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Ob jenen SPÖ-Großfürsten, die jetzt alle pflichtgemäß eine Stärkung ihrer Parteichefin Pamela Rendi-Wagner durch die Mitglieder-Abstimmung bejubeln, klar ist, dass sie damit den endgültigen Abstieg der SPÖ zu einer Kleinpartei feiern?
Diese Entwicklung ist nämlich eindeutig, egal von welchen Seiten man das Ergebnis betrachtet:
Für das Verhalten der Genossen gibt es zwei Ursachen:
Die einen sind an der Partei so desinteressiert, dass sie an der Abstimmung nicht einmal teilgenommen haben. Obwohl man dabei auch zu vielen anderen Fragen aus dem sozialdemokratischen Phrasenkanon etwas sagen hätte können. Obwohl die Abstimmung einen Monat lang gedauert hat. Sie sind ganz offensichtlich einst nur deshalb der Partei beigetreten, um eine Gemeindewohnung, einen Job bei einer roten Gemeindeverwaltung oder der ÖBB zu bekommen. Sie haben aber längst jeden Bezug zur Partei verloren, wenn sie den je hatten. Viele wissen vermutlich gar nicht, dass sie irgendwo noch als Parteimitglieder geführt werden (etwa damit eine Ortsgruppe sich ein wenig aufplustern kann).
Die anderen sind zwar hingegangen, haben aber ausdrücklich Frau Pam ihre Stimme verweigert. Etliche davon (auch wenn man das nicht messen kann) dürften sogar nur deshalb hingegangen sein, um das zu tun, obwohl sie an der Umfrage ansonsten desinteressiert gewesen sind.
Das ist eine für die Partei wie auch die Parteichefin deprimierende Situation. Die man freilich auch schon vorher überdeutlich sehen hat können: Die Partei, die einst mehrfach die absolute Mehrheit erzielt hatte, ist bei den letzten Nationalratswahlen nach einer ganzen Reihe früherer Abwärtsbewegungen um weitere 6 Punkte auf 21 Prozent der Stimmen abgestürzt - unter Führung von Pamela Rendi-Wagner. Dabei erscheint das im Rückblick noch ein goldener Tag für die Genossen gewesen zu sein. Denn seither sind sie bei Umfragen auch an dieses Ergebnis nicht einmal annähernd herangekommen. Sie krebsen zwischen 15 und 19 Prozent herum und stehen bei einer Umfrage gar erst an vierter Stelle der Parteienreihenfolge.
Normalerweise bedeutet eine so schwere Niederlage immer das Aus für einen Parteichef. Aber Frau Pam durfte bleiben, weil gar niemand mehr an ihrem Job interessiert war (manche Zyniker sagen, weil sie im Gegensatz zu ihren Vorgängern optisch ein eindeutig erfreulicherer Anblick als ihre Vorgänger ist ...)
Und nun dieses beschämende Ergebnis der von Rendi-Wagner selbst erfundenen Abstimmung, bei dem sich selbst die vielen SPÖ-freundlichen Medien recht schwer tun, es schönzureden.
Im Grund scheint die SPÖ nur noch in den drei Bundesländern zu existieren, wo sie den Landeshauptmann stellt, im Burgenland, in Kärnten und Wien. Jeder dieser drei Landeshauptleute ist aber seit längerem bemüht, auf möglichst große Distanz zur Bundespartei zu gehen. So hat erst am Tag davor der Burgenländer Doskozil zu Recht gerade den auch von der Bundesparteichefin ausdrücklich unterstützten Vorschlag heftig kritisiert, jetzt für die Einführung der 30-Stunden-Woche zu kämpfen.
In der Tat zeigt gerade dieser Vorschlag, wie weit die SPÖ von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität entfernt ist, wie wenig Ahnung sie von der wahren Situation der Menschen hat. Denn wenn plötzlich mehr als eineinhalb Millionen Österreicher um ihren Job bangen müssen, sehnt sich wohl kein einziger von ihnen nach einer Verkürzung der Arbeitszeit. Ganz im Gegenteil: Fast alle würden wohl gern auch 50 Stunden arbeiten, wenn sie dafür wieder den vollen Gehalt und einen sicheren Job hätten.
Wenn die Diplomatenfrau und karenzierte Beamtin an der Spitze der SPÖ gar meint, dass die – wenigen noch überhaupt voll aktiven – Unternehmen ruhig den vollen Lohn zahlen sollen und können, auch wenn die verbliebenen Mitarbeiter nur noch drei Viertel der Leistung erbringen, dann macht das angesichts der Tatsache, dass wir vor einer Riesenwelle von Insolvenzen stehen, überhaupt sprachlos. Dann kann man nur noch Mitleid für die Frau haben.
Selten ist jemand in der österreichischen Politik so über seine eigenen Fähigkeiten hinaus aufgestiegen. Und dadurch abgestürzt. Rendi-Wagner dürfte eine ganz brauchbare Sektionschefin gewesen sein. Sie wäre auch zweifellos – schon auf Grund ihrer medizinischen Ausbildung – als Gesundheitsministerin besser gewesen als der oberösterreichische Volksschullehrer, der mit chaotischen und totalitären Verordnungen in den letzten zwei Monaten wohl mehr Schaden angestellt hat als je ein anderer Politiker davor.
