22 österreichische Widerlichkeiten
13. Februar 2020 00:53
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 12:30
Ehrlichkeit ist in Politik, Justiz und Medien dieses Landes Mangelware geworden. Verlogenheit, Einseitigkeit und Zynismus sind Trumpf. Das zeigt sich in den letzten Tagen und Stunden bei bedrückend vielen Beispielen: beim Postenschacher rund um den VfGH; beim Verhalten der Europaministerin in Sachen Grundwerte; bei der medialen Ungleichbehandlung zwischen "Faschisten" und "Kommunisten"; beim Unterschied des Engagements der Staatsanwälte, wenn es einerseits gegen Schwarz, Blau oder gar Sebastian Kurz geht, und wenn es andererseits gegen Rot oder Grün geht – oder besser gesagt gehen sollte; bei den Medienreaktionen auf geheime Abhöraktionen und bei der Causa Huawei; bei lächerlichen "Hochverrats"-Prozessen; bei der Ergebnislosigkeit runder (oder eckiger) Tische; beim Unterschied, den manche Medien zwischen alten SPÖ-Justiz-Verschwörungspapieren und alten Liederbüchern machen; und bei vielem anderen.
Die Widerlichkeiten im einzelnen:
- Alle Medien der Republik melden, dass ein Grüner als nächster Verfassungsrichter in den mächtigsten Gerichtshof des Landes einrücken wird, man weiß nur noch nicht wer. Aber keine einzige Zeitung zeigt Empörung darüber, dass das von der Regierung als fix hingestellt wird, obwohl in der Verfassung absolut das Gegenteil von parteipolitischen Nominierungen steht. Es ist der Inbegriff von widerlichem Postenschacher, wenn bei einem unabhängigen Richter zuerst eine Partei feststeht, und dann erst ein Name gesucht wird. Aber Postenschacher empört die Medien offensichtlich immer nur dann, wenn ein Schwarzer oder Blauer davon profitiert. Dabei ist die Rechtsprechung – oder genauer: Rechtsschaffung – des VfGH ohnedies in den letzten Jahren ganz weit nach links gerückt. Die Beispiele reichen von der Einführung der Schwulenehe bis zur Abschaffung der Deutschlernpflicht für Mindestsicherungsempfänger. Daher würde es eigentlich dringend einen eher konservativeren Verfassungsrichter brauchen (von denen es übrigens etliche ganz hervorragende gibt …).
- Alle Medien sind hingegen voll Empörung, dass deutsche und amerikanische Geheimdienste im Kalten Krieg jahrzehntelang global abgehört haben. Alle anständigen Europäer sollten aber in Wahrheit froh sein, dass damals der Westen solche Dinge getan hat. Denn sie waren im Interesse auch unserer Sicherheit und reduzierten die Gefahr des Ausbruchs eines Krieges. Übrigens waren sich schon damals höhere Beamte durchaus bewusst, dass solche Dinge stattfinden. Bekam ich doch bei so manchem Telefonat von einem Informanten zu hören: "Darüber sollten wir aber nicht am Telefon reden, kommen Sie lieber zu mir."
- Noch eine Verlogenheit in dieser Causa CIA-BND-Crypto fällt auf: Die selben Mitmenschen, die sich darüber am meisten aufpudeln, finden gleichzeitig nichts dabei, dass Europa bereit ist, für die hochsensiblen 5G-Netze auch Technologie von Huawei einzusetzen, statt nur die der beiden europäischen Firmen Nokia und Ericson. Man würde eh vorher alles genau prüfen. Die Amerikaner, die uns heftig vor Huawei warnen, wissen wohl selbst am besten, wie leicht solche "Prüfungen" zu umgehen und auszutricksen sind …
- Seltsam verlogen ist die neuerdings bei etlichen Medien und Politikern übliche Bezeichnung der AfD als "Faschisten" und der FPÖ als "Rechtsextremisten". Ohne dass irgendwelche Gewalttaten oder ähnliches von diesen Parteien bekannt wären. Ohne dass diese Bezeichnungen durch irgendwelche anderen nachprüfbaren Kriterien legitimiert wären. Wenn Medien im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit dennoch so formulieren (was ihnen durchaus möglich bleiben soll), wären sie nur dann noch als um Objektivität bemüht ernstzunehmen, würden sie genauso die Grünen als "linksextrem", die deutsche Linkspartei als "kommunistisch" und die Sozialdemokraten als "linkspopulistisch" bezeichnen. Für all das gibt es sogar deutlich mehr Berechtigung.
