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Grüne geben schon offen zu: Es wird Streit wie bei Rot-Schwarz geben

Ein prominenter Grüner hat schon Stunden nach Veröffentlichung des Regierungsprogramms klargemacht, dass dieses nicht viel zu bedeuten habe, dass jetzt der politische Grabenkrieg erst so richtig beginnen wird. Und er hat absolut recht damit. Denn jetzt sitzt Sebastian Kurz in der Falle: Er kann nach Rot und Blau nicht auch noch die Koalition mit den Grünen vorzeitig sprengen. Nach Eintritt in die Regierung können ihn die Grünen problemlos erpressen. Sie werden bei keinem der – durchaus vorhandenen – positiven Punkte des Regierungsprogramms zustimmen, wenn sie nicht gleichzeitig auch einen ihrer (in den Augen der meisten Österreicher) giftigen Punkte durchbringen. Es lässt jedenfalls schon sehr tief blicken, mit welcher Gesinnung die Grünen schon vor der Angelobung der neuen Regierung in diese hinein gehen.

Die entlarvenden Aussagen stammen von Michel Reimon auf Facebook. Er war bis vor wenigen Monaten EU-Abgeordneter der Grünen. Sie lauten wörtlich:

"Jetzt geht das Verhandeln erst so richtig los. Die ÖVP wird bei der Umsetzung jeder einzelnen ökologischen Maßnahme bremsen und versuchen, sie abzuwenden. Und wir werden das bei jeder Grauslichkeit in anderen Bereichen so machen. Das wird mehr an die alte große Koalition erinnern, als uns allen lieb sein wird. Aber es gab auch Zeiten, wo die was zusammengebracht und das Land verbessert hat, das müssen wir uns als Ziel setzen."

Deutlicher kann man es nicht sagen, wie die grüne Taktik jetzt ausschauen wird. Dabei wäre selbst ohne solche destruktiven Absichten völlig klar, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmal die Hälfte des im Regierungsprogramm Stehenden jemals in der Wirklichkeit ankommen wird – selbst wenn Sebastian Kurz und Werner Kogler fünf Jahre gemeinsam in der Regierung bleiben sollten.

Ein Koalitionsprogramm ist nämlich viel weniger wert als Fahrpläne für Bahn oder Flugzeuge – und auch diese werden ja oft nicht eingehalten. Ein Koalitionsprogramm ist letztlich nur eine unverbindliche, nicht einklagbare Absichtserklärung. Viele darin angekündigte Dinge werden nicht nur mit Verspätung ankommen, sondern überhaupt nie starten.

So dick das Programm ist, so sehr ist es doch nur eines: eine Ansammlung von unendlich vielen Überschriften, die wie ein schnell hingekritzeltes Stenogramm wirken. Viele Punkte werden noch viel mehr als neue dreimonatige Klausuren benötigen, bis aus ihnen – eventuell – Wirklichkeit wird. Eine Unzahl von Ministerialbeamten, Legisten, Parteigremien, Ämtern, Interessenvertretungen, sogenannten und wirklichen Experten, Begutachtungs-Stellungnahmen, von Parlamentsausschüssen, von medialen und oppositionellen Querschüssen liegt noch auf dem Weg, bis vielleicht einmal auch das Kleingedruckte feststeht, also bis ein genaues Gesetz vorliegt. Und dann werden erst recht der Verfassungsgerichtshof und die diversen EU-Instanzen vieles von dem Beschlossenen wieder in der Luft zerreißen. Sie haben sich ja alle schon in den letzten Jahren als Überregierung und Vorgesetzte des demokratischen Gesetzgebers sowie als Mehrheitsbringer der Linken profiliert.

Dazu kommen jetzt also noch offene Bekundungen des bösen Willens wie jene von Reimon. Das kann jene Österreicher ein wenig aufatmen lassen, die erkannt haben, welche schlimme Absichten in dem Regierungsprogramm stecken, wie etwa die einer weitgehenden Abschaffung der Meinungsfreiheit Richtung eines autoritären Staates. Vielleicht ist das Ganze doch nur ein vorübergehender Spuk. Das sollte umgekehrt auch jene ernüchtern, die sich an die positiven Punkte im Regierungsprogramm klammern, oder die voll bürgerlicher Naivität noch immer an Sebastian Kurz glauben, obwohl er sich von Monat zu Monat weiter von seiner einst so eindrucksvollen konservativen Position wegbewegt hat, und die vertrauensvoll meinen, solange er dabei ist, könne ja nichts Böses herauskommen.

Je mehr man im Programm liest, umso klarer wird, dass es von vornherein gar nicht ernst gemeint sein kann. So viele neue Ausgaben sind in diesen 326 Seiten enthalten (bis hin zum Bau eines neuen großen Nationalstadions!), dass kein vernünftiger Mensch glauben kann, dass sie jemals alle verwirklicht werden. Ganz abgesehen von der Vielzahl neuer Behörden, Gremien und Organisationen, die da vorgesehen sind – und die alle einstigen Versprechungen von Sebastian Kurz ad absurdum führen, dass dem Bürokratie-Dschungel und der Überregulierung der Kampf angesagt werde.

