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Warum spionieren ausgerechnet die im Wiener Außenamt?

Ziemlich merkwürdig: Da findet der massivste Cyber-Angriff der Geschichte auf österreichische Regierungscomputer statt. Jedoch verstummen nach ganz kurzer Zeit alle offiziellen Informationen dazu – aber ohne dass es jemals eine Aufklärung gegeben hätte. Der Außenminister verbreitet im Parlament nur heiße Luft dazu. Aus gewöhnlich gut informierten Quellen (so umschreibt man sie doch oder?) erfährt man jedoch, wer da dahintersteckt. Aber offensichtlich ist Österreich außenpolitisch zu feige, um das auch offiziell zu kommunizieren.

Die heimische Außenpolitik scheint wieder in jenen Zustand zurückgefallen, wo man am liebsten gar keine Außenpolitik gehabt hat. Und jedenfalls will man keine Scherereien mit Russland.

Die Cyber-Attacke ist nach den Quellen, die mich noch nie falsch informiert haben, eindeutig von Russland ausgegangen. Aber gegenüber Russland hat Österreich derzeit offensichtlich wieder eine seltsame Hemmung. Wie in den Zeiten vor 1990.

Freilich gibt es noch einen zweiten Grund, warum die österreichische Regierung kein sonderliches Interesse hat, dass die Cyber-Attacke auf das österreichische Außenministerium weiter in den Medien erwähnt wird. Denn Österreich beziehungsweise das Außenministerium ist gar nicht selber draufgekommen, dass es massiv attackiert wird. Das hat die Republik erst von einem befreundeten Dienst erfahren, nämlich dem deutschen Auslandsnachrichtendienst BND.

Damit ist die Cyber-Attacke gleich eine doppelte Blamage: Das österreichische Außenministerium hat sich erstens gegen eine Spionage-Attacke nicht schützen können. Und es ist zweitens erst aus dem befreundeten Ausland überhaupt über die Attacke informiert worden. Das alles ist auch deshalb besonders unangenehm, weil ja alle österreichischen Auslandsvertretungen direkt mit dem internen System des Außenamtes kommunizieren. Was offensichtlich neugierigen ausländischen Diensten das Arbeiten erleichtert. Sie brauchen dazu ja nur eine österreichische Botschaft elektronisch abzuhören.

Diese Zusammenhänge hätten freilich einen effizienten Schutz der Kommunikationen des Minoritenplatzes doppelt notwendig gemacht. Den es nicht gegeben hat.

Der BND hat freilich nicht verraten, wie er den Russen auf die Spur gekommen ist. Der Bundesnachrichtendienst ist da traditionell schweigsam. Und ganz besonders jetzt, da er gerade selbst von linken Journalisten heftig attackiert wird, die ihm mit Hilfe der deutschen Justiz die wichtigsten seiner Aufklärungs-Methoden verbieten wollen.

Möglich ist natürlich, dass die Deutschen über die russischen Aktivitäten gegen den Wiener Minoritenplatz auch ihrerseits erst durch eine Nato-Kooperation informiert worden sind. Auch das werden sie uns nicht sagen. Die Deutschen arbeiten in Österreich jedenfalls vor allem mit dem Heeresnachrichtenamt des Bundesheers zusammen.

Das HNA des Verteidigungsministeriums ist eine besonders verschwiegene Institution, die sich zu ihrem Glück seit längerer Zeit aus allen parteipolitischen Turbulenzen heraushalten hat können, wie sie in der jüngeren Vergangenheit einen ähnlichen Dienst, den Verfassungsschutz (BVT) des Innenministeriums, so schwer erschüttert haben. Dieser ist ja von einem U-Ausschuss des Parlaments bis auf die Unterhose ausgezogen worden, was Medien viele pikante Berichte ermöglicht hat; dieser BVT hat auch alle seine geheimen Unterlagen bei einer nachträglich von einem Gericht für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft herausgeben müssen; dieser ist von einer internationalen Untersuchungskommission wie auch dem eigenen Minister öffentlich als ziemlich unfähig hingestellt worden. Daher hat niemand im österreichischen Regierungsapparat Interesse, dass die Angelegenheit breitgetreten und auch noch weiteres Versagen in Sachen Geheimdienste offengelegt wird.

Ein wenig verblüffend an den russischen Aktivitäten ist, warum sie sich ausgerechnet für die österreichische Außenpolitik interessieren. Ist diese doch ein sehr kümmerliches Pflänzchen. Zählen doch die außenpolitischen Passagen im Koalitionsprogramm zu dessen allerlangweiligsten Teilen. Und scheint doch das einzig Interessante an der österreichischen Außenpolitik bei den persönlichen Kontakten von Sebastian Kurz zu passieren.

Nur wer dabei Mäuschen ist, würde etwa erfahren, warum Kurz sich bis auf ein bisschen Migrationsrhetorik neuerdings so ganz an die Kittelfalten der früher von ihm mutig und deutlich kritisierten Angela Merkel gehängt hat. Nur dabei könnte man eine Bestätigung dafür bekommen, ob ausländische Interventionen seinen Linksschwenk im letzten Jahr ausgelöst haben. Und auch nur dabei würde man wohl aufgeklärt, ob die österreichische Ungarn-Politik mehr ist als wirres Chaos. Derzeit scheint diese nämlich ein solches zu sein, wenn die ÖVP einerseits für die absurden EU-Strafmaßnahmen gegen Ungarn eintritt, wenn Kurz andererseits wieder demonstrativ die Nähe der vier Visegrad-Länder und dabei auch Viktor Orbáns sucht.