- Eine überaus seltsame Drohung hat jetzt Europaministerin Edtstadler in Warschau ausgesprochen: Es werde weniger Geld geben, wenn Rechtsstaatlichkeit und Grundwerte nicht eingehalten werden. Das heißt auf EU-Deutsch: Polen und Ungarn sollen jene Gelder nicht mehr bekommen, die ihnen eigentlich zustehen, weil die einen ihren Richtern politische Äußerungen in der Öffentlichkeit verbieten, weil die anderen der Soros-Privatuniversität Probleme bereiten. Solche – bisher nur aus ganz anderen EU-Ländern und der Brüsseler Bürokratie gekommenen – Drohungen sind eine ganz üble imperialistische Attitüde. Darauf reagiert man in Osteuropa mit seinen vier Jahrzehnten Leiden unter dem sowjetischen Imperialismus (und mit gemischten Resterinnerungen an die k. und k. Zeit!) nachvollziehbarer Weise ganz sensibel. Damit hat Edtstadler auch die so dringende Wiederannäherung Österreichs an die mitteleuropäischen Nachbarn unnötig gestört, die Sebastian Kurz mit seiner Teilnahme am jüngsten Visegrad-Gipfel einzuleiten versucht hat.
- Noch einmal zur Edtstadler-Drohung: Wenn wir neuerdings schon so genau in Hinblick auf die interne "Rechtsstaatlichkeit" anderer EU-Staaten sind, dann fallen einem viel schlimmere Beispiele als die Streitpunkte mit Polen oder Ungarn ein, die Brüssel so erregen.
Zum Beispiel Spanien: Dort sind Regionalpolitiker mit drakonischen Strafen – bis zu 13 Jahren! – belegt worden, nur weil sie ein von Madrid verbotenes Referendum abgehalten haben. Sie haben weder Gewalt angewendet noch sich persönlich bereichert.
Frau Edtstadler könnte auch Italien mit einem Geldentzug wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit drohen, kommt es doch dort jetzt zu einem unglaublichen Strafprozess gegen Ex-Innenminister Salvini, weil dieser – im Konsens mit dem jetzt noch immer unangefochten amtierenden Ministerpräsidenten Conte! – das Land gegen illegale Immigranten zu schützen versucht hat. Wer in solchen Urteilen beziehungsweise Verfahren nicht die weitaus schlimmste Verletzung von Grundwerten erkennt, die es derzeit in EU-Europa gibt, der hat selber keine anständigen Werte. Der hält weder etwas von Demokratie noch vom Selbstbestimmungsrecht noch von der Meinungsfreiheit. Der begreift auch nicht, dass mit der gleichen Logik ebenso Sebastian Kurz der Prozess gemacht werden könnte. Der weiß auch wohl nicht, dass Spanien und Italien im Lauf der Jahre weit mehr Geld von der EU bekommen haben als Ungarn oder Polen.
- Entlarvend ist, dass die Staatsanwaltschaft erst jetzt aktiv wird, da auch der Bundeskanzler das gesagt hat, was seit Jahrzehnten halb Österreich weiß und kritisiert: nämlich dass manche Staatsanwälte parteipolitisch interessante Unterlagen postwendend an ideologisch nahestehende Gazetten weiterleiten. Es geht beim plötzlichen Aktivwerden also ganz offensichtlich nicht um plötzlich Besorgnis wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs durch Kollegen, sondern nur darum, Kurz zu zwingen, als Zeuge unter Wahrheitspflicht den Namen jener Journalisten zu outen, die ihm das bestätigt haben. Das würde dem ÖVP-Chef schaden und sein Vertrauensverhältnis zu Journalisten zerstören, wenn er Namen nennt.
- In Wahrheit hätte die Staatsanwaltschaft längst und zwar jedes Mal aktiv werden müssen, wenn dem Amtsgeheimnis unterliegende Aktenteile in gewissen Medien erschienen sind. Da hätte man jedes Mal problemlos feststellen können und müssen, wer Zugang zu den Akten hatte und sie weitergeben konnte. Aber da hat man sich immer Ohren und Augen zugehalten.
