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Es war absolut ungewohnt, überraschend und erfreulich, aus dem Munde von Bundes- wie Vizekanzler gleich mehrmals das Wort "Eigenverantwortung" zu hören. Ist doch diese ziemlich genau das Gegenteil jener Gesinnung, die speziell in den letzten Tagen von Regierung wie Medien als neue Normalität eines Corona-Sozialismus dargestellt worden ist. Eigenverantwortung der Bürger wäre jedoch absolut notwendig, um eine Gesellschaft erfolgreich zu machen. Was meinen aber die Herren Kurz und Kogler genau, wenn sie plötzlich von mehr "Eigenverantwortung" sprechen? Meinen sie es ehrlich oder ist es nur eine Floskel. Bisher haben wir keinerlei konkrete Umsetzung dieses Prinzips sehen können außer, dass die Kirchen künftig selber genau kontrollieren müssen, dass nicht zu viele Gläubige zu den Messen kommen. Oder haben wir das Wort gar so zu verstehen: "Wir haben die Wirtschaft und den Rechtsstaat durch – wie sich jetzt herausstellt – übertriebene Corona-Maßnahmen in den Graben gefahren. Jetzt seid ihr selbst eigenverantwortlich, wie ihr da wieder herauskommt"?
Selbst wenn man der Regierung zubilligt, dass die Epidemie in Österreich rein medizinisch harmloser verlaufen ist als in einigen anderen Ländern (aus welchen Gründen immer: Besseres Spitalssystem? Besserer Impfstatus? Besserer allgemeiner Gesundheitsstatus? Wegen der strengen und relativ frühzeitigen Maßnahmen?), so ist doch klar: Das Land ist durch die Maßnahmen tief und rettungslos in den Brunnen gestürzt worden. Das hat vor allem das Prinzip der hemmungslosen Verantwortungslosigkeit verschuldet, das verheerenderweise bis heute nicht zurückgenommen worden ist: "Koste es, was es wolle".
Genau mit diesem Satz ist eine unendliche Lawine an Forderungen ausgelöst worden. Jetzt schon sind die von der Regierung verkündeten 38 Milliarden zusätzlicher Corona-Ausgaben in Relation zur Bevölkerungsgröße deutlich mehr, als sämtliche andere Staaten bisher angekündigt haben, zusätzlich auszugeben. Und doch werden sie wohl zuwenig sein. Denn der dadurch entzündete Corona-Sozialismus tötete natürlich jede Bereitschaft, selbst nachzudenken, wie man aus der Krise kommt – zumindest über das Horten von Klopapier hinaus.
Konkret sind Folgen dieses Wortes jedenfalls noch nicht geworden. Nicht einmal die Polizisten dürften zurückgepfiffen worden sein, die Menschen wochenlang in Parks und privaten Tennisklubs wie die Gestapo belästigt haben. Denn in der gleichen Pressekonferenz, in der Kurz und Kogler plötzlich über Eigenverantwortung geredet haben, hat der Innenminister neuerlich seine Polizeischüler – offenbar besonders begnadete Geheimnisträger der Wahrheit – verbal auf die Jagd nach angeblichen "Fake News" geschickt.
Wer noch immer Wahrheitspolizisten ausschickt, glaubt keine Sekunde lang an die Eigenverantwortung, also an die Freiheit der Bürger.
An sich ist es eindeutig: Wirklich gelebte Eigenverantwortung ist die weitaus wichtigste Voraussetzung gelingenden menschlichen Zusammenlebens. Genau deswegen ist ja jede freie Marktwirtschaft, jede Gesellschaft mit viel Meinungsfreiheit und wenig Regulierungen, Vorschriften und Gesetzen allen zentralplanenden, die Eigenverantwortung ignorierenden Gesellschaften so weit überlegen. Eigenverantwortung heißt: Die Bürger sind frei in ihren Entscheidungen, müssen aber dann auch jeweils selbst die Konsequenzen tragen.
Jedoch ist dieses Prinzip den Österreichern – von allen Parteien – durch jahrzehntelang praktizierten Sozialdemokratismus weitgehend abgewöhnt worden. In den letzten 75 Jahren ist überhaupt noch nie so stark wie in den letzten Wochen das haargenaue Gegenteil praktiziert worden. Eigenverantwortung kann einer obrigkeitsgläubigen Nation auch nicht über Nacht einfach übergestülpt werden.
