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Sebastian Kurz sprach ein großes Wort gelassen aus. Man kann ihm zwar zum Inhalt seiner Ankündigung einer großen Deregulierung an sich nur gratulieren. Nur hat er leider eine Kleinigkeit vergessen: nämlich wie er sie im wirklichen Leben realisieren will. Denn er wird bald entdecken müssen: In Sachen Corona hat er im Vergleich zur Zukunft eindeutig den leichteren Teil hinter sich, so hektisch und aufregend die vergangenen Wochen auch waren. Ab jetzt fehlt ihm aber gleich dreierlei: Ein geeigneter Koalitionspartner, der Mut zu einer ausdrücklichen Rücknahme eines anderen von ihm selbst vor ein paar Wochen ausgesprochenen Satzes und das geeignete politische Personal.
"Durch die Abschaffung unnötiger Regeln soll das Leben und Wirtschaften für alle so einfach wie möglich gemacht werden." Wunderbar, Herr Bundeskanzler, dieser Satz. Aber mein Gedächtnis trügt mich nicht, wenn es mich daran erinnert, dass ich genau das schon des Öfteren von Ihnen gehört habe, ohne dass viel gefolgt wäre.
Dabei wäre eine kraftvolle Deregulierung eines überbürokratisierten Staates und einer fast noch schlimmeren EU noch nie so wichtig gewesen wie jetzt, wo die Wirtschaft nicht nur Österreichs, nicht nur Europas, sondern auch der ganzen Welt den tiefsten Absturz seit dem Krieg erlitten hat. Und sie stürzt – wie etwa gerade die neuen österreichischen Kurzarbeits- und Arbeitslosenzahlen zeigen – immer noch tiefer hinunter.
So handzahm der grüne Koalitionspartner in den letzten Wochen auch gewesen ist, so sehr ist doch klar: Die Grünen sind bis in ihre Gene eine reine Verbotspartei. Die einzigen Gruppen, denen sie mehr, ja alle Freiheiten zubilligen wollen, sind erstens die Rad- und Roller-(Scooter-)Fahrer, sowie zweitens alle sexuell kreativen Extremisten, die mit dem Kürzel LGBTI zusammengefasst werden.
Ansonsten sind die Grünen aber eine durch und durch verbotsgierige Gouvernantenpartei, voller Hass auf Autofahrer, auf Männer, auf Mütter, auf wertorientierte Christen und auf jede produktive Wirtschaft mit Ausnahme einiger skurriler Lifestyle-Geschäfte im siebenten Bezirk.
Über diesen Hass haben sie als angeblich wissenschaftlich begründetes Universalmotto die Rettung des Weltklimas durch Österreich gestellt. Die Notwendigkeit einer solchen Rettung ist freilich nur in etwa so gut wissenschaftlich abgesichert wie es in den letzten Wochen die diversen Wissenschaftler-Aussagen zu Corona gewesen sind, wo jeder Aussage eines "Experten" die eines anderen "Experten" entgegengestanden ist (besonders köstlich werden die ständigen Experten-Widersprüche übrigens in diesem Text persifliert).
Nun ist Kurz die Koalition im Gefühl eingegangen, die Weltklimarettungsattitüde der Grünen sei halt eine harmlose Marotte eines modischen Zeitgeistes, eine Spielwiese, die man dem Koalitionspartner so lange überlässt, als er dabei die Wirtschaft nicht allzu schikaniert.
Wenn aber jetzt diese Wirtschaft im Koma hängt, wenn es um fast jeden zweiten Arbeitsplatz geht, muss Schluss mit lustig für solche Marotten sein. Jetzt muss alles auf ein einziges Ziel hin orientiert werden: Wie bringen wir wieder die Wirtschaft zum Leben?
Das bedeutet absoluten Vorrang für alles, wo ein Unternehmen – eine große Industrie genauso wie ein kleiner Einpersonenunternehmer – etwas macht oder erzeugt, wofür jemand anderer zu zahlen bereit ist. Nur dadurch entstehen Arbeitsplätze. Nur dadurch wird Wert geschaffen. Nur dadurch kommt wieder Steuergeld ins Fließen, mit dem das Budgetdefizit reduziert und die gigantischen Schulden wegen des Corona-Lockdowns zurückgezahlt werden können.
Im Gegensatz zum Markt zahlt das Weltklima keinen Cent (ganz abgesehen davon, dass es durch die österreichischen Maßnahmen nicht einmal marginalst beeinflusst wird), wenn jetzt für grüne Klimarettungsphantasien zusätzliche Schulden gemacht würden.