Wie auch immer: Das russische Interesse dürfte gar nicht mit der Wünschelroutensuche nach einer konsistenten österreichischen Außenpolitik zusammenhängen, sondern mit dem Nahen Osten. Wien war ja Schauplatz der langen Iran-Verhandlungen des inzwischen von Washington abgestochenen Atomdeals. Da ist es sehr wahrscheinlich, dass in Wien noch immer etliche Informationsdrähte der europäischen Iran-Politik zusammenlaufen. Und die ist ja ein ähnliches Rätsel wie das österreichische Schwanken zwischen Berlin und Budapest – nur ein für Moskau viel wichtigeres.

Einerseits gibt es hohes (wirtschaftliches) Interesse der EU an einer Widerbelebung des toten Atomdeals mit dem Iran. Andererseits wird aus Europa ständig die Freundschaft mit den USA und Israel betont, die beide deshalb gegen das Iran-Abkommen sind, weil es die Entwicklung einer iranischen Atombombe mittelfristig nicht verhindert. Was da jetzt wirklich die europäische Iran-Politik ist, interessiert Moskau naturgemäß sehr. Und ob es überhaupt eine solche gibt.

Auch wenn der genaue Grund des russischen Interesses am österreichischen Außenministerium nicht wirklich beweisbar ist, so ist jedenfalls Tatsache: Russland ist nahostpolitisch aktiver und interessierter denn seit Jahrzehnten. Sowohl bei den Krisen rund um Syrien, Irak und den Iran, wie auch beim Libyen-Krieg ist intensive russische Aktivität zu beobachten. Eine "Vermittlungs"-Runde jagt die nächste.

  • So hat Moskau mehrfach mit den Europäern Wege zur Rettung des Iran-Abkommen besprochen.
  • So haben sich vor wenigen Tagen die Geheimdienstchefs der Türkei und Syriens in Moskau getroffen.
  • So ist eine russische Söldnertruppe in Libyen an der Seite von General Haftar aktiv im Kampfeinsatz.
  • So ist die ukrainische Passagiermaschine in Iran mit russischen Raketen abgeschossen worden.
  • So hat Russland großes Interesse an einer ständigen militärischen Präsenz in Syrien und an der Beibehaltung seines Mittelmeerhafens auch nach einem Ende des syrischen Bürgerkriegs.

Worin wurzelt das große russische Interesse am Nahen Osten? Ist das doch sehr kostspielig. Verschlechtert sich die russische Wirtschaftslage doch in den letzten Jahren ständig. Gibt es doch zumindest in Syrien auch keine guten Geschäfte zu machen.

Aber die Vermutung ist groß, dass Moskau durch das Vakuum einfach reflexartig angezogen wird, das der amerikanische Rückzug aus Teilen des Nahen Osten auslöst. Da reizt wohl der Gedanke, künftig selbst zur führenden regionalen Ordnungsmacht zu werden.

Den USA hingegen, die früher im Nahen Osten den Weltpolizisten gegeben haben, genügen unter Donald Trump die exzellenten Beziehungen zu ein paar wichtigen Partnern: zum auch innenpolitisch wichtigen Israel, zum ölreichen Saudi-Arabien und notgedrungen zum bevölkerungsreichen und wichtigen, aber armen Ägypten, das sie weiterhin finanzieren, damit es dort stabil bleibt. Aus all diesen Gründen bleiben sie in strategischer Feindschaft zum expansiven Iran, der Israelis wie Saudis bedroht.

Sonst aber ist das amerikanische Interesse weitgehend erloschen: Sie ziehen sich lustlos aus dem syrisch-türkisch-kurdischen Konflikt zurück. Sie überlassen das Großproblem Libyen großzügig den Europäern. Liegen diese doch auch in unmittelbarer Nachbarschaft. Und sind diese doch durch die Migrantenströmen aus Libyen direkt bedroht.

Aber zweifellos beobachten die Amerikaner nun mit gewisser Schadenfreude, wie unfähig sich die mit verbalen Ratschlägen an Washington immer so freigiebigen Europäer in Libyen und erst recht in Syrien erweisen. Und sie sehen auch mit Freude, wie sehr in Syrien die Türkei und Russland aneinandergeraten. Dass dabei auch die langjährigen eigenen Verbündeten, die Kurden, zum Opfer werden könnten, ist Trump offensichtlich egal. Für ihn zählen nur amerikanische Interessen.

Im Nahen Osten ist gleichzeitig mindestens ein halbes Dutzend Schachspiele auf dem gleichen Spielbrett in Gang. Niemand hat da noch einen Über-, geschweige denn Durchblick. Da wäre es nicht unlogisch, wenn Moskau auf der Suche danach seine Nase auch in Wiener Außenamts-Akten zu stecken versucht. Es wäre aber mehr als überraschend, wenn die Russen nach deren – mutmaßlichem – Studium einen besseren Durchblick haben sollten.

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