Rendi-Wagner ist aber vom Stil ihres Auftretens bis zu ihrer inhaltlichen Kompetenz völlig ungeeignet für die Rolle der Vorsitzenden einer Partei, die zumindest theoretisch noch immer den Anspruch erhebt, wieder einmal den Bundeskanzler zu stellen. Sie hat ihre Funktion einzig dem feministischen Hype zu verdanken, der heute zur Identität der Linken geworden ist: "Eine Frau muss es sein." Fähigkeiten und Qualität sind tertiär.
Dennoch muss sie einem Leid tun, auch wenn sie ja nicht gezwungen worden ist, eine sie überfordernde Aufgabe zu übernehmen. Denn es wäre völlig falsch zu glauben, die SPÖ hätte primär ein Pamela-Problem. Sie hat vielmehr ein Sozialdemokratie-Problem.
Das sieht man etwa auch am absoluten Parallelschwung zwischen SPÖ und SPD: Die deutschen Genossen hatten bei der letzten nationalen Wahl ebenfalls 21 Prozent. Und sie liegen bei allen aktuellen Umfragen sogar nur zwischen 15 und 17 Prozent. Dabei ist die SPD in Berlin ja Koalitionspartner, kann also mitentscheiden. Dabei sind Wochen wie die letzten in vielen Ländern Nährstoff für die jeweiligen Regierungsparteien.
Allerdings können sozialdemokratisch gefärbte Regierungsparteien dieses Phänomen auch in etlichen anderen Ländern nicht nutzen: Sie haben weder in Italien noch Spanien noch in Frankreich jene Zuwächse, die etwa ÖVP oder CDU derzeit haben; über die sich aber auch anderswo die Parteien rechts der Mitte freuen können, etwa in Großbritannien, Ungarn, Tschechien oder Polen.
In Österreich ist eine linke Dreierkoalition mit Grün und Pink die einzige Perspektive der Sozialdemokraten. Die ist aber weit weg von einer Mehrheit. Denn es gibt in Österreich seit 1983, also schon 37 Jahre lang, keine Mehrheit links der Mitte. Die gibt es nur – das freilich ganz massiv – in journalistischen, künstlerischen wie auch universitären Blasen.
Genau das dürfte in Wahrheit der Grund des ständigen Abstiegs der Sozialdemokratie sein. Sie hat es in diesen Jahrzehnten komplett aufgegeben, Partei jener Menschen zu sein, die sich durch Arbeit, Leistung und Anstrengung ein wenig Wohlstand erarbeitet haben und noch mehr davon erarbeiten wollten. Sie ist zur Partei der Bezieher arbeitsloser Bezüge geworden, sei es in Form von Sozialhilfen, Grundsicherung und Pensionen, sei es in Form von Kultur- und Mediensubventionen. Ihre heutige Klientel will im Gegensatz zu den Arbeitern von der Leistung anderer leben.
Die früheren Wähler wurden aber kontinuierlich durch linkes Soziologengewäsch in der geistigen Nachfolge der 68er Studenten vertrieben. Anstelle der einstigen Werte Arbeit, Anständigkeit und Bildung kreist der verbliebene Rest der Sozialdemokratie um Ideen wie Feminismus, Genderismus, Political Correctness, Antifa, Inklusion und Ökologie. Selbst die Gewerkschaften werden ideologisch ganz von diesen Phrasen beherrscht (und sind daher ähnlich im Abstieg wie die Partei).
Die Menschen spürten und spüren aber, dass eine Gesellschaft so nicht funktionieren kann. Jene hingegen, die doch an diese Phrasen glauben, fühlen sich zunehmend bei deren Erfindern besser aufgehoben, also bei den Grünen und ihren NGOs.
Der endgültige Abschied vieler Wähler – insbesondere der Arbeiter und zuletzt auch der Pensionisten – von der SPÖ passierte dann rund um die illegale Massenmigration, die sogenannte Flucht nach Europa. Als die Menschen merkten, dass die SPÖ zusammen mit den Grünen (und großen Teilen der Neos) im Zeichen einer angeblichen "Haltung" zur Partei des "Welcome Refugees" geworden ist, da war es für viele mit der alten Sozialdemokratie endgültig aus.
Zurück zur jetzigen SPÖ-Mitgliederabstimmung. Diese war zwar ein wenig so getarnt, hat aber mit echter direkter Demokratie absolut nichts zu tun. Sie war geradezu deren Zerrbild. Denn:
Hier hat keine demokratische Abstimmung stattgefunden, sondern eine reine Messung der parteinternen Treue und Loyalität. Allerdings mit deprimierendem Ergebnis, das man sich jetzt nur mit großer Mühe schönzureden versucht. Gar nicht zu reden vom düsteren Verdacht, dass die Teilnehmerzahl künstlich in der langen Frist zwischen Abstimmung und Veröffentlichung schöngeredet worden sein könnte.