- Eigentlich ist schon durch dieses Vorgehen der Staatsanwälte neuerlich bestätigt, dass bei manchen von ihnen das von Kurz kritisierte parteipolitische Motiv tatsächlich im Spiel ist (Um so motiviert zu sein, muss man nicht unbedingt beim "Bund Sozialdemokratischer Akademiker" sein oder zu jenen zählen, die aus der Kanzlei Lansky in größerer Zahl in die StA gewechselt sind).
- Verlogen ist in der aktuellen Justizdebatte auch ein anderes Argument: Jener Aktenvermerk, der eine SPÖ-Verschwörung in Sachen Personalbesetzung in der Justiz enthüllt, sei ja über 20 Jahre alt, wird geätzt. Das ist zwar richtig, aber kein Argument. Wer sich etwa an den sechsfachen Lucona-Mord unter dem Schutzschirm der SPÖ erinnert, der weiß, dass die Staatsanwälte zum Unterschied von den Richtern sogar schon mehr als ein Jahrzehnt davor sehr eigenartig agiert haben: Sie wollten nämlich das Verfahren gegen den Mörder Proksch, der ein enger Freund zahlreicher SPÖ-Spitzenpolitiker war, ständig einstellen. Nur ein einsamer Untersuchungsrichter hat das verhindern können und das Verfahren in Gang gehalten, bis dann Proksch doch verurteilt werden konnte.
- Was die Sache noch widerlicher macht: Ausgerechnet unter dem blauen Justizminister Böhmdorfer hat ein deklarierter SPÖ-Mann als Strafsektionschef eine komplett neue Strafprozessordnung als Gesetz durchbringen können, die seither die U-Richter weitgehend entmachtet und die Staatsanwälte fast allmächtig gemacht hat. Und der gleiche Mann hat im Anschluss daran (neuerlich dank Böhmdorfer) viele personalpolitische Weichen stellen können.
- Die Berichterstattung und SPÖ-Verteidigungslinie in Sachen Aktenvermerk sind auch noch aus einem anderen Grund extrem verlogen: Die gleichen Medien und Politiker haben sich nicht genug aufpudeln können, als in der Bibliothek eines FPÖ-Politikers ein dort seit 14 Jahren stehendes Liederbuch mit zwei für bedenklich erklärten Liedern entdeckt worden ist. Da war die verflossene Zeit kein Argument.
- Weil wir schon bei der Staatsanwaltschaft sind: Es ist beschämend, dass sie weit mehr als ein halbes Jahr gebraucht hat, um das skandalöse Verfahren gegen einen Mitarbeiter des Bundeskanzlers endlich einzustellen, weil dieser bei der rot-blauen Abwahl von Kurz ein paar Festplatten geschreddert hat. Wie es – ohne Strafverfolgung! – ganz selbstverständlich auch die Mitarbeiter früherer SPÖ-Kanzler vor einem Kanzlerwechsel getan haben. Dieses Schreddern hat damals auch schon nach wenigen Tagen die amtsführende Bundeskanzlerin als vollkommen rechtens bezeichnet. Wenn dieses Verfahren trotz eindeutiger Rechts- und Faktenlage so lange dauert und nicht sofort (also noch vor den Wahlen!) eingestellt worden ist, dann muss einfach der dicke Verdacht aufkommen, dass man in der Staatsanwaltschaft in dieser Zeit ständig nachgedacht hat, ob man dem Kurz-Team nicht doch irgendetwas anhängen kann. Was sollen sie sonst so lange getan haben?
- Entlarvend für die Medien ist, dass ich trotz breiter Berichterstattung zu dem Thema nirgendwo den ungeheuerlichsten Satz aus dem SPÖ-Verschwörungspapier zitiert gesehen habe. Der besteht in der Beschwerde der Genossen darüber, dass sich die Richter auch wirklich unabhängig verhalten. Nichts anderes heißt ja die Passage: "Das Problem vieler Richter ist, daß es auch keine Zusammenarbeit und kein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Richtern gibt." Nein so etwas! Die Richter wollen nicht mit den Genossen zusammenarbeiten!
