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Wenn Frauen von ihren Männern (und umgekehrt) ständig bestätigt haben wollen, dass diese sie noch lieben, dann ist das ein sicheres Anzeichen, dass es in der Ehe längst kriselt. Das gleiche gilt für Parteivorsitzende. In Österreich wie in Deutschland.
Pamela Rendi-Wagner hat sich entschlossen, die SPÖ-Mitglieder zu fragen, ob sie an der Spitze der Partei bleiben soll. Ein seltsamer Entschluss. Denn er ist in Wahrheit nichts als ein peinliches Schwächezeichen. Ein gefestigter Parteivorsitzender mit Autorität würde niemals auf eine solche Idee kommen.
So hat etwa einst Langzeit-Parteichef Bruno Kreisky niemals die Basis um ihre Zustimmung gebeten. Er hat sich zwar durchaus plebiszitärer Methoden bedient, als in der Sozialdemokratie heftige Turbulenzen seine Autorität in Frage gestellt haben. Aber er hat nicht im Entferntesten daran gedacht, sich selbst in Frage zu stellen, sondern taktisch geschickt zur Ablenkung eine Sachfrage aus dem Hut gezaubert. Er ließ alle Österreicher über die Inbetriebnahme des eigentlich schon fertiggebauten Atomkraftwerks Zwentendorf abstimmen, gegen das die 68er Linken und die damals noch mächtige (und schon erste Ergrünungs-Spuren zeigende) Kronenzeitung massiv kampagnisiert hatten. Während nur der Gewerkschaftsflügel und die wenigen Wirtschafts- und Energie-Experten der SPÖ für das Kraftwerk eintraten.
Kreisky stellte sich zwar hinter die Position der Gewerkschaft, verknüpfte rhetorisch sogar seine Bundeskanzler-Zukunft damit – verlor aber das Referendum, weil durch diese Verknüpfung viele ÖVP-Wähler ins Lager der Zwentendorf-Gegner getrieben worden sind. Zwentendorf wurde als Folge nie in Betrieb genommen (Was für Österreich ein schwerer ökonomischer Schaden war, der teilweise die Wirtschaftskrise der 80er Jahre mitverursachte; der heute auch negative Folgen für die neuerdings als so wichtig geltende CO2-Bilanz Österreichs hat).
Aber Kreisky selbst blieb. Plötzlich redete niemand mehr von seiner Ablösung durch die schon angetretenen Kronprinzen. Die Zwentendorf-Befürworter waren für Kreisky, weil er ja für das Richtige eingetreten war; und die Gegner waren aus Dankbarkeit für ihn, weil er das Ergebnis des Referendums respektiert hat. Ergebnis: Kreisky fuhr bei der nächsten Nationalratswahl einen besonders hohen Sieg ein.
Wenn hingegen eine Parteibasis plötzlich ohne jeden für sie erkennbaren Anlass von der aktuellen Parteichefin gefragt wird "Wollt ihr mich noch?", dann ziehen viele den Schluss: So ein Parteichef ist entweder innerlich sehr unsicher, also alles andere als eine Führungspersönlichkeit, oder hinter den Polstertüren der diversen Parteivorstände herrscht so wilder Krieg, sodass sich der (die, das) Parteichef hilfesuchend an die Basis wenden muss. Die Basis liegt mit solchen Schlussfolgerungen wohl auch gar nicht so falsch.
Diese geradezu zwingende psychologische Konsequenz hat Frau Pam aber offensichtlich nicht begriffen, bevor sie die "Liebt ihr mich?"-Befragung angekündigt hat. Ganz etwas anderes wäre es natürlich, wenn die regelmäßige Befragung der Parteimitglieder über den Chef statutarische Pflicht wäre. Dann könnte niemand auf den Gedanken kommen, dass sie aus Unsicherheit gefragt werden.
Es ist zwar wahrscheinlich, dass Rendi-Wagner diese Befragung gewinnen wird. Was soll ein braver – wenn auch insgeheim an ihren Führungsfähigkeiten zweifelnder – Sozialdemokrat (ein paar wird es schon noch geben) auch sonst tun, als auf eine solche Frage "Ja" zu sagen? Er will ja die Partei nicht schädigen. Auch wenn sein "Ja" eigentlich mehr ein "Naja" ist, oder ein "Ja, ja" …
Den Menschen an der Basis wird auch gar keine Alternative zur Auswahl gelegt. Sie werden nicht gefragt: "Wollt ihr Rendi oder Doskozil oder Kaiser oder Ludwig?" Es ist ja keiner der drei SPÖ-Landeshauptleute derzeit so masochistisch, seine Provinzfürstenmacht mit jahrelanger Ohnmacht auf harten Oppositionsbänken tauschen zu wollen. Und andere Chef-Kandidaten hat die SPÖ nicht mehr.
Aber Rendi-Wagner wird das Partei-Ja zu ihrer Person überhaupt nichts nutzen. Es kann ihr nur schaden. Die Wahrscheinlichkeit ist damit nur weiter gewachsen, dass sie bei der nächsten Nationalratswahl nicht mehr SPÖ-Spitzenkandidatin sein wird.
Die Nutzlosigkeit solcher "Liebt ihr mich noch?"-Fragen hätte sie auch am aktuellen Beispiel einer anderen Frau als Parteichefin ablesen können. Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich erst Ende November ganz ähnlich plebiszitartig und überraschend an den CDU-Parteitag gewandt und dort spontan scheinbegeisterte Zustimmung zu ihrer Person eingeholt – nur um jetzt im Februar entnervt den Job hinzuschmeißen.
AKK hat inzwischen gemerkt, dass sie trotz jener scheinbaren Basis-Zustimmung große Teil der Partei nicht hinter sich hat, dass es ihr offenbar unmöglich ist, die tiefe Kluft in der Partei zu überbrücken. In der CDU stehen einander zwei Flügel unüberwindlich gegenüber:
Dieser zweite und ständig wachsende CDU-Teil kann sich auch am erfolgreichen Beispiel der ÖVP orientierten, die sich im Jahr 2000 unter Wolfgang Schüssel und 2017 unter Sebastian Kurz zu Koalitionen mit den (der AfD sehr ähnlichen) Freiheitlichen entschlossen und als Folge jeweils sehr massive Wahlerfolge errungen hat.
Es ist völlig klar: Solange diese Streitfrage nicht entschieden ist, und solange Angela Merkel als Bundeskanzlerin noch querbraten und den jeweiligen CDU-Chef desavouieren kann, solange hat die CDU keine Chance auf Erholung, sondern nur auf noch tiefere Spaltung. Wer auch immer der Frau AKK nachfolgt.
Und es ist ebenso klar, dass die SPÖ keine Chance auf Erholung hat, solange die sich dort schon viel länger hineinfressende Spaltung nicht überwunden ist. Wer auch immer auf Rendi-Wagner nachfolgt.
Sofern die SPÖ-Spaltung überhaupt überwindbar ist. Teilt sie doch die Partei geistig sogar in drei Teile:
Wie hoch auch immer die "Naja"-Zustimmung für die Frau mit dem Doppelnamen ausfallen mag: Diese Kluft bleibt. Denn dieser SPÖ kann nicht einmal eine Art Merkel-Rücktritt helfen.