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Die Anmaßung der Staatsanwaltschaft hat in den letzten Stunden einen absoluten Gipfel erreicht. In einem eigentlich vertraulichen Gespräch geäußerte Kritik des Bundeskanzlers an der Korruptionsstaatsanwaltschaft hat zu einer ungeheuerlichen Reaktion geführt: Die Vereinigung der Staatsanwälte behauptet, diese Kritik sei ein "Angriff auf den Rechtsstaat und die Justiz als dritte Staatsgewalt". Damit solidarisiert sich die gesamte Staatsanwaltschaft nicht nur mit einer einzigen (und absolut zu Recht kritisierten) Teilorganisation, sondern maßt sich auch die Behauptung an, dass sie selbst der "Rechtsstaat" und die "dritte Staatsgewalt" sei. Diese im totalen Widerspruch zur Verfassung stehende Hybris müsste eigentlich jede demokratische Partei energisch zurückweisen. Freilich nicht die derzeitige Opposition. Ihr fällt tagtäglich immer nur dieselbe Frage ein: Wie kann man auf Sebastian Kurz losgehen? Selbst wenn der erstens völlig Recht hat und zweitens nur das tut, das jedem Österreicher zusteht.
"Die" Justiz sind die unabhängig im Rahmen der Gesetze Recht sprechenden Richter. Und sonst niemand. Nur die Rechtsprechung durch die Richter hat moralischen und verfassungsrechtlichen Anspruch auf vielerlei Privilegien, wie Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit.
Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Gerichtsportiere, Gefängniswärter, Gerichtsschreiber hingegen sind nur Hilfsorgane der dritten Staatsgewalt. Egal ob sie wie die Rechtsanwälte Selbständige sind oder Angehörige der Justizverwaltung, also der zweiten Staatsgewalt.
Völlig zu Recht hat der Gesetzgeber (also die erste und oberste Staatsgewalt) daher den Staatsanwälten nie das erwünschte Ausscheren aus der Verwaltung und die Verselbständigung zum Staat im Staat zugebilligt. Gerade diese Stunden der Hybris sich für unkritisierbar haltender Staatsanwälte zeigen, wie richtig das war. Hinter der Forderung nach einem Generalstaatsanwalt hat sich die Sehnsucht nach der absoluten Macht verborgen. Ein solcher müsste sich nach den Vorstellungen der Staatsanwälte im Gegensatz zu Bundespräsident, Parlament (und damit auch Regierung) nie einer demokratischen Wahl stellen.
Ein solcher Generalstaatsanwalt wäre der weitaus mächtigste Mensch in Österreich. Er und sein Apparat könnten ihm unliebsame Menschen an allen Gerichten vorbei weit mehr als ein Jahrzehnt lang verfolgen und beruflich wie existenziell lahmlegen.
Wie es jetzt schon die sogenannte Korruptionsstaatsanwaltschaft mit großem "Erfolg" beispielsweise gegen den einstigen schwarz-blauen Finanzminister Karl-Heinz Grasser tut, ohne dass dieser auch nur von einem einzigen Richter verurteilt worden wäre. Ein Generalstaatsanwalt hätte noch viel weniger an solch skandalösem Verhalten gehindert werden können als jetzt, wo die Staatsanwaltschaft im Grunde primär von der Schwäche oder Komplizenschaft der diversen Justizminister profitiert.
Wie schlimm die eingangs zitierte Hybris der Staatsanwaltschafts-Vertretung ist, wird erst richtig klar, wenn man sich bewusst macht, dass zu einem demokratischen Rechtsstaat auch das unabdingbare Grundrecht auf "Urteilsschelte" gehört. Solange das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zumindest noch in Restbeständen besteht (Justizminister Moser hat ohnedies schon in einer anderen Staatsanwaltschaft eine falsche Meinungen jagende Stasi installiert), solange darf jeder Staatsbürger nicht nur die Hilfsorgane der Justiz, sondern auch deren wirkliche Urteile kritisieren. Natürlich darf das daher auch der Bundeskanzler. Bei offenen wie auch hinter geschlossenen Türen (wobei es eh übrigens völlig sinnlos ist, Türen zuzumachen, solange man bestimmte Typen zu vermeintlich vertraulichen Gesprächen einlädt …)
In Wahrheit ist der linksradikale "Falter" sogar dafür zu loben, dass er die vertrauliche Kritik an der WKStA in die Öffentlichkeit gebracht hat. Auch wenn diese Zeitschrift, in der regelmäßig auf merkwürdigen Wegen vertrauliche Dokumente aus der WKStA landen, Kurz damit eigentlich schaden wollte.