- Eine andere Passage aus diesem alten Papier widerlegt die jüngsten Behauptungen der Justizlobby, dass man die parteipolitischen Sympathien einzelner Justizexponenten ja nicht kenne. Zumindest der Dr. Lansky kannte diese zumindest zu Zeiten des Aktenvermerks sehr wohl. Wörtlich: "Diskutiert wird auf Anregung von Dr. Lansky, wie es passieren kann, daß z.B. im Medienrecht alle Instanzen blau sind und in manchen Fällen dies auch nachweisbar ist."
- Eindeutig verlogen ist es auch, wenn sich alle linken Medien, wie immer mit dem von Zwangsgebühren lebenden Chefideologen Armin Wolf an der Spitze, empören, dass der Bundeskanzler gewagt hat, ein Justizproblem anzusprechen. So als ob ein Regierungschef nur zum Krenreiben da ist (und nicht beispielsweise jederzeit die Abberufung eines Ministers durchsetzen kann). Eigentlich hätte man sich im Gegenteil darüber empören müssen, dass da nicht auch Finanz- und Wirtschaftsminister bei der "Aussprache" am eckig gewordenen "Runden Tisch" teilgenommen haben. Ist doch durch das überzogene Vorgehen der Staatsanwaltschaft in der Casino-Causa (das wohl primär dadurch motiviert war, dass man gegen Schwarz und Blau Stimmung machen konnte) massiver wirtschaftlicher Schaden entstanden: Als Folge gehen die Casinos Austria jetzt unweigerlich aus österreichischen in tschechische Hände über.
- Apropos Wolf: Unfassbar ist auch – selbst wenn man um die ideologische Nähe weiß –, wie dieser Mann die Justizministerin in einem ORF-Interview mit den absurdesten Aussagen durchkommen hat lassen. Zadic: "Das Vertrauen in die Justiz ist sehr hoch" (dabei ist es katastrophal niedrig, liegt die Justiz doch beim APA-Vertrauensindex bei mageren 14 Punkten, während die Polizei 46 Punkte erreicht). Oder: "Die Staatsanwaltschaft ist unabhängig und ich stehe an der Spitze der Weisungspyramide" (dabei müsste selbst einem linken Politruk auffallen, was für ein absurder Widerspruch dieser Satz in sich selbst ist).
- Frustriert muss man freilich auch über den sang- und klanglosen Ausklang dieser "Aussprache" sein.
Wo ist die konkrete Reform der Strafprozessordnung, außer der winzigen Kleinigkeit, dass künftig eine Hausdurchsuchung durch drei statt bloß einen Richter zu genehmigen ist?
Das soll alles gewesen sein, außer dass der Steuerzahler mehr für diese Staatsanwaltschaft zahlen wird müssen?
Wo ist die Pflicht der Staatsanwaltschaft festgehalten, von sich aus konsequent jeder möglichen undichten Stelle im eigenen Apparat nachzugehen (und eben nicht nur dann, wenn der Bundeskanzler darüber spricht)?
Wo ist die dringend nötige Wiedereinführung des U-Richters?
Wo ist die absolute Verfallsfrist für unendlich in die Länge gezogene Prozesse?
Wo ist die volle Entschädigung für zu Unrecht Verfolgte?
Wo sind die persönlichen Konsequenzen für unfähige oder parteipolitisch motivierte Staatsanwälte, die zahllose absurd-überflüssige Strafverfahren wegen Nichtigkeiten (etwa wegen des Zeitpunkts des Schlitzens von Wahlkuverts) führen;
die viele Existenzen beruflich, finanziell und psychisch vernichten, indem sie Verfahren über viele Jahre ausdehnen, ohne dass jemals ein unabhängiges Urteil fallen würde;
die nur bei blauem und schwarzem Postenschacher aktiv werden, aber nicht bei grünem oder rotem;
die bei der schlimmsten Korruption in diesem Land überhaupt wegschauen, weil die Hauptschuldigen bei der Medienbestechung überwiegend im SPÖ-Lager zu finden sind?
Müssen sich die Bürger wirklich damit begnügen, dass die Justiz quasi zur Privatangelegenheit einer grünen Ministerin erklärt wird, weil halt der ganze Staat jetzt so aufgeteilt ist, und die Grünen naturgemäß Null Intention haben, den wirklichen Missständen nachzugehen?
