Samstagabend in die Schulen gekommen! Auch in Sachen Musikunterricht gab es dauernd Änderungen. Ja; Nein; Ja, aber ohne Singen …

Auch den Eltern hat die Chaos-Bürokratie des Bildungsministeriums mit geradezu kreativem Sadismus eine Zusatzbelastung aufgebürdet. Nämlich allen Eltern, die Kinder in zwei verschiedenen Schulen haben, etwa in Volksschule und Gymnasium. Da leiden nun viele darunter, dass das Ministerium, das sonst alles regelt, den einzelnen Schulen ausgerechnet die Einteilung überlassen hat, an welchen Tagen der Wechsel zwischen den jeweils alternierend unterrichteten Klassenhälften erfolgt.

Denn die eine Schule hat sich für ein System entschieden, wo jeweils zu den Wochenhälften gewechselt wird, sodass dort eine Gruppe etwa am Donnerstag, Freitag, Montag, Dienstag und Mittwoch unterrichtet wird und dann wieder fünf Schultage frei für Hausübungen hat; eine andere Schule wechselt alle drei Unterrichtstage; die dritte wieder wechselt immer zum Wochenende. Das ist wahnsinnig "lustig" für Eltern mehrerer Kinder, die jetzt wieder sehr oft eines daheim haben werden, das betreut werden sollte. Obwohl theoretisch alle wieder zur Schule gehen …

Nach neun Wochen ununterbrochenem und von den meisten Familien bravourös durchgestandenem Homeschooling hätten es sich die Eltern eigentlich schon verdient, wenn Politiker und Beamte, statt schwachsinnige Erlässe zu produzieren, hie und da auch die eigenen Denkwerkzeuge aktivieren würden. Immerhin hat es sich ein paar Jahrhunderte lang schon als recht sinnvoll erwiesen, dass etwa Weihnachts-, Oster- und Sommerferien zumindest innerhalb eines Bundeslands immer in allen Schulen zeitgleich stattfinden.

Auch noch eine weitere bürokratische Sumpfblüte ist für Eltern ärgerlich: Der Unterricht an den "Fenstertagen", also an den Freitagen nach den Donnerstagfeiertagen, ist bloß freiwillig. Unter Druck der Gewerkschaft hat sich Bildungsminister Faßmann dazu entschlossen. Zwar haben die allermeisten Schulen – also die Lehrer – beschlossen, an diesen Tagen zu unterrichten. Aber auch das zeigt, dass niemand in der Schulbürokratie erkannt hat, dass es nach der langen Corona-Pause eigentlich mit doppelter Kraft gelten sollte, das Versäumte zumindest ein wenig nachzuholen. Selbst die Fenstertage wagte man daher nicht, wirklich energisch anzupacken.

Ebenso hat fast niemand gewagt vorzuschlagen, dass man die Sommerpause heuer beispielsweise um zwei Wochen verkürzen soll. Immerhin – Ehre wem Ehre gebührt – die ehemalige SPÖ-Unterrichtsministerin Hammerschmid hat das zumindest einmal zur Diskussion gestellt. Natürlich hat ihr niemand zugehört. Noch weniger hat man an die Möglichkeit gedacht, dass zumindest bis zum Sommer auch an Samstagen unterrichtet werden könnte.

Bevor Lehrergewerkschafter ob solcher Gedanken einen Herzinfarkt bekommen, sei daran erinnert, dass Millionen Österreicher einst ihr ganzes Schulleben lang an Samstagen in der Schule gesessen sind. Und auch keine Fenstertage oder Februarferien oder Herbstferien hatten.

Selbst in jenen Schulen oder Klassen, in denen – auf Grund großer Räume und kleiner Kinderzahl – nicht geteilt werden muss, darf nicht zum normalen Unterricht zurückgekehrt werden. Auch dort darf nur drei Tage pro Woche unterrichtet werden, die restliche Zeit ist für "Hausübungen in der Schule" vorgesehen.

Wir lernen: Das Allerwichtigste ist für allzu viele Akteure im Schulsystem, dass nur ja niemand irgendwo die Chance hat, ein wenig mehr, ein wenig rascher zu lernen. Das ist Sozialismus in Reinkultur: Alle müssen gleich wenig haben, ob nun Geld oder Schulunterricht. Alles andere wäre "ungerecht".

Interessant in ganz anderer Hinsicht ist das Thema der Lehrer über 60. Das Ministerium hat vor lauter Corona-Angst verkündet, dass die nicht in die Schulen zu kommen brauchen. Wieder nix: Zumindest sechs Länder haben erklärt, sie brauchen die älteren Lehrer und können nicht auf diese verzichten. Da darf man fragen: Was ist eigentlich, wenn die alle in Pension gehen? Freiwillig länger zu arbeiten wäre ja sowieso ein Kapitalverbrechen gegen den Sozialstaat ….

PS: Zumindest indirekt eng mit der Situation von Eltern schulpflichtiger Kinder hängt noch ein ganz anderer Punkt zusammen. Familien, die ja nur in den Sommerferien wegfahren können, haben daher überdurchschnittlich oft schon vor Corona Sommerurlaube gebucht und angezahlt. Da ist es für sie ärgerlich und provozierend, dass es noch immer keine klaren Regelungen gibt, was mit schon angezahlten Reisen geschieht. Naturgemäß wollen viele jetzt schon aus Sicherheitsgründen vor allem Auslandsreisen stornieren und dafür keine Stornokosten tragen. Da helfen die Gerüchte wenig, dass vielleicht doch einmal die offiziellen Reisewarnungen zurückgenommen werden könnten. Werden sie nämlich nicht zurückgenommen, droht eine 14-tägige Quarantäne-Pflicht (die Eltern ja ernster nehmen als die Gemeinde Wien die Quarantäne-Verpflichtung eines von ihr betreuten Asylantenzentrums …), falls die Familien dann doch ins Ausland reisen. Andererseits: Wenn Eltern noch länger zuwarten, drohen noch höhere Stornokosten.

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