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Ich kann fliegen oder: Wenn Undenkbares alltäglich wird

Die Corona-Panik hat so viele seltsame Folgen, dass man allein beim Beobachten sprachlos wird. Immer öfter kommt einem das Wort von der Zeitenwende in den Sinn, so viel Absurdes passiert. In der realen Geschichte haben freilich Zeitenwenden nur ganz selten etwas zum Positiven gewendet. Beklemmend ist wohl jedes dieser Beispiele, ob es nun ums Erdöl, um eine neue Gesinnungsgemeinschaft zwischen Trump und europäischen Sozialdemokraten, um die Dummheit der Linken oder um die Europavorstellungen und den Leistungsbegriff der "Neuen Volkspartei" geht.

BEISPIEL 1: Vor wenigen Monaten wäre man noch in die Psychiatrie eingewiesen worden, wenn man behauptet hätte, dass man Erdöl geschenkt bekommt– und gleichzeitig noch Geld dazu erhält. Nun: Heute ist es soweit. Was durch die wahnwitzige Politik der Europäischen Zentralbank beim Geld begonnen hat, ist seit einigen Stunden Realität auch beim Öl.

Die Corona-bedingte Ursache: Die Nachfrage von Autofahrern und Industrie nach Benzin und Diesel ist dramatisch zurückgegangen. Die einen sind arbeitslos geworden, dürfen nur noch einen Tag pro Woche kurzarbeiten oder sind in Quarantäne und ins Home-Office gezwungen worden. Die Industrie wiederum steht oft ohne Aufträge und Rohstoffe da. Das Erdöl sprudelt jedoch unverdrossen weiter aus den Bohrlöchern, so als ob es keine Ahnung von Corona hätte. Inzwischen sind etwa in den USA alle Reservelager bis zum Rand voll und die Ölfirmen suchen verzweifelt nach Abnehmern. Das hat den Preis immer weiter nach unten gedrückt. Wer also seinen Swimmingpool mit Benzin oder Diesel (statt mit dem derzeit ohnedies knappen Wasser) füllen will, der kann das so günstig tun wie noch nie. Er muss neben den - allerdings gewaltigen Steuern - höchstens noch für den LKW bezahlen, der das energiereiche Nass in seinen Garten bringt.

Ja, und noch etwas: Er sollte keinesfalls Raucher sein. Das wäre neben einem Pool voll Benzin ziemlich ungesund.

Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als die Grünen Benzin & Co immer teurer machen wollten, um irgendetwas zu retten (war es gerade das Weltklima oder der Wald oder waren es die Flüchtlinge?). Jetzt genügt ein unsichtbares Virus, um den Benzinkonsum viel mehr zu reduzieren, als es je grüne Autohasser in ihren feuchtesten Träumen erhofft hätten.

Der negative Ölpreis ist krank. Er hat aber auch einen gewaltigen Vorteil: Den ölreichen Ländern geht dadurch das Geld aus. Und da ihre große Mehrheit keineswegs zu den edelsten Wesen auf diesem Planeten zählt, ist das sehr erfreulich. Iran oder Russland, Libyen oder Saudi-Arabien, Irak oder Venezuela werden kaum noch Geld haben, um Kriege zu führen oder Terror zu finanzieren.

Das ist also bei aller Absurdität immerhin auch eine positive Seite der Corona-Panik.

BEISPIEL 2: ÖVP-Finanzminister Blümel verlangt öffentlich vehement eine Eliminierung eines tragenden Ecksteines der EU, nämlich der Kontrolle von staatlichen Beihilfen, die an einzelne Unternehmen fließen. Dabei ist das eine der zentralen Regeln des EU-Binnenmarktes – und auch eine absolut sinnvolle. Denn Unternehmen sollen sich im Kampf um den Konsumenten einen Wettbewerb um das beste Produkt und die niedrigsten Preise liefern. Aber nicht im Wettlauf, welches Unternehmen am schnellsten zu den staatlichen Trögen kommt.

Jedoch hat die massive und schlagartige Stilllegung der gesamten Wirtschaft zwangsläufig zu diesem Wettlauf um riesige Staatssubventionen geführt. Gerechtigkeit, die Konsumenten, die Lebensfähigkeit eines Unternehmens, kurz der Markt spielen absolut keine Rolle mehr.