- Besonders heiter (um kein schärferes Wort zu verwenden) ist in diesem Zusammenhang die ständige Behauptung der Staatsanwaltschaft und der letzten zwei Justizminister, dass die Staatsanwälte "die Letzten" wären, die an einer Weitergabe geheimer Aktenteile ein Interesse hätten. Das Gegenteil ist wahr, selbst wenn man blauäugig ideologische Hass-Motivationen ausschließen würde. Ich erinnere mich gut an ein diesbezügliches Gespräch mit einem führenden Staatsanwalt, wo dieser die Aktenweitergabe nicht etwa als undenkbar zurückgewiesen hat, sondern sie mit dem Argument verteidigt hat, dass die Staatsanwälte ja Waffengleichheit bräuchten, weil auch die Rechtsanwälte eines Beschuldigten sehr oft in die Öffentlichkeit gehen. Dabei haben die Staatsanwälte in Wahrheit ansonsten weit bessere Waffen als die Verteidiger. Sie können auf die gesamte Polizei mit all ihren Möglichkeiten zurückgreifen; sie können Beschuldigte in Haft nehmen und abhören lassen; sie können Staatsgelder auch für dubiose Gutachter ausgeben. Beschuldigte hingegen haben nichts außer ihren Anwalt – und den nur, solange sie ihn finanzieren können. Das hat viele Beschuldigte schon Hunderttausende, ja bisweilen Millionen Euro gekostet – auch wenn sie später freigesprochen worden sind.
- Geradezu ungeheuerlich ist in diesem Zusammenhang auch die ständig mitschwingende Unterstellung gegen Rechtsanwälte, diese wären es, die Dinge in die Öffentlichkeit tragen würden, selbst wenn dies ihren Klienten schadet. Rechtsanwälte würden sich jedoch mit einem solchen Verfahren schwer disziplinär strafbar und überdies schadenersatzpflichtig machen. In vielen Fällen gibt es aber ansonsten gar keine Privatbeteiligten oder Mitangeklagte, die eventuell gegenteilige Interessen haben und Akten weitergeben könnten. Daher können es nur entweder die Rechtsanwälte des Beschuldigten sein - oder die Beamten. Eigentlich hätte die Anwaltskammer schon längst scharf gegen diese Unterstellungen vorgehen müssen. Und jedenfalls hätten die jetzt plötzlich in der Hoffnung auf ein Kurz-Bashing so munter gewordenen Staatsanwälte in jedem Fall von sich aus prüfen müssen, wie die Dinge hinausgegangen sind.
- Ziemlich lächerlich macht sich die Staatsanwaltschaft übrigens auch dadurch, dass sie jetzt allen Ernstes einen hochnotpeinlichen "Hochverrats"-Prozess vor Geschwornen geführt hat, weil ein paar Provinzspinner die Polizei aufgefordert haben, den Bundepräsidenten und andere Spitzenfunktionäre zu verhaften. Statt dass man die Betreffenden psychiatrieren lässt oder maximal wegen gefährlicher Drohung anklagt.
- Wer Kritik an der Staatsanwaltschaft für ungehörig hält oder gar als Attacke auf den Rechtsstaat ansieht, der sollte unbedingt beim langjährigen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Johann Rzeszut, nachlesen, einem honorigen Mann, der wohl mehr für den Rechtsstaat steht als viele andere derzeit so laute Stimmen. Er bezeichnet es (in einem 2016 erschienenen Buch) wörtlich als "legitim, an der Effizienz der staatlichen Strafrechtspflege zu zweifeln". Es wäre "Ausdruck unkritischer Naivität, die Gefahr sachabträglicher Cliquenbildungen und Seilschaften innerhalb der inländischen Justiz kategorisch in Abrede zu stellen". Und: die Herstellung eines Naheverhältnisses von "Gruppierungen" zur Staatsanwaltschaft "lässt sich am besten personalpolitisch durch längerfristiges und unauffälliges ,Einsickern‘ überzeugungs- und gesinnungsnaher Kandidaten in staatsanwaltschaftliche Funktionen (vor allem der Leitungsebene) bewerkstelligen". Rzeszut stellt auch genau dar, wie viel leichter es bei Staatsanwälten im Vergleich zu Richtern sei, personelle Nachbesetzungen zu lenken. Zweifellos weiß der langjährige Staatsanwalt und Richter genau, wovon er spricht. Viele andere tun das auch – allerdings sicherheitshalber hinter vorgehaltener Hand.
Was vielleicht das bedenklichste unter vielen bedenklichen Symptomen dieser Republik ist.
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