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Vor 25 Jahren ist Österreich der EU beigetreten. Das war – und ist auch aus heutiger Sicht – eine absolut richtige Entscheidung. In vielerlei Hinsicht völlig falsch war und ist jedoch der Weg, den die EU in den letzten 20 Jahren gegangen ist. Diese zwei Aussagen sind nur scheinbar ein Widerspruch.
Für Konsumenten, Arbeitsplätze, Industrie, Handel und auch die in den 90er Jahren recht skeptische Landwirtschaft war der Beitritt ein großer Vorteil. Zwar sind Was-wäre-wenn-wir-nicht-beigetreten-wären-Berechnungen naturgemäß nur hypothetisch. Aber es scheint völlig eindeutig, dass ohne Mitgliedschaft vieles in Österreich ökonomisch schlechter gelaufen wäre, dass der Wohlstand deutlich geringer wäre. Hatten sich doch schon ab den 80er Jahren die Krisensymptome gehäuft, man denke an die Pleiten der Staatsindustrie oder die Talfahrt des größten österreichischen Bankenkonglomerats.
Gewiss ist auch, dass die gute Entwicklung seither nicht nur mit den Vorteilen des EU-Beitritts zusammenhängt, sondern auch mit dem Kollaps des Kommunismus ein paar Jahre davor. Dadurch war die Republik plötzlich von einer Randlage in einer stacheldrahtumgebenen Sackgasse ins Zentrum Europas gerückt. Aber diese Öffnung wirkte sich für Österreich nur wegen des EU-Beitritts so besonders segensreich aus, sonst hätten sich die vielen Tausenden österreichischen Unternehmen, die in Mittelosteuropa so erfolgreich aktiv geworden sind, viel schwerer getan. Sonst hätte Österreich nicht so leicht von den Hunderttausenden hochqualifizierten Arbeitskräften profitieren können, die in Österreich tätig geworden sind und viel zum Wohlstand eines Landes beigetragen haben, das ja Tausende überflüssige Politologen, Publizisten & Co ausbildet, aber zu wenig Fachkräfte..
Die Vorteile einer Zollunion, einer Wirtschaftsgemeinschaft und eines völlig offenen Binnenmarktes – also der europaweiten Globalisierung – wären auch dann gewaltig, wenn keinerlei (Kohäsions-, Struktur-, usw.) Geldflüsse zwischen den einzelnen EU-Ländern flössen. Zwar sind diese Gelder bei den Empfängerländern enorm populär, aber in Wahrheit haben sie den Reformdruck reduziert, die eigene Wettbewerbsfähigkeit rasch zu erhöhen.
Es ist ja kein Zufall, sondern ökonomisch völlig logisch, dass heute Tschechien, Ungarn, Polen, die Slowakei und die baltischen Staaten viel besser auf eigenen Beinen stehen können und viel bessere Wirtschaftsdaten haben als die Gebiete der einstigen DDR. Obwohl diese ein Vielfaches an Unterstützung erhalten haben – nämlich nicht nur vom europäischen, sondern zusätzlich auch vom deutschen Steuerzahler. Wie jede Entwicklungshilfe führen diese allzu großen Strukturhilfen zusammen mit einem hochausgebauten Wohlfahrtssystem zu einer Art Hospitalismus, also dazu, dass man dauerhaft von der Hilfe anderer abhängig bleiben und nicht selbstverantwortlich handeln will.
Ein ganz typisches Beispiel ist der ständig laut beklagte Fachkräftemangel in Österreich oder Deutschland. In einem echten Binnenmarkt würden etwa längst Hunderttausende Spanier, Italiener oder Griechen hier arbeiten – statt daheim in der sozialen und in hohem Ausmaß EU-finanzierten Hängematte zu liegen. Man schaue sich nur die Quote der Jugendarbeitslosigkeit an (sie misst die Zahl der 15- bis 24-Jährigen Arbeitslosen als Anteil der Erwerbspersonen der gleichen Altersklasse). Sie betrug im letzten Oktober:
Diese Daten sind ein eindeutiger Beweis, dass in Südeuropa die EU-Hilfen und der dadurch ermöglichte Wohlfahrtsstaat überdimensioniert sind. Sind doch in der ganzen Geschichte junge Menschen dorthin gewandert, wo man gut verdienen kann und wo man sie gebraucht hatte (das war jahrhundertelang vor allem in Nordamerika und Australien der Fall). Die Südeuropäer haben das hingegen in der EU nicht mehr nötig.