Die Bürger müssten auch erst Vertrauen gewinnen, dass die Regierung das wirklich ernst meint und nicht beim ersten Problemchen sagt: "Hat leider nicht funktioniert, die Bürger sind nicht reif genug für die Freiheit." Die Österreicher müssen erst umlernen, dass nicht mehr wie bisher regelmäßig jene, die keine Versicherung abgeschlossen haben, nach einem großen Hochwasser von der populistischen Politik auf Kosten aller anderen genauso schadlos gehalten werden wie jene, die in Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung viele Jahre in die Versicherung einbezahlt haben. Die Politik hat das absurderweise immer als "Solidarität" ausgegeben, wenn den Unsolidarischen geholfen wird.
Was aber hieße in Corona-Zeiten Eigenverantwortung konkret? Beispielsweise müsste sie bedeuten, dass jene, die in solchen Zeiten nach dem Jobverlust etwas Neues versuchen, nicht sofort die Arbeitslosenunterstützung verlieren, nur weil sie etwas unternehmen, nur weil sie jetzt Unternehmer sind. Beispielsweise hieße das, dass nicht jeder, der etwas unternimmt, von einer schikanösen Bürokratie und von Dutzenden Magistratsabteilungen, von Gewerbeordnung und Wirtschaftskammer geknebelt wird.
Es ist richtig: Wir kommen nur dann wieder aus dem tiefen Brunnen heraus, wenn die Bürger viel, viel mehr Eigenverantwortung entwickeln. Wenn sie nicht nach dem Prinzip handeln: "Geschieht meinem Vater recht, dass ich mir meine Finger erfriere". Wenn der Staat nicht mehr behauptet, jeden einzelnen schadlos stellen zu wollen.
Aber wird das je eine Regierung tun und zulassen? Würde sie doch bei einer echten Eigenverantwortungspolitik vorerst wohl die nächsten Wahlen verlieren, weil andere Parteien die lebenslange Gratis-Hängematte versprechen und weil immer zu viele Wähler auf solche Versprechungen hereinfallen.
Und: Wie sollen die Bürger an Eigenverantwortung glauben, wenn sie täglich die Drohung hören, dass die Regierung sofort die Notbremse ziehen werde, wenn sich irgendwelche Zahlen verschlechtern sollten? Wenn ihnen auch sonst überall Regierungsmacht statt Bürgerverantwortung entgegenschlägt.
Im Notbremse-Denken tragen eben nicht die Menschen die Verantwortung, sondern die Regierung. Auch wenn sie jetzt langsam erschreckt draufkommt, dass sie das "Koste es, was es wolle" niemals schaffen kann, sondern damit nur eine immer noch größer werdende Katastrophe auslöst.
Jenes Land in Europa, wo die Eigenverantwortung, wo die Absage an die sozialistische Hängematte funktioniert und praktiziert wird, ist ausgerechnet das sozialdemokratisch regierte Schweden. Dort sind zwar in der Corona-Krise die Sterbezahlen höher. Dort aber hat man höchstwahrscheinlich früher den - möglicherweise erlösenden - "Durchseuchungs"-Zustand erreicht. Dort hat man keine wirtschaftliche und rechtsstaatliche Katastrophe ausgelöst. Dort haben Bürger und Gesellschaft Eigenverantwortung immer sehr ernst genommen; immer und nicht erst seit Corona. Dort gibt es seit jeher eine ernstzunehmende Landesverteidigung. Dort gehen die Bürger selbstverständlich später in Pension, weil die Lebenserwartung steigt. Dort wird also genau das Gegenteil von Österreich gemacht, wo wir viele sozialdemokratische und sozialistische, aber keine wirklich liberale Partei haben. Egal wie sich die Parteien selbst bezeichnen.
Die Österreicher haben da eine ganz andere Grundeinstellung. Fast niemand hat wie die Schweden gefragt: "Ist es gut und sinnvoll, Gesichtsmasken zu tragen und keinem Fremden in die Nähe zu kommen?" Sie haben vielmehr immer nur der wöchentlichen Befehlsausgabe der Regierung gelauscht, um zu hören, was denn jeweils gerade vorgeschrieben beziehungsweise verboten sei. Selber denken, selber Verantwortung tragen ist alles andere als üblich – außer man verwechselt Schimpfen und Jammern damit.
