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Der Unterschied zwischen Ibiza und SPÖ-Betriebsversammlungen

Wo bleibt der Bundespräsident, der neue Säulenheilige der österreichischen Linken? Wo bleibt sein jubelnder Zuruf an die Journalisten, die Veröffentlichung von Tonbandmitschnitten aus einer internen SPÖ-Betriebsversammlung beweise einmal mehr, "wie wichtig unabhängiger Journalismus ist"? Seltsam, wie wechselhaft und biegsam doch Maßstäbe sogenannter Moralinstanzen sind. Haargenau das gleiche Delikt wird offensichtlich völlig anders behandelt, je nachdem, wer das Opfer ist. Noch köstlicher ist aber das Verhalten der SPÖ selber.

Der Anlass: In einem ORF-Interview war der SPÖ-Vorsitzenden ein bisher unbekannter, geheim gemachter Tonmitschnitt vorgehalten worden. Darin berichtet der SPÖ-Geschäftsführer über die klamme Finanzsituation der Partei, insbesondere darüber, dass sich die SPÖ derzeit absolut keinen Wahlkampf leisten könne.

Nun, inhaltlich ist das nicht sonderlich sensationell: Wahrscheinlich kann sich nämlich überhaupt keine Partei derzeit einen Wahlkampf leisten. Einerseits wegen der schuldenerzeugenden Fülle von teuren Wahlkämpfen in letzter Zeit (mehrfach vorgezogene Nationalratswahlen, und ein schier unendlicher Bundespräsidenten-Wahlkampf in mehreren Etappen). Andererseits, weil Rot und Blau im sommerlichen Vorwahl-Populismus ein weitgehendes Spendenverbot beschlossen haben, das die Finanzierung der Parteien jetzt weitgehend auf die staatlichen Subventionen und die immer mickriger werdenden Mitgliedsbeiträge reduziert. Rot und Blau sind nach ihren Wahlniederlagen jetzt auch die größten Opfer ihres eigenen Gesetzes, weil für beide auch die staatlichen Subventionen deutlich weniger geworden sind. Das kann man mit gebührender Schadenfreude registrieren.

Dennoch hat die SPÖ auf das Abspielen des Tonmitschnittes empört reagiert, der aus jener internen Betriebsversammlung stammt, bei der die Parteispitze den Angestellten die triste Finanzlage und die daraus resultierende Notwendigkeit von Kündigungen zu vermitteln versucht hat. Der Parteigeschäftsführer hat dem ORF für dieses Abspielen eines illegal gemachten Mitschnitts sogar strafrechtliche Konsequenzen angedroht.

Der Zorn der Partei ist an sich durchaus verständlich. Ihn in dieser Form nach außen zu tragen ist jedoch nur peinlich. Denn wie hat die SPÖ doch gejubelt, als im Mai zwei deutsche Medien Video- und Tonmitschnitte des Ibiza-Auftrittes von H.C. Strache veröffentlicht haben! Dabei ist das, was jetzt im ORF passiert ist, genauso übel wie die Veröffentlichung durch "Spiegel" und "Süddeutsche". Das einzige, was neu ist, ist die Tatsache, dass diesmal die SPÖ das Opfer ist, und dass ORF-Redakteure sich dennoch entschlossen haben, den Tonmitschnitt zu veröffentlichen.

Darin kann man entweder die überraschende Einkehr journalistischer Prinzipien in Teilen des ORF und den daraus resultierenden Versuch sehen, die SPÖ einmal genauso schlecht wie die Rechtsparteien zu behandeln. Oder aber einen opportunistischen Schwenk der ORF-Mannschaft aus der Erkenntnis heraus, dass die Zukunft der Linken nunmehr bei den Grünen liegt und nicht mehr bei den Roten; wofür spricht, dass es im ORF nicht einmal den Hauch einer kritischen Berichterstattung über die Grünen gibt.

Da dieser Tonmitschnitt eindeutig von einem SPÖ-Angestellten stammt, also aus jener erlauchten Gruppe, wo jeder einzelne für jeden ORFler früher immer "einer von uns" gewesen ist, gibt es noch eine dritte Erklärungsmöglichkeit: die automatische innere Solidarität mit Genossen, mit denen man ja immer bestens zusammengearbeitet hat. Die unterstützt man gerne – gerade bei Aktionen gegen eine Parteispitze, die man für schuldig am Absturz der Partei hält.