Die viel zu große, ja falsche EU-Unterstützung für die Südeuropäer hat nach der Jahrtausendwende jedoch noch dramatisch zugenommen. Zu den direkten Zahlungen aus dem EU-Budget ist die Hilfspolitik der Europäischen Zentralbank gekommen. Seit Euro-Staaten ihre Anleihen problemlos durch die EZB-Gelddruckmaschinen finanziert bekommen, seit sie überdies fast keine Zinsen zahlen müssen, ist fast jeder Druck von den Südeuropäern genommen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Wohlfahrtsausgaben zu kürzen. Das beraubt seit zehn Jahren alljährlich die europäischen Sparer in den nördlichen EU-Staaten und führt zugleich zu einem ständigen steilen Anstieg der Immobilienpreise, sodass sich junge Paare fast keine Wohnung mehr kaufen können.
Das ist aber noch keineswegs die schlimmste Fehlentwicklung der EU in den letzten 20 Jahren. Noch viel schlimmer ist der unheilvolle Drang zur Zentralisierung und ständig zunehmenden Akkumulierung von Macht und Kompetenzen auf europäischer Ebene. Denn er erstreckt sich nicht nur auf die Währungspolitik, sondern findet auch auf fast allen anderen Politikfeldern zugleich statt.
Die EU-Zentralen im Machtdreieck Brüssel-Luxemburg-Straßburg fühlen sich nicht mehr als Agentur, die von 27 souveränen Staaten zur Erledigung und Regelung konkret übertragener Aufgaben eingesetzt worden ist. Sie fühlen sich längst schon als "die" Regierung Europas, als Vorgesetzte dieser 27 Staaten, die sie an eine immer kürzere Leine nehmen.
Angefangen hat vieles vor genau 20 Jahren ebenfalls rund um den Jahreswechsel – was also noch ein sehr rundes, wenn auch für Europa beschämendes "Jubiläum" bedeutet. Am Beginn des Jahres 2000 hat Österreich gewagt, eine Regierung zweier Rechtsparteien zu bilden. Obwohl diese auf völlig demokratischem und rechtsstaatlichem Weg ins Amt gekommen war, glaubten sich die anderen EU-Mitgliedsstaaten befugt, gegen Österreich Sanktionen zu verhängen. In ihrer linksdominierten Dummheit haben die 14 (damals hatte die EU nur 15 Mitglieder) nicht begriffen, dass das nur zu einer massiven Stärkung der Unterstützung der Österreicher für die Rechtsregierung führen wird.
Aber die Sanktionen im Jahr 2000 waren ein fast noch harmloser Anfang eines europäischen Irrwegs. Denn damals war die EU-Kommission selber noch demonstrativ neutral geblieben. Damals haben nur die anderen Mitgliedsstaaten selbst (unter Koordinierung der Sozialistischen Internationale und des sozialistischen Präsidenten des EU-Rates) agiert.
Heute ist die EU einen Schritt weiter – fast muss man hinzufügen: Richtung Abgrund. Denn heute ist die EU-Kommission selber Betreiber von Strafmaßnahmen gegen Ungarn und Polen, weil sie vom linksliberalen Mainstream nicht goutierte Regierungen gewählt haben. Das Verhalten der EU-Kommission und des EU-Parlaments ist so, wie wenn die schwarz-blaue Regierung Kurz die Gemeinde Wien sanktioniert hätte, weil dort eine rot-grüne Stadtregierung amtiert.
Wie sehr die EU den Charakter einer ideologischen Diktatur angenommen hat, kann man am besten im Vergleich sehen. Denn den Polen und Ungarn werden im Grund lächerliche Delikte einer Qualität vorgeworfen, wie man sie auch in vielen anderen Ländern finden kann. Diese Delikte verstoßen in Wahrheit gegen kein einziges konkretes EU-Gesetz:
Dennoch empört sich die EU-Kommission wegen solcher Delikte über die beiden Mitgliedsstaaten. Sie hat darin kurzerhand Verletzungen eines allgemeinen, nie näher definierten Rechtsstaatsprinzips zu sehen behauptet. Im Grund ist völlig klar: Mit einer solchen Argumentation lässt sich jede totalitäre Herrschaft begründen. Denn diese beginnt, wo der uralte Rechtsgrundsatz verletzt wird: Nullum crimen sine lege. Es kann nicht etwas ein Verbrechen sein, was nicht durch ein Gesetz als solches bezeichnet wird.
Hingegen gibt es keinerlei Bestrebungen der EU-Kommission, zwei andere Mitgliedsländer in gleicher Weise zu pönalisieren, obwohl in beiden Ländern Regierungschefs direkt in Mordaufträge gegen missliebige Journalisten verwickelt sind. Das verstößt wohl viel direkter gegen das postulierte Rechtsstaatsprinzip. Dennoch läuft gegen die Slowakei und Malta kein vergleichbares Verfahren.
Warum? Viele Europäer sind überzeigt, dass das damit zusammenhängt, dass beide Mordverdächtige sozialistische Regierungschefs sind. Ebenso war ein weiteres sozialistisch regiertes Land jahrelang im Leo, nämlich Rumänien, obwohl es zweifellos das Land mit der schlimmsten Korruption in Europa ist, wodurch auch viele EU-Gelder verschwendet werden.