Manche Grüne behaupten zwar, ihre Klimarettungspolitik würde die Wirtschaft ankurbeln. Das ist aber ökonomisch Schwachsinn. Denn diese Politik führt nur zu erhöhten Staatsausgaben und einer Belastung produktiver Unternehmen, aber nicht zu Einnahmen für Bürger oder Staat. Durch Schulden kommt kein Wachstum zustande. Wäre diese anders, dann wären ja auch all die Ausgaben der Corona-Krise gut für Wachstum. Dann hätten wir jetzt viel weniger Arbeitslose und nicht eineinhalb Millionen Menschen, die gegen ihren Willen keine Berufstätigkeit ausüben können. Dann wären Länder wie Italien oder Griechenland die wirtschaftlich gesündesten Europas.
Was nicht so ganz stimmen dürfte, wie auch Kogler & Co einmal erkennen könnten. Solange sie das aber nicht tun, steht der Koalition genau in diesem Punkt der ganz große Clash noch bevor. Denn politisch ist für die Grünen die Klima-Panik ja der wichtigste Treibsatz der letzten zwei Jahre geworden, während die ÖVP zum Glück zumindest jetzt verbal erkannt hat, was der entscheidende Hebel für eine wirtschaftliche Wiederbelebung wäre.
Auch nur der kleinste Kompromiss mit Klimarettungs-Geldvernichtern wäre daher jetzt absolut falsch. Und würde auch die Krise noch weiter verlängern.
Kurz muss aber nicht "nur" mit dem Koalitionspartner und dessen Klima-Paniken fertig werden, wenn er Wirtschaft und Leben wieder "so einfach wie möglich" machen will. Er muss vielmehr auch noch mit sich selbst fertig werden. Das ist für einen Politiker wohl noch schwerer. Genauer gesagt muss er dringend seinen verheerenden Satz entsorgen: Man werde alle Folgen des Lockdowns bezahlen, "koste es, was es wolle".
Wer auch immer dem Bundeskanzler diese gebetsmühlenartig wiederholte Formulierung eingeredet hat, hat vergessen, dass genau dieser Satz "Whatever it takes" schon einmal katastrophal geendet hat: bei der Europäischen Zentralbank. Die EZB hat mit diesem Satz als Leitdevise ein für Europa schlimmes Jahrzehnt mit Null- oder Negativzinsen ausgelöst. Sie hat damit die Sparer beraubt. Sie hat ein sinnloses Weitervegetieren vieler Zombie-Firmen durch Gratiskredite ermöglicht, statt dass neues unternehmerisches Leben entstehen hätte können. Sie hat es vor allem Italien, Spanien, Frankreich und Portugal erspart, die heillos überschuldeten Staatsfinanzen zu sanieren und den unfinanzierbar wuchernden Sozialstaat zu beschneiden.
Warum hätten diese Staaten das auch sollen, wenn ihnen die EZB garantiert, dass sie letztlich ohnedies jedes Defizit bezahlt? Die südeuropäischen Regierungen haben sich damit auch viel Ärger erspart. Denn die notwendige Sanierungspolitik hätte ja zuerst etliche Jahre den Zorn der Wähler und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wahlniederlage der jeweiligen Regierung ausgelöst.
Warum hätte jetzt auch nur einer der eineinhalb Millionen österreichischen Kurzarbeiter oder Arbeitslosen anstelle der ausbleibenden Ukrainer Erdbeeren oder Spargel aus der Erde holen sollen, wenn ihnen der Bundeskanzler garantiert, dass jeder Einzelne schadlos gehalten wird, was immer das kostet?
Kurz hat nicht erkannt, dass er Österreich mit diesem Satz haargenau auf die gleiche Abwärtsbahn stößt, auf die die EZB den Euroraum gestoßen hat. Bei allen Bürgern, Unternehmen und Lobbys ist nämlich die eindeutige Botschaft angekommen: Geld ist zum Unterschied von der ganzen bisherigen Nachkriegszeit keine knappe Sache mehr; du musst nur ein Bedürfnis formulieren können und schon wird es gedeckt. Was auch immer es kostet.
Als Folge werden in Österreich viele marode Unternehmen künstlich am Leben gehalten. Als Folge suchen sich jene, deren Arbeitgeber schwer marod ist, keineswegs kreativ eine andere Beschäftigung. Warum sich anstrengen, wenn es auch so geht, wenn man vom Geld anderer leben kann – genauer gesagt von dem der nächsten Generation? Warum soll man sich groß bemühen, der Mitwelt eine Ware, eine Dienstleistung anzubieten, die sie haben will?
Eine Politik zu machen, in der Geld keine knappe Sache ist, haben schon viele Regierungen versucht, vom Club Med bis zum argentinischen Peronismus (von dem der gegenwärtige Papst unheilvoll beeinflusst ist). Es hat – für manche: erstaunlicherweise – jedoch noch nie funktioniert.