Ansonsten ist aber der geheime Mitschnitt aus der SPÖ eigentlich eine weniger schlimme Angelegenheit als der geheime Mitschnitt von Ibiza. Denn eine Betriebsversammlung ist ja immerhin eine formale (arbeits-)rechtliche Veranstaltung, wenn auch ohne Zutritt für Journalisten, während Ibiza zu hundert Prozent eine Privatangelegenheit war. Und strafrechtlich relevant waren weder die Worte der SPÖ-Führung noch die des damaligen FPÖ-Obmannes, wie inzwischen geklärt worden ist.

Unabhängig vom rechtlichen Persilschein hat sich Strache durch das, was er dort im Alkohol gesagt hat, politisch und moralisch auf ewige Zeiten diskreditiert. Während in Hinblick auf die SPÖ der Mitschnitt den katastrophalen Zustand der Partei gezeigt hat.

Die nun ihren Job verlierenden SPÖ-Mitarbeiter können und wollen nicht verstehen, dass der von ihnen (oder einem von ihnen) gemachte geheime Mitschnitt eindeutig strafrechtswidrig gewesen ist. Genauso wie der Mitschnitt von Ibiza. Dass in dem einen Fall nur illegale Ton-, im anderen Fall auch Bildaufnahmen gemacht worden sind, bedeutet überhaupt keinen Unterschied.

Und politisch-moralisch ist auch das Verhalten der SPÖ-Mitarbeiter schwer diskreditierend. Haben sie doch gezeigt, dass Parteifreundschaft und Solidarität sofort zu hohlen Worten werden, wenn die monatlichen Überweisungen von der Partei auszubleiben drohen. Das erinnert an den 1. Mai 2016, als die aufmarschierenden Genossen einen anderen – den vorerst vorletzten – Parteivorsitzenden offen ausbuhten.

Zurück zum Bundespräsidenten, und zu den vielen anderen innerhalb und außerhalb der SPÖ, die die Veröffentlichung der Ibiza-Videos durch "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" zur moralischsten und edelsten Tat der letzten Jahre erhoben haben: Ringsum ist da jetzt bei der Ton-Attacke des ORF auf die SPÖ der Jubel ausgeblieben. Statt dessen herrscht betretenes Schweigen. Obwohl gerade die Ibiza-Jubler sonst immer den ORF mit flammender Rhetorik verteidigen. Obwohl auf der Linken im Sommer die ÖVP geradezu verhöhnt worden ist, als ein massiver Hackerangriff auf deren Buchhaltung stattgefunden hat, und als gefälschte Mails aufgetaucht sind, die der ÖVP-Spitze Mitschuld an der Ibiza-Falle unterschoben hatten. Statt dessen wurde der ÖVP ziemlich direkt unterstellt (nicht nur von einem langjährigen Grün-Politiker), dass sie Hackerangriff und Mailfälschungen nur erfunden hätte.

Noch lächerlicher ist freilich der SPÖ-Geschäftsführer, der jetzt strafrechtliche Anzeigen gegen den ORF und jene plant, die die Betriebsversammlung heimlich mitgeschnitten haben. Abgesehen davon, dass er gar nicht weiß, wer da genau die Täter waren, abgesehen davon, dass wohl kein ORF-Mitarbeiter mitgeschnitten hat, also niemand aus dem Gebührenfunk die Tat direkt begangen hat, wird spannend zu sehen sein, wohin Herr Deutsch seine Anzeige adressiert.

Vielleicht an die Korruptionsstaatsanwaltschaft? Also genau an jene, die selbst ein ganz ähnliches Delikt zu verantworten hat, weil sie eine interne Dienstbesprechung geheim mitgeschnitten hat. Und die dann mit Hilfe dieses Mitschnitts sogar eine Strafanzeige gegen einen Spitzenbeamten des eigenen Ministeriums erstattet hatte. Diese Anzeige ist dann freilich bei einer anderen Staatsanwaltschaft – zu Recht – bald im Papierkorb gelandet …

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