Der Finanzminister spürt derzeit vor allem eines: den gewaltigen Druck der österreichischen Unternehmer, die ständig von der Politik hören, dass gigantische Milliardenbeträge in dicken Strömen fließen würden, die aber selbst im bürokratischen Hamsterrad zwischen Banken, AMS, Wirtschaftskammer, Finanzministerium, Wirtschaftsministerium knapp vor dem Erschöpfungstod hängengeblieben sind und nur noch schreien können: Entweder wir kriegen sofort Geld oder wir müssen komplett zusperren.

Von Tag zu Tag merkt man deutlicher, dass in der Regierung wie auch im Parlament niemand mehr ökonomisch zu denken vermag. Denn niemand hat dort vor der "weitgehenden Demolierung der Wirtschaft" gewarnt (wie es etwa schon im März das Tagebuch hier und hier und hier und hier getan hat – so oft, dass schon zu fürchten war, dass die Leser gelangweilt sind). Niemand  in der Politik hat gesagt, dass ein so kompletter Lockdown samt einem "Koste-es-was-es-wolle"-Schlaraffenlandversprechen an Stelle der traurigen Blut-und-Tränen-Wahrheit direkt in den Abgrund führen müsse. Woran die Tatsache nichts ändert, dass es Österreich damit gelungen ist, die Krankheit unter Kontrolle zu halten.

Unabhängig davon ist es absolut atemberaubend, dass es ausgerechnet die ÖVP ist, die jetzt an der Spitze der Attacke auf die EU steht. War doch die ÖVP jene Partei, die über ein Vierteljahrhundert so getan hat, als wäre das Absingen der Europahymne noch vor dem morgendlichen und nach dem abendlichen Zähneputzen oberste Bürgerpflicht. Die auch bei den vielen Unsinnigkeiten, die in Brüssel, Luxemburg, Frankfurt und Straßburg passieren, immer den Mund gehalten hat: von den EZB-Minuszinsen bis zur Verurteilung einiger Nachbarländer, weil sich diese von der EU keine sogenannten "Flüchtlinge" aufdrängen haben lassen.

Jetzt geht die ÖVP jedoch ausgerechnet dort, wo ein Exitus der EU wirklich schade wäre, also bei den Kernthemen einer Wirtschaftsgemeinschaft, in Frontalangriff auf die Union. Eigentlich ist das sensationeller, als wenn ich morgen draufkommen sollte, dass ich fliegen kann. Das ist es auch dann, wenn die Attacke auf die EU eigentlich "nur" den Zweck haben dürfte, damit man der jetzt so empörten Wirtschaft, also den treuesten Anhängern der ÖVP, zur Ablenkung einen Sündenbock vorführen kann.

BEISPIEL 3: Noch für eine andere Prophezeiung wäre man noch vor kurzem psychiatriert worden, die heute absolute Corona-Realität ist: Die Politik der Präsidenten Trump und Bolsonaro gleicht heute keinem anderen Land so eng wie ausgerechnet der des von Sozialdemokraten regierten Schweden (Diese haben allerdings im Gegensatz zur SPÖ traditionell viel Ahnung von Wirtschaft).

Alle drei sind – abgesehen von den ostasiatischen Staaten rund um China – die konsequentesten Verfechter einer Politik, die möglichst wenige Eingriffe ins Leben der Menschen, der Schulen, der Wirtschaft vornehmen will. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die hiesigen Mainstream-Medien die beiden Präsidenten aus Nord- beziehungsweise Südamerika (wie immer) scharf attackieren, hingegen die Provinzgouverneure feiern, die strenge Maßnahmen verhängen, während ich über Schweden nie ein kritisches Wort höre.