Und die Regierung hat sich in das Befehlsausgeben geradezu verliebt. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass das ständig auftretende Führungsquartett das ganze Leben in Top-Down-Strukturen verbracht hat. Es besteht aus einem Offizier, einem Lehrer und zwei Berufspolitikern, die allesamt nie in der freien Wirtschaft, geschweige denn als Unternehmer gearbeitet haben. Irgendwie hätte man da gleich bei (echten) Sozialisten in der Regierung bleiben können …
Würden sie "Eigenverantwortung" wirklich ernst nehmen, dann gäbe es eine echte Welle des Abbaus unzähliger Regulierungen, die den Österreichern (nicht erst in der Corona-Krise) ständig sagen, was sie tun sollen, und was sie nicht tun dürfen. Stattdessen denkt die Politik ja auch jetzt ständig über neue Regeln und Freiheitseinschränkungen nach (man lese nur das Regierungsprogramm). Und gegen das, was die Grünen alles an Einschränkungen der Menschen im Kampf gegen die angeblich katastrophale und angeblich menschengemachte Erwärmung planen, nehmen sich die Corona-Verbote fast noch als Freiheitsparadies aus.
Würden sie das Wort Eigenverantwortung auch nur eine Sekunde ernst nehmen, dann würden beide Parteien vehement für eine direkte Demokratie eintreten und diese verwirklichen. Denn nur in einer solchen haben die Menschen eigenverantwortlich das letzte Wort über alle Regeln. Und nicht eine abgehobene Feudalelite aus Politik, Medien, Verwaltung und Justiz.
Gehen wir konkret ein paar Bereiche durch, ob wir irgendwo auf das Prinzip Eigenverantwortung wenigstens in Spurenelementen stoßen:
Im Sektor Bildung dominiert völlig eine obrigkeitsorientierte Perspektive: Es geht immer nur darum, welche Anforderungen stellt die Regierung, stellt der Bildungsminister. Nirgendwo habe ich hingegen in den letzten Jahren eine ernsthafte Debatte gehört, ob es nicht eigentlich ein Riesenproblem für Maturanten, Schüler, Studenten und Republik wird, wenn die schulischen Anforderungen ständig aus Populismus weiter gesenkt werden. Ob es nicht unser Eigeninteresse wäre, wären die Anforderungen hoch.
Die Funktion der Schule wird in der aktuellen Diskussion ausschließlich auf zwei einander widersprechende Funktionen reduziert: erstens auf die einer Kinder-Aufbewahrungsstätte zur Entlastung der Familien, zweitens auf die eines Infektions-Ausbreitungsortes als Belastung der Familien. Schon wegen dieser Uneinigkeit wollen alle, dass die Politik entscheidet.
Eigenverantwortung von Eltern, Lehrern und (älteren) Schülern und Studenten für die Qualität von Bildung und Ausbildung? Fehlanzeige.
Zur wirtschaftlichen Corona-Lage melden sich täglich neue Gruppen, die eine Entschädigung für erlittene Nachteile durch den nationalen Lockdown verlangen. Und gute Aussichten haben, diese auch zu bekommen.
Keine Frage: Diese Nachteile sind in vielen Bereichen auch tatsächlich gewaltig. Unter den großen gesellschaftlichen Gruppen haben lediglich Pensionisten und Beamte keine großen Corona-Nachteile erlitten; einige Unternehmen haben sogar profitiert, wie die großen amerikanischen Internet-Unternehmen von Amazon bis Netflix.
Das sei auch gar nicht kritisiert. Sie haben zu Recht Erfolge, weil sie sich in Eigenverantwortung für ihre wirtschaftliche Zukunft eindeutig flexibler, kreativer, besser kunden- und zukunftsorientiert aufgestellt haben, während man bei uns beim Wort "Digitalisierung" meist nur daran gedacht hat, wie man diese verhindern und bekämpfen kann, wie man alte Branchen gegen die innovative Konkurrenz finanzieren und absichern kann. Am liebsten hätten viele in der Machtelite insgeheim die Digitalisierung überhaupt verboten. Das ist ihnen unter der Tarnung "Datenschutz" auch teilweise gelungen, dessen hysterische Überbetonung ja auch eine typisch europäische Erscheinung ist.