Dennoch wollen wir uns zwingen, zur Vermeidung von Depressionen heute einmal nur die 15 wichtigsten Positiva herauszuheben, die diese Koalition zumindest theoretisch ankündigt. Mit den vielen Negativa werden wir uns ohnedies noch viel länger beschäftigen müssen. Freilich gibt es auch beim Positiven nur wenig, wo man nicht gleich einschränkende und skeptische Anmerkungen machen müsste.

  1. Die Senkung der Körperschaftssteuer (also jener Gewinnsteuern, die Kapitalgesellschaften zahlen müssen, bevor dann Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter bedient werden, die neuerlich dafür Steuern zahlen müssen) von 25 auf 21 Prozent.

    Diese Senkung ist zwar nicht das, was viele Wirtschaftsexperten empfohlen haben – beträgt dieselbe Steuer beispielsweise in Ungarn nur 9 Prozent! – aber diese Senkung ist doch ein Trostpflaster für die Firmen und sie ist vor allem deshalb wichtig, weil sie zugleich von einer langen Liste ökologischer Schikanen bedroht sind, die es anderswo nicht gibt; und weil weiterhin das Damoklesschwert einer CO2-Abgabe über ihnen schwebt.

  2. Das Kopftuchverbot bis zum 14. Lebensjahr.

    Das ist an sich eine eindeutig positive Maßnahme, wobei freilich zwei gravierende Fragen offenbleiben. Erstens: Warum hat das die ÖVP eigentlich nicht schon beim letzten Mal unterstützt, sondern nur für die einschlägig wenig relevanten Kindergärten und Volksschulen? Das kann ja nicht an der FPÖ gescheitert sein. Zweitens: Warum kommt nicht das Kopftuchverbot gleich für alle Schulen und Bildungseinrichtungen, wie es das bis zum Beginn der Erdogan-Diktatur sogar in der einst demokratischen – und der Menschenrechtskonvention unterliegenden! – Türkei (einschließlich der Universitäten!) gegeben hat?

  3. Die deutliche Aufstockung der Polizistenzahl.

    Wenn sie denn kommt und nicht durch den Zustand der Staatsfinanzen relativiert wird, ist das eine Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Österreicher. Jedoch hätte man das auch billiger haben können: durch mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum, wie sie es mit großem Nutzen und großer Zustimmung in vielen Ländern gibt (was man mit Hilfe der FPÖ sogar gegen Sabotageversuche des in letzter Zeit stramm links entscheidenden Verfassungsgerichtshofs abschirmen hätte können). Außerdem haben die Grünen eine besonders giftige Passage eingeschleust: Es müsse mehr Polizisten mit Migrationshintergrund geben. Das droht zu Verhältnissen wie etwa in der islamisch-sozialistisch regierten Stadt London zu führen, wo von Moslems geführte Einheiten christliche Aktivisten wegen Kritik am Islam verhaften.

  4. Es gibt einen starken Akzent auf das Pflege-Problem, wobei besonders erfreulich ist, dass auch auf die pflegenden Angehörigen und die Dimension der häuslichen Pflege eingegangen wird.

    Allerdings muss man bei diesem Kapitel schon sehr zögern, es in die Liste des Positiven aufzunehmen. Denn es fehlt jede seriöse Angabe, wie die Kosten gedeckt werden, wie die von Kurz so gerühmte "Pflegeversicherung" finanziert wird. Im Text findet sich nur die Hohle-Luft-Formulierung "Bündelung und Ausbau der bestehenden Finanzierungsströme".

  5. Bei "Krisen im Bereich Migration und Asyl" kann jeder Koalitionspartner nach Scheitern der Gespräche in der Regierung einen Initiativantrag im Parlament einbringen.

    Diese – völlig ungewöhnliche – Schaffung eines koalitionsfreien Raumes zumindest in einem absoluten Schlüsselbereich eröffnet die Möglichkeit einer Reaktivierung der schwarz-blauen Koalition gerade bei einem Thema, wo die beiden bürgerlichen Parteien einander besonders ähnlich sind. Dabei bleibt naturgemäß offen, ob und wie die FPÖ die Rolle als Lückenbüßer auch zu erfüllen bereit sein wird. Allerdings wird sie sich schlecht einer migrationsbremsenden Maßnahme verschließen können, die an den Grünen gescheitert ist.

  6. Die Wiedereinführung der Generalsekretäre als Spitzenbeamte eines Ministeriums, die sich ein Minister frei aussuchen kann.

    Das erhöht zweifellos die Effizienz des Regierens und der Führung eines Ministeriums. Es kann ja nicht sein, dass ein Minister für alles in seinem Ressort haftbar gemacht wird, sich aber nicht einmal einen einzigen Spitzenbeamten frei aussuchen kann.

