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Am schlimmsten ist, was fehlt

Im Koalitionspakt wimmelt es von unguten Überregulierungen, unklaren Formelkompromissen, sprachlichen Schlampereien und schlimmen Bedrohungen der Meinungsfreiheit. Zugleich kommt es schon in den ersten Stunden trotz aller PR-Einsätze von Bundes- und Vizekanzler zu einer wachsenden Zahl offener Meinungsverschiedenheiten. Dennoch: Das Schlimmste an dem Pakt ist das, was trotz seiner exorbitanten Länge von 326 Seiten nicht drinnen steht. Also das, wo hinter dem vielen Überflüssigen und Wichtigmacherischen des Koalitionspaktes offensichtlich nicht einmal die Absicht besteht, wichtige Herausforderungen anzugehen oder auch nur darüber nachzudenken. Vor allem dort besteht absoluter Unwille zu denken oder  zu handeln, wo die eigenen Interessen, die eigene Macht der Politik eingeschränkt würde.

Das größte Schwarz-Grüne Loch ist zweifellos das Pensionsthema. Schwarz und Grün wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass eine ständig steigende Lebenserwartung und die auf dem Kopf stehende Alterspyramide eine Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters dringend erforderlich machen. Dies umso mehr, als auch weit und breit kein ausreichender Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte zu erwarten ist, denn diese ziehen lieber anderswo hin, wo die Steuern niedrig sind, wo sie nicht einen exorbitanten Sozialstaat finanzieren müssen. Ganz offensichtlich verwendet diese Regierung das Wort Nachhaltigkeit nur als rhetorische Pflichtübung. Denn der künftige Kollaps einer Altersversorgung auf dem heutigen Niveau ist zum Unterschied vom grünen Propagandaschmäh eines Klimatods der Welt eindeutig berechenbar. Die Koalition fürchtet einfach alles Unpopuläre und spekuliert, dass die schlimmen Folgen erst unter Nachfolgregierungen schlagend werden.

Nichts findet sich trotz hunderter vollgeschriebener Seiten zur direkten Demokratie. Dabei haben sowohl Schwarz wie Grün diese in der Vergangenheit selbst gefordert. Dabei ist sie im letzten Regierungsprogramm noch gestanden – wenn auch schon damals in ungut verdünnter Form. Dabei ist von direktdemokratischen Entscheidungen der Bürger viel eher als von durch die Bank populistisch-opportunistisch agierenden Parteien zu erwarten, dass sie mutig und verantwortungsbewusst agieren. Was etwa das Schweizer Beispiel beweist. Wir sehen: Was auch immer VOR der Macht versprochen wird, wird gerne vergessen, sobald man AN der Macht ist, zumindest dann, wenn dadurch diese Macht eingeschränkt würde.

Nirgendwo wird die Abschaffung der Stillen Progression auch nur angedacht. Die Stille Progression ist das Steigen der Steuerlast bei gleichbleibendem Realeinkommen als Folge der Inflation. Zwar ist sicher die Senkung der Einkommensteuerstufen kurzfristig positiv. Aber ohne Ende der stillen Progression wird die Politik bald wieder von der Inflation profitieren. Wieder gilt: Sobald man an der Macht ist ...

Nichts findet sich auch zu einem Abbau des Gebührenzwanges für ORF und Arbeiterkammer. Obwohl die ORF-Fernsehprogramme von immer weniger Menschen gesehen werden, obwohl die Einseitigkeit des ORF immer schlimmer wird, obwohl die Arbeiterkammer überhaupt nutzlos ist außer als Wahlhelfer für die SPÖ. Sind Schwarz und Grün zu feige, um das anzugehen? Oder glauben sie, vom Istzustand profitieren zu können? Oder ist ihnen alles wurscht, was nur die Bürger trifft, nicht das eigene Machtpouvoir?

Nichts findet sich in Richtung auf ein Verbot der Medienbestechung aus Steuergeldern, beziehungsweise zu einer Pflicht, Inserate und Kooperationen mit Zeitungen nur noch nach korrekter Ausschreibung und unabhängiger Überprüfung zu vergeben, ob diese Inserate überhaupt nötig sind. Und wieder zeigt sich: Sobald man an der Macht ist, erfreut man sich sofort der Möglichkeiten, diese Macht zu missbrauchen, und denkt nicht an deren Abschaffung.

Nichts findet sich in Richtung auf eine Abstellung der Missstände in der Staatsanwaltschaft. Im Gegenteil: Die neue Justizministerin profiliert sich als Unterstützerin der Fehlentwicklung einer immer mächtiger werdenden Staatsanwaltschaft.

Nichts steht auch im Koalitionspakt beim Kapitel Forschung, ob es auch für nicht ideologisch korrekte Forscher gleichberechtigte Chancen gibt, also etwa auch für die vielen wissenschaftlichen Kritiker der Klimahysterie-Behauptungen oder für Atomphysiker.

Nichts steht auch über ein Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen und andere Beamte. Obwohl das die ÖVP schon vor der Wahl gefordert hat. Obwohl das (sogar) vom EU-Gerichtshof ausdrücklich erlaubt worden ist. Obwohl mehrere Nachbarländer schon ein solches haben. Lieber setzt man auch da den Streit gleich fort.

Bei einem einzigen Punkt scheint es sehr positiv zu sein, dass nichts im Koalitionsprogramm steht: in Hinblick auf das Auslaufen des bis Jahresende befristet von 50 auf 55 Prozent erhöhten Spitzensteuersatzes. Es wäre sehr positiv, wenn dieses ungute Signal wirklich verschwinden würde, das ja bei etlichen Investitionen zu einer Entscheidung gegen Österreich führt, ist doch Österreich von mehreren Ländern umgeben, die selbst für hohe Einkommen Einheitssteuersätze von deutlich weniger als 20 Prozent haben. Und die daher entsprechend boomen und von Investoren gestürmt werden. Zwar sind derzeit nur recht wenige Einkommen von diesen 55 Prozent betroffen (erst ab einer Million jährlich). Aber im Laufe der Zeit werden naturgemäß immer mehr Einkommen die Grenze erreichen.

Doch Vorsicht bei voreiligem Lob: Es steht auch nichts im Koalitionspakt, dass man sich über das Auslaufen dieser 55 Prozent einig ist. Das hätte man aber sicher hineingeschrieben, wenn das der Fall wäre. Für eine dreihundertsiebenundzwanzigste Seite wäre ja wohl auch noch Platz zu finden gewesen.

Ich wäre daher keineswegs überrascht, wenn auch darüber in wenigen Monaten erbitterter Streit ausbricht. So wie über vieles anderes.

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