Mutige Wahrnehmung der Eigenverantwortung für die wirtschaftliche Zukunft des eigenen Landes? Dazu herrscht Fehlanzeige.
Das absurdeste Zeichen, wie verkehrt da die Dinge in der Wirtschaft derzeit laufen: Trotz der Krise gibt es derzeit weniger Konkurse als normal. Das heißt: Wir füttern mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft sogar jene durch, die auch bei ganz normalem Verlauf jetzt in Konkurs oder Ausgleich gehen würden.
Eigentlich besteht der – fast einzige – Vorteil großer Krisen darin, dass in ihnen sogar mehr Unternehmen in Konkurs gehen, dass die schwachen und nicht mehr zukunftstauglichen sterben, damit andere, neue Unternehmen Platz und Kraft finden. Damit diese nicht mehr dadurch behindert werden, weil sie die kranken, alten Unternehmen mitfinanzieren müssen (zumindest in einer Welt, in der das Geld nicht nur aus dem Kopierer kommt).
Unternehmerische und volkswirtschaftliche Eigenverantwortung sieht jedenfalls anders aus.
Wechseln wir in die Medienwelt, wo es noch krasser zugeht. Da müssen wir etwa ungefragt weiterhin anachronistisch gewordene Zwangsgebühren für eine Fernsehanstalt zahlen, obwohl das nur noch rund ein Drittel der Bürger für sinnvoll hält und ein noch etwas geringerer Anteil deren Programme im Schnitt sieht. Da flattert den gedruckten Zeitungen in der Krise sogar ein zusätzlicher Millionensegen aus Steuergeldern aufs Konto, obwohl sie derzeit ohnedies so wie viele andere Unternehmen Mitarbeiter in die staatlich finanzierte Kurzarbeit geschickt haben, obwohl der österreichische Zeitungsmarkt im Vergleich überbesetzt ist, obwohl sie auch schon vor der Krise ständig an Lesern verloren haben.
Haben doch die Zeitungen selbst im eigentlich publizistisch sehr spannenden Ibiza/Regierungssturz/Neuwahl-Jahr 2019 signifikant Leser eingebüßt und damit natürlich auch Werbeeinnahmen (die Wochenzeitungen sind überhaupt schon tot). Selbst die Panikmache rund um Corona hat da in den letzten Wochen nur sehr kurzfristig das Interesse der Bürger an den alten Medien erhöhen können. Inzwischen ist etwa die Zahl der Zuseher bei der "Zeit im Bild" schon wieder um ein volles Viertel gefallen (die Zeitungen haben dazu nichts veröffentlicht).
Mehr Eigenverantwortung der Bürger? Mehr Eigenentscheidung, für welches Fernsehprogramm, welche Zeitung sie Geld ausgeben wollen? Fehlanzeige. Statt eigenverantwortliche – und den Sehern oder Lesern verantwortliche – Medien haben wir verstaatlichte Propagandaplattformen bekommen (mit deutlichem Sympathieeinschlag für den grünen Koalitionspartner).
Man denke an die Kulturszene. Diese war immer schon die jammerstärkste und subventionsgeilste Branche. In der Krise übertrifft sie sich selber. Wie bei Medien und Wirtschaft wird auch im Kulturbetrieb keine Sekunde diskutiert, ob nicht eigentlich schon vor der Krise dringend eine Bereinigung nötig gewesen wäre und es daher Unsinn ist, die ohnedies knappen Mittel zum Durchfüttern aller zu verwenden. Haben etwa all die unzähligen Sommerfestivals auf jeder Burgruine eine nachhaltige Zukunft? Warum wird nicht wenigstens jetzt endlich das Volkstheater zugesperrt, das seit Jahren nicht einmal die Hälfte seiner Tickets verkaufen kann? Statt darüber auch nur nachzudenken plant die Gemeinde Wien ein neues Veranstaltungszentrum am Stadtrand …
Die Kulturszene hat in den letzten Tagen zwar Spitzenleistungen dabei erzielt, die recht hilflose Kulturstaatssekretärin zu verhöhnen, aber von kreativen Konzepten, wie man eigentlich auf die Pandemie reagieren soll, die in mehr bestehen als der Forderung "Noch mehr Geld her", habe ich herzlich wenig gehört.
Das wäre ja Eigenverantwortung.
