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Ein Handy-Verbot an Schulen ist wichtig, aber es gibt Wichtigeres

Ein verdienstvoller Verein steht von Zwangsheirat betroffenen Mädchen bei. Er schlägt nun Alarm: Die Opfer werden immer jünger. Damit wird ein Problem endgültig unübersehbar und dramatisch, das wir gerne verdrängen, weil es unsere Gesellschaft total überfordert. Aber insbesondere die Schulen wären da dringend gefordert – würden sie die Aufgabe zumindest zur Kenntnis nehmen. Geradezu bezeichnend ist, mit welchen anderen Problemen sich stattdessen die Schul-Diskussion gerade befasst. Motto: Nur ja nichts Heikles angreifen …

In der schulpolitischen Debatte wird nämlich gerade engagiert debattiert, ob der Staat oder die Schulen selber in der Pflicht sind, um strengere Regeln für die Verwendung, die Ausschaltung oder Nicht-Mitnahme von Mobiltelefonen in Schulen zu erlassen. Die Schüler- und Lehrer-Vertreter wollen das in der Schulautonomie geregelt sehen, manche Eltern-Vertreter verlangen staatliche Regeln.

Als ob die Frage wichtig wäre, wer das macht. Wichtig ist nur, dass es da strenge und wirkungsvolle Regeln gibt. Denn viel spricht dafür, dass ständige Handy-Betätigung für die Entwicklung von Jugendlichen alles andere als positiv ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass in allen Partei- und Regierungsprogrammen der letzten Jahre das Wort "Digitalisierung!" groß herausgestrichen wird (woraus man nur die Botschaft der Politik ablesen kann, dass sie auch schon im 21. Jahrhundert angekommen ist …).

Aber wenn man sich schon um die Kompetenz streitet: Im Zweifel ist immer eine subsidiäre Lösung in den Schulen besser. Weil man dort maßgeschneidert agieren kann. Und weil die Alternative wohl viel länger dauern würde, bis sich die Politik angesichts so vieler unterschiedlicher Schularten und Altersstufen auf etwas einigt, bis sich die durch ihre bürokratische Neuordnung derzeit total überforderten Bildungsdirektionen zu irgendetwas durchringen. Jede Schule ist jedenfalls heute schon suboptimal geführt, die nicht auf ihrer Homepage glasklare und konsequente Regeln für die Mobiltelefon-Verwendung fixiert und veröffentlicht hat. Auch wenn manche Helikopter-Eltern das vielleicht nicht schätzen.

Der Kompetenzstreit um Handy-Verbote ist aber jedenfalls lächerlich im Vergleich zu den Problemen mit Schülern aus nichteuropäischen Kulturen. Konkreter: zu den Problemen mit Vätern, Mütter und last not least Brüdern, deren Opfer die Töchter und Schwestern werden.

Diese Probleme sind so gewaltig und für die Opfer so dramatisch, dass hier eindeutig der Staat von der Justiz über die Polizei über die Sozialabteilungen bis zum Bildungssystem gefordert ist. Dabei geht es vor allem um drei zentrale Herausforderungen:

  1. Die Zwangsverheiratung von jungen Mädchen.
  2. Die Ausübung von Druck, damit die Mädchen verschleiert in die Schule kommen.
  3. Die Versuche, Mädchen gegen ihren Willen aus der Schule zu nehmen und in Pakistan oder sonstwo in mittelalterlichen Anstalten zu gefügigen Sexualobjekten umerziehen zu lassen, weil angeblich eine Religion oder eine Kultur das verlangt.

In allen drei Bereichen wären längst große strategische Anstrengungen der Republik absolut notwendig. Dabei geht es nicht nur um strengere Gesetze im Familienrecht wie etwa zum Heiratsalter (auch wenn die "Hochzeit" im Ausland stattgefunden hat) und um das Verschleierungsverbot.