BEISPIEL 4: Die polnische Opposition – und mit ihr wie immer der geschlossene Hilfszug der europäischen Linksparteien – behauptet allen Ernstes, in Polen fände ein "Staatsstreich" statt. Einziger Grund für die Behauptung: In Polen werden die Präsidentenwahlen zum vorgesehenen Datum abgehalten, und nicht, wie die Opposition will, auf Sankt Nimmerlein geschoben. Der wahre Grund ist freilich ein anderer: Alle Umfragen deuten darauf hin, dass der amtierende konservative Präsident Duda gute Chancen hat zu gewinnen. Da denunziert man lieber die Wahlen statt über die Gründe der eigenen Erfolgslosigkeit nachzudenken.

Dabei haben wir bisher geglaubt, eigentlich wäre das Gegenteil, also das Nichtdurchführen von verfassungsmäßig fälligen Wahlen, ein Staatsstreich. Aber offensichtlich sieht der linke Mainstream in Medien und wichtigen Teilen der EU sowohl in der Durchführung wie auch der Nichtdurchführung von Wahlen einen undemokratischen Skandal. Offensichtlich können ihnen rechte Regierungen sowieso nie etwas recht machen.

Selbstverständlich ist es eindeutig richtig, die Wahlen durchzuführen. Und ebenso richtig, diese als reine Briefwahl durchzuführen, um Ansteckungsrisiken zu vermindern.

Auch die Polen wissen, dass das richtig ist. Und wenn sie dennoch so scharf unter Beschuss aus der EU kommen, machen sie sich natürlich zunehmend sehr eigene und sehr kritische Gedanken über die Union. Es ist in der Tat absolut faszinierend, wie zielgerichtet die europäische Linke und damit die Mehrheit der Medien durch solche absurden Attacken im Gegensatz zu ihrer Rhetorik auf einen Zerfall Europas hinarbeiten.

 Oder sind sie noch immer so naiv, dass sie die taktischen Versuche der polnischen wie auch der ungarischen Opposition nicht durchschauen? Diese glauben nämlich ernstlich, innenpolitisch durch maßlos überzogene Denunziation der eigenen Regierung bei den europäischen Parteifreunden punkten zu können. Dabei ist genau dasselbe Spiel schon einmal gründlich schief gegangen, als im Jahr 2000 die Herren Klima und Gusenbauer Europa einzureden versucht haben, in Österreich wären die Nazis zurückgekehrt.

Es ist jedes Mal neu verblüffend, wie wenig lernfähig Linke doch sind.

BEISPIEL 5: Eigentlich völlig undenkbar und doch genau so auf der offiziellen Parlamentsseite festgehalten ist jener Satz, den Bildungsminister Faßmann vor einigen Tagen im Bundesrat formuliert hat: "Es geht auch darum, dass ich so etwas wie den Einsatz im Rahmen zivilgesellschaftlichen Engagements mit entsprechenden ECTS – also Credit Points, quasi Noten, wenn Sie so wollen – auf der Universität belohnen darf."

Fast noch unfassbarer ist, dass es nicht einmal Oppositionsabgeordneten aufgefallen ist, wie ungeheuerlich dies ist, was da der Bildungsminister nicht nur ankündigt, sondern was ihm durch eine der unsäglichen Corona-Ermächtigungsverordnungen an Kompetenzen auch schon eingeräumt worden ist: Es ist künftig ganz republiksoffiziell nicht mehr so wichtig, ob ein künftiger Akademiker etwas lernt, ob er etwas kann. Er braucht sich künftig nicht so viel anzustrengen. Hauptsache, er ist statt dessen "zivilgesellschaftlich" tätig.

Dabei sollte auch Faßmann wissen, dass "Zivilgesellschaft" nichts anderes als ein (vom italienischen Kommunisten Gramsci erfundenes) Codewort ist, das die diversen linken NGOs zusammenfasst und sie als edel über alle demokratischen Strukturen zu erheben versucht. Mit anderen Worten: Wer mit der Sammelbüchse für Greenpeace Passanten behelligt, braucht nach den Intentionen Faßmanns nicht mehr so viel zu studieren.

Das ist noch absurder als die von Faßmann angeordnete Abschlankung der Matura auf eine Bonsai-Dimension. Über diese haben sich jetzt wenigstens ein paar Lehrer aufgeregt. Allerdings nur in Vorarlberg. Dort ist man offenbar schweizerisch verdorben und glaubt noch ans Leistungsprinzip.

Huch, wie rückständig.

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