  7. Es wird ein einklagbares Recht auf Informationsfreiheit geben, sofern Schwarz und Grün eine Verfassungsmehrheit für die Abschaffung des "Amtsgeheimnisses" finden.

    Das klingt wunderbar – ist aber in Wahrheit weit weg von den Notwendigkeiten echter Transparenz in diesem Bereich, wie sie hier aufgelistet worden sind. Weiterhin werden die ärgsten Sauereien nicht angesprochen (Inseratenkorruption, Direktvergabe von Aufträgen, Subventionen). Die Koalition will auch weiterhin keine Transparenz ermöglichen, wenn "behördliche Entscheidungen" geschützt werden sollen. Aber genau solche Entscheidungen sind ja oft das Vehikel für Korruption und Schiebungen. Außerdem wird der – komplett von SPÖ-Beamten beherrschten – Datenschutzbehörde ausdrücklich ein Mitsprachrecht eingeräumt. Und jedes raffinierte Amt wird künftig halt unter Verweis auf den Datenschutz jede Transparenz verweigern …

  8. Neuaufstellung des Verfassungsschutzes BVT.

    Das ist an sich dringend notwendig. Das hat übrigens auch Herbert Kickl vorgehabt. Nur ist eine Neuaufstellung keineswegs eine Garantie, dass nachher die Dinge besser werden. Viele andere Passagen des Koalitionsprogramms lassen sogar befürchten, dass das BVT überhaupt zur Speerspitze der Linken in ihrem ideologischen "Kampf gegen Rechts" gemacht werden soll. Und keineswegs zur Abwehrwaffe gegen die wirklichen Bedrohungen für Österreich.

  9. Vieles im Justizkapitel klingt positiv (Verlängerung des derzeit sechsmonatigen Gerichtsjahrs auf neun Monate; eventuelle Senkung der horrenden Gerichtsgebühren; Neuregelung der völlig schiefgegangenen "Doppelresidenz" von Scheidungskindern; der von manchen geforderte Generalstaatsanwalt kommt nicht).

    Dennoch überwiegen auch hier die Vorwürfe: Der dringende Handlungsbedarf ob der Fehlentwicklungen in der Staatsanwaltschaft ist bei der Koalitionsspitze offensichtlich geistig noch überhaupt nicht angekommen, obwohl sich die Staatsanwälte insbesondere seit der Neuordnung der Strafprozessordnung zu einem Staat im Staat entwickeln. Und die neue Justizministerin ist eine besonders linke Grüne.

  10. Der Familienbonus (also die Reduktion der zu zahlenden Steuer) wird pro Kind von 1500 auf 1750 Euro jährlich erhöht. Bei Nichtsteuerzahlern macht er mindestens 350 Euro (statt 250) aus.

    Das ist rundum positiv, aber wie bei allem, was Geld kostet, sollte man doppelt genau warten, ob es auch wirklich kommt.

  11. Die oft absurde Mehrfachbestrafung bei Verwaltungsdelikten wird zurückgedrängt.

    Sie wird allerdings nicht ganz abgeschafft, sondern nur einer "Verhältnismäßigkeitsprüfung" unterworfen, was statt einer klaren gesetzlichen Regelung auf jahrelange gerichtliche Klärung warten lassen wird.

  12. Verbot von Zwangsheirat und Frauenhandel.

    Das ist natürlich zu unterstützen – nur: Was ist da nicht schon jetzt verboten? Dringlich wäre es jetzt vielmehr, auch strengere Prüfpflichten bei Standesbeamten, Grenzbeamten und Imamen einzuführen, damit man solche Dinge überhaupt entdeckt.

  13. Verbot von Zweitwohnsitzen im Gemeindebau und in geförderten Mietverhältnissen.

    Das ist absolut richtig, zumindest solange wirklich ein klarer Unterschied zwischen Wohnungen gemacht wird, wo Steuergeld drinnen steckt, und völlig frei finanzierten. Man darf nur gespannt sein, wieweit die Gemeinde Wien – wo solche Dinge ja primär passieren – da nicht noch die Wiener Grünen unter Druck setzen wird, damit das nicht kommt.

  14. Halbierung der Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel.

    Wie jede Steuersenkung ist das an sich positiv, aber in Wahrheit ein massiver Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip. Denn wieso werden Dinge, die jede Frau braucht, begünstigt, aber nicht Dinge, die jeder Mann braucht (Rasierer, Klingen, Rasierwasser zum Beispiel)?

  15. Ausbau der Deutschförderklassen und Wechsel von der Schulpflicht zur Bildungspflicht.

    Beides ist an sich positiv, aber weiterhin fehlen die noch viel wichtigeren Maßnahmen, wie man Migranten überhaupt dazu bringt, ihren Kindern schon frühzeitig intensiv Deutsch beizubringen, und wie man Jugendliche dazu bringt, die Bildungspflicht nicht als bequeme Hängematte zu missbrauchen, möglichst lange in der Schule zu bleiben, ohne sich anzustrengen.

Zu den – leider überwiegenden – Negativa des Programms mehr in den nächsten Tagen.

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