Wie auch immer seine vertraulichen Formulierungen genau gewesen sein mögen, die Veröffentlichung hat nun dazu geführt, dass er sich nicht mehr hinter der Vertraulichkeit versteckt, sondern jetzt auch öffentlich sehr klar und mutig auf das zu sprechen kommt, was zahlreiche Juristen schon lange hinter vorgehaltener Hand als das größte Problem der Republik bezeichnet haben: "In der Causa WKStA bleibe ich dabei, dass es legitim ist, bestimmte Abläufe und Prozesse kritisch zu hinterfragen." Und Kurz nennt auch ganz konkret die Dinge, um die es geht: die Verfahrensdauer, das Vertrauen in die Justiz sowie Unabhängigkeit und Objektivität.
Mit allen drei Punkten hat er absolut recht. Man könnte auch noch die katastrophale juridische Qualität vieler Staatsanwälte hinzufügen und die skandalöse Reaktion der WKStA, als sie der zuständige Sektionschef des Ministeriums genau wegen der nun auch von Kurz aufgezählten Defizite getadelt hat. Statt Besserung zu versuchen, hat die WKStA voller Präpotenz im Gegenangriff den Sektionschef angezeigt und illegal abgehört. Freilich haben damals Kurz und sein überforderter Justizminister Moser völlig falsch reagiert: Statt die Leiterin der WKStA zu suspendieren, hat Moser windelweich eine "Mediation" vorgeschlagen.
Kurz ist lange allen Themen, die mit Jus und der Justiz zu tun haben könnten, auffallend aus dem Weg gegangen. Offensichtlich wollte er sich Stänkereien wegen seines noch nicht abgeschlossenen Studiums ersparen. Jetzt hat er sich aber entschlossen, nicht länger zu schweigen. Wofür man ihn nicht laut genug loben kann. Schließlich geht es hier um einen absoluten Kernbereich des demokratischen Rechtsstaats, der sich nicht noch mehr zu einem Staat im Staat auswachsen darf.
Viele hochrangige Juristen verweisen darauf, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft bei ihrer Gründung einem grünen Politiker unterstellt gewesen ist. Dieser hat damals viele Personalweichen stellen können. Auch kommen allzu viele Staatsanwälte direkt aus der Kanzlei des prominentesten SPÖ-Rechtsanwalts.
Die WKStA beteuert, unparteiisch zu sein, weil sie auch einmal zwei Salzburger SPÖ-Politiker angeklagt hat. Aber Einzelfälle sind angesichts ihres gesamten Verhaltens alles andere als ein Argument. Zwar waren auch diese Anklagen ziemlich überflüssig, weil zumindest der Salzburger Bürgermeister Schaden absolut im Interesse seiner Stadt amtiert hat. Aber Schaden zählte zum rechten SPÖ-Flügel. Und das behauptete Delikt hatte mit Spekulation zu tun. Das sind gleich zwei Kapitalverbrechen für einen ordentlichen Linken.
Dieses Tagebuch hat schon mehrfach die sonstigen üblen Vorkommnisse in der WKStA aufgelistet: etwa hier oder hier oder hier oder hier oder hier. Bisweilen glaubt man ja, diese Kritik werde von der Politik ignoriert. Aber umso erfreulicher ist die Sickerwirkung, wenn man unbeirrt für den Rechtsstaat kämpft.
Gewiss kann man der ÖVP vorwerfen, dass es ihr im Parlament an qualifizierten Juristen mangelt. So sehr das zu kritisieren ist, so sehr ist Kurz dafür zu loben, dass er sich mit Karoline Edtstadler eine exzellente Strafjuristin ins Regierungsteam geholt hat, die der grünen Justizministerin Zadic nicht so leicht den Blanko-Persilschein durchgehen lassen wird, den diese jetzt ungeprüft den Staatsanwälten auszustellen versucht hat.
Jedenfalls wird sich die Regierung in den nächsten Tagen mit der Staatsanwaltschaft zu diesen Themen zusammensetzen. Was übrigens für eine kleine Farce am Rande sorgt: Der ORF feiert die grüne Ministerin schon als Siegerin, nur weil sie dieses Treffen als "Aussprache" bezeichnet, während Kurz von "Rundem Tisch" spricht. Als ob diese Bezeichnungen auch nur irgendeine Relevanz hätten. Aber dem ORF ist ja nichts zu blöd, um die Grünen zu feiern und die ÖVP anzustänkern. Übrigens: Wetten, da werden die "Rechtshüter" aus der StA wohl wieder ein Tonband unter dem Tisch laufen lassen.