Stundenlang könnte man die Felder aufzählen, auf denen sich die EU in den letzten Jahren in Staaten, Provinzen und Gemeinden eingemischt hat. Der Bogen reicht vom Naturschutz über die Wassermenge in Klospülungen bis zum erdbebensicheren Bauen. Absolut nichts davon hat irgendeine Relevanz für das Funktionieren eines Binnenmarktes. Wirkliches Motiv dieser Regelungslawine ist nur die unwiderstehliche Lust an der Machtausübung, die die Heerscharen von EU-Abgeordneten, -Beamten und -Richtern gepackt hat, und die Hybris, dass sie alles viel besser regeln könnten als die unteren, bürgernahen Ebenen.
Auf jenen drei Feldern hingegen, wo es über den Binnenmarkt hinaus noch einen echten Bedarf an sinnvoller Gemeinsamkeit gibt, hat die EU überhaupt nichts vorangebracht:
Aber in der ganzen EU herrscht wenig Interesse an wichtigen, aber schwierigen Aufgaben. Dafür machen sich Kommission, Parlament und Gericht in unendlich vielen anderen Gebieten manisch regulierend wichtig. Sie vergessen dabei nur, dass sie sich damit auch den Menschen Europas selbst zunehmend entfremden, die sich immer weniger mit dem identifizieren können, was von der EU kommt.
Die EU-Herrscher sind so machttrunken, dass sie nicht einmal das Fanal des britischen Austritts verstanden haben. Sie schimpfen über die Blödheit der Briten, aber sie begreifen kaum, wie schädlich der Brexit auch für Kontinentaleuropa ist, und sie begreifen überhaupt nicht die eigene Schuld am Austritt des zweitgrößten EU-Landes.
Diese besteht nicht nur in der überheblichen Attitüde: "Wegen euch blöden Engländern werden wir die Regeln des edelsten Klubs der Welt ganz sicher nicht ändern". Den Briten wurde darüber hinaus durch zwei der überhaupt schlimmsten europäischen Fehlentwicklungen die Lust auf die EU genommen.
Die eine dieser Fehlentwicklungen ist die beschriebene Machtanmaßung durch die EU auch in jenen Bereichen, wo es gar keine EU-Gesetze gibt. Unter Berufung auf völlig undefinierte Gummivokabel wie "Rechtsstaatlichkeit" haben sich Kommission und Gerichtshof zu einem zentralistischen Machthaber entwickelt. Während England – immerhin die älteste rechtsstaatliche Demokratie der Welt – auch Höchstrichtern immer nur die Anwendung von konkretem Recht zugestanden hat, niemals aber dessen Fortentwicklung. Das ist den Briten zutiefst zuwider, weil es undemokratisch ist. Neues Recht darf nach englischer Überzeugung eigentlich immer nur ein vom Volk gewähltes Parlament schaffen.
Keinerlei Entschuldigung für diese Fehlentwicklung der EU ist es, dass auch in Österreich ein ähnlicher Prozess abläuft. Auch hier hat sich der Verfassungsgerichtshof zum allmächtigen Erfinder neuen Rechts gemacht, von der Homo-Ehe bis zu vielen Entscheidungen, die illegalen Zuwanderern das Bleiben ermöglichen. Ein paar Jahre früher hatten hingegen andere, bescheidenere VfGH-Richter ihre Aufgabe nur darin gesehen, darüber zu wachen, dass neues Recht streng nach dem Wortlaut der Verfassung beschlossen worden ist.
Die zweite für die Briten so abschreckende Fehlentwicklung der EU war der Ausbruch der neuen Völkerwanderung, also die Grenzöffnung für Millionen illegaler Zuwanderer aus Afrika und Asien. Ohne dass es jemals ein diesbezügliches Gesetz gegeben hätte – geschweige denn einen Konsens –, wird von EU-Fundamentalisten sogar darüber hinaus ständig die Zwangsumverteilung der illegal Gekommenen verlangt, während es so gut wie keine EU-Initiativen gibt, um diese wieder abzuschieben.
Vor allem diese beiden Punkte – Richter als Gesetzgeber und Tatenlosigkeit gegenüber der Migration – haben eine Mehrheit der Engländer dazu gebracht zu sagen: Auch wenn wir vielleicht manche Nachteile dadurch haben werden, aber bei einem solchen Verein wollen wir nicht mehr dabei sein.
Und wir zurückgelassenen Europäer bleiben in der Ungewissheit, ob diese EU überhaupt noch in sinnvolle Richtung zu reformieren ist, damit nicht bei weiteren Völkern der Austrittswille wächst, oder ob nicht eigentlich eine Neugründung notwendig wäre. Diese wird freilich niemals glücken, weil alle drei emotional entscheidenden Faktoren der Gründungsjahre heute fehlen. Die da waren: