Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Es war von der ersten Stunde an klar gewesen: Die Zusammenführung der neun Gebietskrankenkassen zu einer gesamtösterreichischen Gesundheitskasse ÖGK löst entgegen der Propaganda von Schwarz-Blau keines der wirklichen Probleme des Gesundheitssystems. Genauso klar aber war und ist freilich: Das von SPÖ und Gewerkschaft so gepriesene alte System war um nichts besser, sondern noch schlechter. Die Probleme und ihre Lösungen liegen ganz wo anders.
Die von der ersten Kurz-Regierung unter einer blauen Sozialministerin durchgeführte Reform brachte nur kleine Einsparungen: nämlich durch Reduktion der diversen bürokratischen Chef-Positionen. Diese Reform war sicher für die Beitragszahler sinnvoll – wie für die Betroffenen schmerzhaft: Betroffen sind vor allem Gewerkschaftsfunktionäre, für die es seither viel weniger gut gepolsterte Positionen einer angeblichen "Selbstverwaltung" gibt, in denen sie vom ÖGB entsorgt werden könnten, obwohl sie weder von Medizin noch von Management eine Ahnung haben.
Nur: Die groß verkündeten Einsparungen in der Dimension einer Milliarde Euro sind dadurch und durch den Wegfall von ein paar Posten in der Verwaltung (wo man halt beispielsweise nur noch ein EDV-System statt neun braucht) nicht hereinbringbar.
Wenig überraschend ist, dass jetzt ein grüner Minister die Schaffung dieser ÖGK besonders negativ darzustellen versucht. Auch wenn die Grünen eine eigene Partei sind, auch wenn sie im bisherigen Sozialpartner-System überhaupt nicht vorgekommen sind, so agieren sie letztlich doch immer wie eine Expositur der SPÖ (was für die meisten Kenner der politischen Szene erwartbar gewesen ist, aber offensichtlich nicht für Sebastian Kurz).
Jetzt rächt sich für die ÖVP auch, dass sie weit und breit keine wirklichen Experten für das Sozialversicherungswesen, die Medizin, die Gesundheitsökonomie aber auch die volkswirtschaftliche Entwicklung hat (was auch zur populistischen Illusion beider Regierungsparteien geführt hat, dass es im Pensionsbereich keine Reformen braucht). Und in der Wirtschaftskammer ist der einzige wirkliche Sozialexperte aus offenbar privaten Gründen gefeuert worden.
Viele Ursachen für das ständige Steigen der Gesundheitsausgaben sind nicht zu ändern:
An all diesen kostentreibenden Faktoren kann man nur schwer etwas ändern. Ein Teil davon wie längere Lebenserwartung und medizinische Erfolge ist ja sogar durchaus erfreulich.
Dazu kommen aber auch ganz spezifische Probleme des österreichischen Gesundheitssystems. Bevor man sie zu lösen versucht, muss man sie einmal deutlich ansprechen. All diese Symptome hat es schon lange vor der jetzt von Rot-Grün attackierten schwarz-blauen Reform gegeben. Sie hängen mit der ÖGK-Reform überhaupt nicht zusammen. Zu ihnen zählen:
Was aber sind die Ursachen der österreichischen Fehlentwicklungen? Was kann und sollte Österreich gegen diese Symptome angesichts der genannten strukturellen Ursachen konkret tun, also über die Minikosmetik des Zusammenlegens von Krankenkassen hinaus?
ERSTENS: Es gibt in Österreich zwei völlig getrennte zwangsfinanzierte Systeme, die sich ständig gegenseitig Patienten – also Kosten – zuschieben, ohne dass dabei irgendjemand wirklich steuern würde, wo eine Behandlung am sinnvollsten ist.
Solange es nicht wirklich gelingt, alles aus einer Hand zu finanzieren, gehen da Milliarden an Reibungsverlusten verloren.
ZWEITENS: Das Solidarsystem wird durch die rasch wachsende Gruppe der Migranten massiv belastet, die nichts oder fast nichts in die Solidargemeinschaft einzahlen, die aber mit hoher Intensität die Ambulanzen der Spitäler frequentieren.
Es wäre nur fair, wenn die Republik die vollen Kosten für die von ihr ins Land gelassenen "Flüchtlinge" ersetzt, sowie für alle anderen Gruppen, deren Krankenversicherung der Gesetzgeber anordnet, ohne dass die Begünstigten Versicherungsbeiträge zahlen würden.
DRITTENS: Im Gesundheitssystem hat man die – seit ein paar hundert Jahren an unendlich vielen Beispielen bewiesene – Überlegenheit eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbssystems noch immer nicht begriffen. Seine Umsetzung im Bereich der Krankenversicherungen hieße, dass man von einer "Pflichtversicherung" (= man hat keine Wahl, zu welcher Krankenversicherung man gehört) auf eine "Versicherungspflicht" (= irgendeine Krankenversicherung muss man haben, aber die ist frei wählbar) umsteigt.
Das würde sofort einen Wettbewerb auslösen: Zwischen billigen Versicherungen, die nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum leisten. Und teureren, die bessere Leistungen bieten (von der freien Arztwahl etwa bis zum Ersatz komplizierter Zahnersatz-Kosten).
Als Gegenargument wird vorgebracht, dass dann Versicherungen nur junge, gesunde Menschen aufnehmen wollen. Das könnte aber wie bei der Kfz-Haftpflicht problemlos dadurch geregelt werden, dass unerwünschte Personen reihum genommen werden müssen. Außerdem sollten Versicherungen nicht Patienten einfach kündigen können.
Auch die Sorge, dass diese Versicherungen dann zu viel Geld in Werbung um neue Versicherte stecken würden, ließe sich problemlos durch eine gesetzliche Limitierung der Werbeausgaben lösen.
VIERTENS: Während man bei den Gebietskrankenkassen jetzt die eigenen Organisationen jedes Bundeslandes abgeschafft hat, behalten einige privilegierte Gruppen wie die Beamten oder Selbstständigen gesonderte, eindeutig bessere Versicherungssysteme. Das schafft zu Recht bei allen "gewöhnlichen" Menschen, die auf das GKK/ÖGK-System verwiesen sind, gewaltige Frustrationen (die übrigens bei der wachsenden Zahl berufstätiger Pensionisten besonders groß ist, weil sie plötzlich doppelt Sozialversicherung zahlen müssen, selbst wenn sie jetzt weniger verdienen!).
Ein Wettbewerbssystem der freien Versicherungswahl müsste natürlich auch für all diese derzeit privilegierten Versicherten gelten, die also künftig keine Privilegien, aber auch keine Nachteile haben dürfen.
FÜNFTENS: In einem solchen Wettbewerbssystem müsste es natürlich auch die Möglichkeit von Varianten mit Selbstbehalt geben. Dieser sollte etwa mit zehn oder zwanzig Prozent limitiert werden, und müsste auch betragsmäßig einen Deckel haben (damit nicht chronisch Kranke unter die Räder kommen).
Selbstbehalte würden aber dazu führen, dass in Patienten ein Interesse an sinnvollem Vorgehen geweckt wird. Dass also nicht überflüssige Behandlungen nach dem Motto "Kostet eh nichts" erfolgen, dass keine Doppeldiagnosen (etwa Bluttests) erfolgen.
Solche Selbstbehalte würden mit Sicherheit auch das Verhalten der Ärzte ändern. Diese würden dann viel stärker die Interessen der unmittelbar vor ihnen sitzenden Patienten berücksichtigen als die von anonymen Krankenkassen oder Landesbudgets.
SECHSTENS: In einem solchen Wettbewerbssystem müssten die Versicherungen auch die Pflicht haben, für eine ausreichende Anzahl von Ärzten zu sorgen – diese also entsprechend zu honorieren, damit sie nicht ins Ausland abwandern.
SIEBENTENS: Da es viele junge Österreicher gibt, die Arzt werden wollen, aber nicht zugelassen werden, ist die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. Das wäre auch kein Finanzierungsproblem, wenn die Studenten für die Studienkosten teilweise aufkommen müssten. Das wäre durch ein Kreditsystem am sinnvollsten, bei dem die Kosten dann später in den Jahren eines guten Ärzteeinkommens rückgezahlt werden müssten.
ACHTENS: Bei der Ausbildung zum Krankenpfleger sind die Hürden zu ändern: Es macht keinen Sinn, dass man erst mit 17 Jahren und nach zehn absolvierten Schuljahren in die dreijährige Krankenpflegeschule gehen kann.
NEUNTENS: Da – bis auf die hochwissenschaftliche Spitzenmedizin – fast immer die privaten Spitäler (etwa Ordensspitäler) den öffentlichen überlegen sind, sind diese künftig völlig gleich zu behandeln. Was bei Finanzierung des kompletten Systems über die Versicherungen auch kein Problem sein sollte.
Diese neun vorgeschlagenen Maßnahmen erfordern freilich großen politischen Mut. Der heute bei keiner politischen Partei zu finden ist. Die Koalition befasst sich nur mit dem verwandten, aber unabhängig zu behandelnden Problemkreis Pflege – für den sie aber fast keine Finanzierungsideen hat. Und auch nicht haben wird, solange sie den ebenfalls eng verwandten Problemkreis Pensionsantrittsdatum aus Angst vor Wahlniederlagen nicht angreift.
Daher wird mit Sicherheit das Gesundheitssystem noch viele Jahre ein Minenfeld bleiben. Daher wird sich die Diskussion mit Sicherheit weiterhin auf der Ebene eines langweiligen Parteien-Hickhacks bewegen: Was kostet, was bringt das ÖGK-System? Wieviel Gelder haben die neun ehemaligen Gebietskrankenkassen noch vor ihrer Einstellung voreilig zu Lasten der ÖGK ausgegeben?
Wobei eine Erhöhung der Arzthonorare sogar eine durchaus sinnvolle Geldausgabe durch die Gebietskrankenkassen gewesen ist …