Ähnliche Beobachtungen lassen sich quer durch alle Branchen machen, vom Handel bis zur Industrie, von der Hotellerie über den Sport bis zur Bahn. Und die rigiden Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind überhaupt das absolute Gegenteil von Eigenverantwortung.
Einen Mangel an Eigenverantwortung als typisch österreichisch zu konstatieren, heißt nicht, die Österreicher wären faul. Es heißt aber sehr wohl: Sie sind viel zu obrigkeitsgläubig. Wenn etwas nicht in den altgewohnten Bahnen verläuft, dann gibt es überall die gleiche Reaktion: Wir rebellieren nicht, sondern laufen sofort mit aufgehaltener Hand laut klagend zum Staat.
Das zu tun ist ja an sich nachvollziehbar. Es ist nur traurig, dass es auch funktioniert – und wir dem Staat dadurch immer mehr Macht geben. Und logischerweise auch bald mehr Geld geben müssen (entweder über höhere Steuern oder eine Inflation), weil das "Koste es, was es wolle" ja völlig unfinanziert ist.
Die Österreicher haben es völlig verlernt, nach dem Prinzip Eigenverantwortung zu leben. Sie glauben an den Schlaraffenland-Staat, der sich um alles kümmert und alles zahlt. Zugleich ist die Eigeninitiative bei vielen verkümmert, was man denn sonst tun könnte, wenn das eigene Geschäft, die eigene Arbeit plötzlich weggefallen sind.
Das muss jetzt gar nicht immer die supertolle Start-Up-Idee sein. Aber es fehlt einfach das Gefühl, selbst für das Gelingen seines eigenen Lebens verantwortlich zu sein. In ganz anderen, neuen Bahnen zu denken und notfalls die Ansprüche an die zu wählende Tätigkeit deutlich bescheidener anzusetzen.
Ist es nicht absurd, dass schon fast eineinhalb Millionen Österreicher ihren Job verloren haben oder zumindest in Kurzarbeit sind, dass aber gleichzeitig die Landwirtschaft jammert, weil Zehntausende osteuropäische Landarbeiter nicht kommen können, und von der Regierung eine Lösung verlangt, dass die Rumänen & Co doch kommen können? Aber ich sehe keine Initiativen, wo die Bauern die plötzlich joblosen Inländer anwerben würden. Und wo umgekehrt die auf Kurzarbeit Gesetzten einen sonderlichen Andrang zeigen würden, sich etwa bei der Spargelernte die Finger schmutzig zu machen.
Sie alle zeigen den typisch österreichischen Reflex: Sie rennen zur Regierung und wollen von dieser möglichst komplett schadlos gehalten werden. Eigenverantwortung, indem die einen sich zu ungewohnter körperlicher Arbeit bereit erklären, und indem sie sich auf eine neue Art von Mitarbeitern einzustellen versuchen? Fehlanzeige.
Darin zeigt sich wohl auch eine historische Prägung der Österreicher wie der Deutschen: Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und den USA sind hier Aufklärung und Freiheit durch einen absoluten Monarchen von oben gekommen, und nicht von den Menschen erkämpft worden. Im Grund leben wir geistig noch immer in einem – halt republikanisch gewordenen – Absolutismus. Wir glauben an ein Naturgesetz: Alles Gute kommt von oben. Und erst nachher entdecken wir, dass die da oben immer ganz eigene Interessen haben.
Aber seien wir dennoch positiv: Jubeln wir einmal, dass Türkis und Grün in der Stunde der Not etwas Richtiges, eben die Eigenverantwortung als Schlüssel in die Zukunft wenigstens einmal angesprochen haben. Bedenken wir, dass auch Dinge, die einmal groß und wichtig werden sollen, ja zuerst klein anfangen müssen. Vielleicht meint die Regierung es – bei allem Zweifel – ja diesmal doch wirklich ernst. Vielleicht haben sie doch begriffen, dass Eigenverantwortung der Bürger ein bisschen mehr ist, als dass sich diese jetzt halt "eigenverantwortlich" selbst die Maske aufzusetzen und nicht mehr darauf zu warten, bis Onkel Sebastian sie ihnen umbindet.
Und dass Eigenverantwortung auch etwas ganz anderes ist, als die in den letzten Wochen aufgewucherte Blockwart-Gesinnung, die mit sadistischer Lust Nachbarn denunziert hat, weil sie einen Besuch empfangen haben ...