Ein ganz wichtiges Thema muss jedenfalls die von Kurz zentral thematisierte Verfahrensdauer sein, für die insbesondere die WKStA verantwortlich ist. Der Rechtsanwalt und frühere Abgeordnete Georg Vetter (Team Stronach und ÖVP) hat vor kurzem brillant nachgewiesen, dass das sogar eine schwere Menschenrechtsverletzung ist: Ein Mörder, der seine Tat nach(!) dem angeblichen Buwog-Delikt von Karl-Heinz Grasser begangen hat, hat inzwischen schon seine ganze Haft abgesessen und eine komplett neue Identität bekommen. Grasser hingegen ist von der Staatsanwaltschaft in derselben Zeit in seiner ganzen Existenz erledigt worden, ohne dass es auch nur in einer Instanz ein Urteil gegeben hätte! Ich wette übrigens viel, dass er auch am Ende nie rechtskräftig verurteilt werden wird. Aber Grasser hat dennoch auch bei einem Freispruch keinen Anspruch, die Millionen ersetzt zu bekommen, die ihn die Staatsanwaltschaft durch das Verfahren gekostet hat. Wenn das alles nicht an einen totalitären Staat erinnernde Willkür ist, dann weiß ich nicht, was sonst Willkür sein soll.
Aber Grasser war ein exzellenter schwarz-blauer Finanzminister, und hat der ÖVP zu ihrem größten Wahlsieg verholfen, weshalb er bei Rotgrün verhasst war. Ein solcher Mann muss vernichtet werden. Dasselbe scheint die Staatsanwaltschaft jetzt gegen den ebenfalls sehr erfolgreichen Ex-Finanzminister Löger im Sinn zu haben (wieder ein Minister aus schwarz-blauer Zeit). Löger wird derzeit durch einen Prozess wegen ebenfalls mehr als dürftiger und nur durch eine anonyme(!) Anzeige belegter Vorwürfe kaputt gemacht. Auch wenn man den Anzeigenerstatter nicht kennt, liegt sein Agieren jedenfalls komplett im Interesse eines der drei großen Casinos-Eigentümer, einer tschechischen Finanzgruppe, die die gesamte Kontrolle über die Casinos haben will.
Löger hatte sich für die Entsendung einer FPÖ-Mannes in den Casinos-Austria-Vorstand eingesetzt (solche Besetzungen bei Staatsbeteiligungen haben jedoch absolut zu den Kompetenzen des Ministers gehört). Und er hatte angeblich auch dem Miteigentümer Novomatic für dessen gebrauchte Zustimmung zu dieser Vorstandsernennung Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt (was aber ebenfalls zu den Kompetenzen des Finanzministers zählen würde). Diese sind jedoch nie erteilt worden. Wegen dieses durch nichts bewiesenen Zusammenhangs werden von den Staatsanwälten auch gleich einige ÖVP-nahe Casino-Aufsichtsräte strafrechtlich beschuldigt.
Aber natürlich: Einen FPÖ-Mann zu nominieren, ist für Linke schon an sich ein Kapitalverbrechen. Das gehört streng bestraft (als davor ein genauso unfähiger SPÖ-Mann einen noch viel fetteren Vertrag für die gleiche Funktion bekommen hat, hat das keinen Staatsanwalt gestört …). Durch die öffentliche Prangerwirkung einer jahrelangen Strafverfolgung können die Staatsanwälte so ungehindert weitere ÖVP-nahe Spitzenpersönlichkeiten ruinieren. Denn selbstverständlich hängt am Ende des Tages alles zusammen.
Nur die Bestechungsinserate und -kooperationen der Gemeinde Wien hängen offensichtlich mit gar nichts zusammen. Die sind zwar der größte echte Korruptionsfall der Nachkriegsgeschichte, aber von der Staatsanwaltschaft nie vor Gericht gebracht worden.
Im Falle Casinos haben die Staatsanwälte aber nicht nur Menschen zu ruinieren begonnen. Sie haben zugleich auch großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet, und das sogar doppelt:
Da kann man den Staatsanwälten nur ein dreifaches "Bravo!" zurufen. Reihenweise Schwarze demoliert; die Casinos einem ausländischen Finanzspekulanten zugespielt; und einen großen Steuerzahler vertrieben.
Dennoch hat diese Affäre ein Gutes: Sebastian Kurz ist der Geduldsfaden gerissen. Vielleicht spät, aber jetzt endgültig. Er will nicht mehr wegschauen. Und bei ihm weiß man: Wenn er einmal ein Thema besetzt hat, dann lässt er sich nicht so leicht davon abbringen.
Das freut.
Aber was kann man eigentlich gegen solche schweren Fehlentwicklungen tun? Mit Mut und Konsequenz kann man sogar eine ganze Menge:
Kling hart? Gewiss. Aber nur durch gutes Zureden ändern sich manche Herrschaften gewiss nicht, und wird der Rechtsstaat nicht gesunden.
Ganz sicher wäre es ein absoluter Wahnsinn, wenn die Republik statt solcher Maßnahmen noch mehr Geld in solche Staatsanwaltschaften fließen lassen würde. Wie es diese und ihre Helfershelferin Zadic freilich gerne hätten. Sie wollen ja mit Kurz eigentlich nur über Geld und nicht über all diese Missstände reden.
Mehr Geld braucht die Justiz gewiss für die Justizwache und für mehr Schreibkräfte bei Gericht, aber nicht dafür, dass die Staatsanwälte beispielsweise quer durch Österreich unzählige skurrile Verfahren wegen der letzten Bundespräsidentenwahl führen (was bei den allermeisten zum Glück viel vernünftigeren Richtern nicht zu einer Verurteilung führt).
Heiter sind manche Reaktionen auf die neu aufgebrandete Justizdiskussion:
Eine Frau Yildirim, die von der SPÖ neuerdings als Justizsprecherin geführt wird, ist sich nicht zu blöd, der WKStA ausdrücklich zu gratulieren und den SPÖ-"Stolz"(!) auf die Staatsanwälte zu betonen. Auf diese WKStA kann die SPÖ in der Tat stolz sein. Frau Yildirim begreift nur nicht, dass sie damit Sebastian Kurz voll bestätigt, wenn er von roten Netzwerken spricht, die sich durch die Staatsanwaltschaft ziehen.
Peinlich und wenig klug sind auch die Äußerungen der Frau Matejka, die für die Richtervereinigung spricht: Sie behauptet nicht nur, dass die WKStA "objektiv" arbeiten würde – obwohl die Urteile vieler ihrer Richterkollegen genau das Gegenteil zeigen. Matejka meint überdies, dass "pauschale Unterstellungen" gegenüber den Staatsanwälten "zum Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in den Rechtsstaat führen". Damit lässt sie sich von den Staatsanwälten in Solidarhaft nehmen, statt dass sie im Interesse des eigenen Standes etwa sagt: "Wenn es bei der Staatsanwaltschaft Unkorrektheiten gibt, werden die immer von unabhängigen Richtern korrigiert."
Matejka sollte sich vor allem bewusst sein, wie schlecht das Vertrauen in die Justiz schon war, lange bevor Kurz der Geduldsfaden gerissen ist: Laut dem APA-OGM-Vertrauensindex aus dem Herbst hat die Justiz nur einen mageren Vertrauensindex von 14, während die (von linken Medien) so oft gescholtene Polizei mit 46 Punkten an der Spitze liegt. Selbst die Finanzämter – die gemeinhin nicht als Hort der Popularität gelten – haben einen deutlich besseren Wert von 22.
Wäre ich Richtervertreter und am Ruf der Justiz interessiert, würde ich daher Tag und Nacht darüber nachdenken, warum das so ist, wie man das verbessern kann. Und ganz sicher nicht die Richter in einen Topf mit den Staatsanwälten werfen lassen oder gar selber werfen.
Den Gipfelpunkt der Skurrilität setzt aber FPÖ-Klubobmann Kickl: War er noch als Innenminister ständig im Krieg mit dem Justizministerium (siehe etwa seinen Satz: "Das Recht hat der Politik zu folgen"), so versucht er sich jetzt als dessen Amtsverteidiger. Ganz offensichtlich ist heute jede Aktion Kickls nur vom Hass auf den ÖVP-Obmann geleitet, der ihn aus der Regierung geworfen hat (Wenn Kickl so weitermacht, muss ich bald sagen: Kurz hat vielleicht damit doch Recht gehabt – obwohl ich das lange anders gesehen habe).
Zusätzliche Pointe: Die Minipartei von H.C. Strache stellt sich hingegen an die Seite von Kurz. Dort gilt wohl ein anderes Prinzip quer über alles drüber: Wenn die FPÖ "A" sagt, sagen wir "Non A" …