Kurz sollte diesen Was-auch-immer-es-kostet-Satz jedenfalls sehr bald ausdrücklich zurücknehmen, sonst wird er ihm noch hundertfach um die Ohren fliegen. Er täte dies am besten mit dem Eingeständnis: "Das war leider ein Fehler im Druck der Krise, wo alles auf die Pandemie-Bekämpfung ausgerichtet war". Am zweitbesten mit: "Das gilt aber jetzt nicht mehr, ab jetzt gilt wieder ökonomische Vernunft."
Wie falsch jener Satz war, zeigt sich daran am groteskesten, wie er bei den Gewerkschaften, konkret bei der Vorsitzenden der Gewerkschaftsjugend, einer Frau Susanne Hofer, angekommen ist: "Die Coronavirus-Krise zeigt, dass definitiv genug Geld da ist."
Na dann. Nach dieser kranken Logik, an der Kurz aber eben nicht ganz unschuldig ist, brauchen wir einfach nur noch ein paar Corona-Krisen, und es wäre für alles und jedes genug Geld da. Vielleicht sollte man diesbezüglich ein paar Bittbriefe um weitere Viren nach Peking schicken …
Sebastian Kurz ist ein begnadeter Kommunikator, er hat sich exzellent in Außen-, Europa- und Migrationspolitik bewährt. Es ist daher gar kein Vorwurf, wenn man konstatieren muss, dass ihm in Sachen Wirtschaftspolitik (wie übrigens auch in Sachen Rechtsstaat) ganz eindeutig die eigenen Erfahrungen fehlen. Schlimmer ist, dass ihm dafür auch die geeigneten Minister oder öffentlich herzeigbaren Experten fehlen. Diese müssten jetzt eine lange Liste all jener Dinge nicht nur aufstellen, sondern auch öffentlich begründen können, die wirtschaftlich dringend nötig wären.
Aber weit und breit gibt es nur Wirtschaftsexperten, die Forderungen nach noch mehr Geld für irgendetwas aufstellen können. Das ist nun freilich wirklich keine Kunst. Dazu muss man kein Experte sein. Das kann jeder mittelmäßige Leitartikelschreiber.
Auch die diversen Sprüche aus der linken Mottenkiste sind alles andere als eine Lösung: "Die Milliardäre sollen zahlen" oder "Die amerikanischen Multis sollen zahlen". Denn würde man Multis und Milliardäre wirklich durch gierige Zugriffe vertreiben, stünde Österreich mit Sicherheit noch viel schlechter da. Auch Kommunisten und Nazis haben ihre Raubzüge auf das Eigentum anderer ja nur einmal machen können. Dann war nichts mehr da.
Wirtschaftspolitiker, die auch das Unpopuläre begründen könnten, finden sich hingegen weit und breit nicht, weder in Regierung noch bei den diversen Wirtschaftsforschungsinstituten. Niemand dort ist imstande, den an sich vollkommen richtigen Kurz-Satz über die notwendige Abschaffung vieler Regeln auch mit konkretem Leben zu erfüllen. Daher wird dieser Satz wohl dauerhaft eine Überschrift ohne Unterschrift bleiben. So wie etwa einst auch die Behauptung des früheren Justizministers Moser, er wüsste hunderte Vorschläge zur Vereinfachung der öffentlichen Verwaltung.
Denn das Blöde am Wunsch nach einer Regelvereinfachung ist, dass hinter absolut jeder Regel handfeste Lobbys, Ideologien und Interessen stehen, die sich sofort artikulieren würden, wenn die Regeln abgeschwächt würden. Das sind etwa ökologische oder soziale Interessen oder solche von anderen wirtschaftlichen Gruppen.
In der Folge noch ein paar zufällige und bunt gemischte Beispiele von notwendigen Reformen oder abzuschaffenden Regeln, wenn man wirklich das derzeit komatöse Land wiederbeleben wollte.
Stundenlang könnte man solche Beispiele aus allen Gebieten zusammentragen, die den Satz des Bundeskanzlers mit Leben füllen würden.
Vorerst bleibt es aber leider nur bei diesem Satz. Andererseits: Immerhin ist er jetzt einmal gesagt worden. Das lässt zumindest hoffen, dass die Periode kollektiven Koste-was-es-wolle-Wahns doch zu Ende gehen könnte. Auch wenn man bei diesem Koalitionspartner vehement zweifelt, ob Kurz es wirklich ernst meint, dass ihm das gelingen kann.
Andererseits: Auch einige ganz aktuelle deutsche Äußerungen lassen hoffen. Denn sie zeigen, dass global ein erkennbares Umdenken eingesetzt hat. Vier Zitate aus den letzten Tagen:
PS: Noch ein anschauliches Exempel über die Vorteile eines gemeinsamen Einkaufs für die Spitäler: Als vor einigen Wochen ein Produkt durch die BBG statt direkt durch ein großes Wiener Spital angeschafft worden ist, war das dadurch um 65 Prozent billiger …