Es muss auch um das Schulsystem gehen: Genauso wie es bei Kindergarten- und Schulkindern regelmäßig und selbstverständlich zeitaufwendige Verkehrserziehungs-Veranstaltungen gibt, sollte es ähnliche Aufklärungs- und Belehrungs-Aktionen in Hinblick auf die drei genannten Problemkreise geben.

Da dabei primär Mädchen gefährdet und zu schützen sind – während Buben meist "nur" als (Mit-)Täter in Frage kommen –, sollten die beiden Geschlechter da getrennt informiert werden. Sie sollten über das österreichische Recht informiert werden, also darüber, was alles strikt verboten ist und welche Rechte auch kleine ebenso wie erwachsene Mädchen haben. Sie sollten erfahren, dass sich jeder strafbar macht, der Mädchen zu etwas zu zwingen versucht, oder der Gewalt gegen sie anwendet, auch wenn es die Mitglieder der eigenen Familie sind.

Den Mädchen muss von Österreich etwas vermittelt werden, was ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von ihren Familien vermittelt wird: Selbstbewusstsein. sie müssen spüren, dass sie gleichberechtigte Wesen sind, dass sie ein Recht auf Selbstbestimmung im Leben haben. Zugleich müssen sie genau wissen, an wen sie sich im Ernstfall wenden können, und wo sie sofortigen und absoluten Schutz genießen werden. Ergänzend wären auch Flugblätter mit den gleichen Inhalten sinnvoll, die Mädchen auch ruhig ihren Eltern zeigen können – und sollen. Denn viele Eltern wissen oft gar nicht, dass sie sich in Österreich strafbar machen, wenn sie ihre Töchter genauso behandeln, wie sie und ihre Vorfahren einst noch ganz selbstverständlich behandelt worden sind.

Zugleich aber müssen alle Lehrer, alle Polizisten intensiv aufgeklärt werden, dass es ihre oberste Pflicht ist, einem Mädchen beizustehen, dass sich an sie wendet. Nie wieder sollen sich in Österreich die so beschämenden Fälle wiederholen: dass ein Sicherheitsorgan ein solches Mädchen zu seinen Eltern zurückschickt, dass ein katholischer Religionslehrer ein Mädchen, das sich verzweifelt an ihn wendet, zum islamischen Kollegen weiterreicht, dass Schuldirektoren die typischen Worte eines österreichischen Beamten sagen: "Nicht zuständig."

Parallel sind den Burschen intensiv die Rechte der Mädchen klarzumachen sowie das strikte Verbot von Gewalt. Sie sind ja oft nicht an sich böse, sondern werden ja oft hilflos gebeutelt von pubertären Hormonstürmen und männlichen Überlegenheitsphantasien, die ihnen Kultur oder Religion vermittelt haben.

Wer das machen soll? Sicher nicht bloß Lehrer. Gut wären Zweierteams von außen, die gemeinsam mit den Lehrern auftreten. Gut wäre jedenfalls, wenn eine Frau dabei ist, etwa aus dem Stand der Richter. Besonders wichtig wäre, wenn eine Polizeiuniform dabei ist. Und zweifellos müssten diese Teams juristisch wie psychologisch gut geschult werden.

So wichtig es ist, wenn sich das Schulsystem endlich mehr und besser um alle Hochtalentierten kümmert, so wichtig es ist, wenn die Abhängigkeit vom Handy reduziert wird, so wichtig verstärkter Akzent auf die MINT-Fächer ist: Mindestens genauso wichtig wäre es, wenn sich Österreichs Schulen auf die beschriebene Art zusammen mit Sicherheits-, Justiz- und Sozialbehörden um die Allerärmsten unter unseren Schulkindern kümmern würde. Es ist ja bei vielen der letzte Zeitpunkt, wo man sie noch erreichen kann, was in den nächsten Jahrzehnten, die sie in diesem Land verbringen werden, kaum mehr möglich sein dürfte.

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