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Die politische Rechte hat viel Grund zum Selbstbewusstsein

Bei der Analyse eines Wahlergebnisses und der sich zeitweise im Stundenrhythmus  überschlagenden Ereignisse der letzten Monate sollte man etliche Schritte zurücktreten und sich einige Wochen Zeit nehmen, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Nur so kann man Entwicklungen richtig einordnen und die wichtigen von den unwichtigen trennen. So kommt man aber auch zu einigen erstaunlichen Erkenntnissen.

Etwa zu der Frage: Wie geht es dem bürgerlichen Lager eigentlich insgesamt? Mit "bürgerlich" ist der große Bogen jener Menschen umfasst, die rechts der politischen Mitte stehen. Sie sind durch folgende Einstellungen gekennzeichnet: wertkonservativ, wirtschaftsliberal, leistungsorientiert, heimatverbunden, stolz auf das christliche, kulturelle und historische Erbe Österreichs, von den freiheitsorientierten Revolutionen der Jahre 1848 und 1867 inspiriert und besorgt ob Islamisierung, Massenmigration und Schuldenpolitik; für sie sind Familie, Tradition, Zusammenhalt sowie Verantwortungsbewusstsein die zentralen Werte. Menschen, die durch mehrere dieser Haltungen geprägt sind (nicht unbedingt durch alle), bilden die Wählerschaft von ÖVP wie von FPÖ.

Betrachtet man dieses vielfältige bürgerliche Lager als Gesamtheit, dann ist aus kurzfristiger Perspektive einmal nüchtern festzuhalten: Die beiden bisherigen Regierungsparteien haben nun zusammen 11 Sitze weniger. Und selbst wenn man auch die Neos (als wirtschaftspolitisch rechts, gesellschaftspolitisch klar links) zu den bürgerlichen Parteien rechnet, beträgt der Verlust an Mandaten immer noch 6.

Dennoch wurde nach der Wahl nirgendwo von "Linksrutsch" gesprochen. Zu Recht. Selbst dem linken Mainstream ist angesichts des historisch katastrophalen Abschneidens der SPÖ als der klassischen Vertreterin der Linken diese Bezeichnung nicht in den Sinn gekommen. Überdies haben die beiden Rechtsparteien zwar Mandate, aber fast keine Wähler an die Linksparteien verloren.

Die großen, Strache-bedingten, Verschiebungen des Wahltags (vor allem der schamlose Griff der Familie Strache auf das FPÖ-Konto, der seiner Partei noch mehr geschadet hat als seine im Ibiza-Rausch geäußerte Bereitschaft zur Korruption) haben einerseits Wähler von der FPÖ zur ÖVP vertrieben – damit sind sie aber im gleichen Lager geblieben –; andererseits sind viele frühere FPÖ-Wähler in einem Aufwallen der Empörung über Straches skandalöses Benehmen erst gar nicht zur Wahl gegangen. Aber nach links, zu einer Pro-Immigrationspartei ist fast niemand gewechselt.

Das hat zur zweitschlechtesten Wahlbeteiligung seit dem Krieg geführt. Das klingt demokratiepolitisch zwar eigentlich bedenklich, wenn sich trotz des vielfältigen Angebots jeder Vierte für kein einziges entscheiden konnte. Das gibt andererseits den rechten Parteien Hoffnung: Die verlorenen Wähler sitzen – vorerst – nur im Wartesaal. Von dort kann man sie leichter zurückholen, als wenn sie zu einer Linkspartei gewechselt wären. Dort warten sie einmal ab, ob die FPÖ die Lektionen aus den Mehrfachaffären ihres früheren Parteichefs wirklich gelernt hat.

Der zahlenmäßig größte Lagergrenzen überschreitende Wählerstrom ist interessanterweise bei der kleinsten aller Parteien zu sehen, bei den rechts-links-schillernden Neos. Sie haben rund 90.000 Wähler an die Grünen verloren, von der ÖVP aber über 80.000 erobert. Das zeigt erstens, dass auch die ÖVP beachtenswerte Verluste erlitten hat, wenn auch nur in eine Richtung und von sonstigen Zugewinnen weit überlagert. Das beweist zweitens, dass die Neos derzeit ein typischer Zwitter zwischen Rechts und Links sind. Drittens aber werden sie sich eines Tages halt doch entscheiden müssen, ob sie wie ihre deutsche Schwesterpartei rechts stehen, oder wie die französische links.

Das alles zusammen macht klar: Das bürgerliche Lager hat eigentlich allen Grund zu einem gesunden Selbstbewusstsein. ÖVP und FPÖ haben zusammen noch immer eine satte Mehrheit, mit der sich problemlos regieren lässt – regieren ließe, wenn sie auch den Mut aufbrächten, es zu tun.

Freilich gibt es in Österreich schon seit 1983, also eine ganze Generation lang, eine solche Mehrheit rechts der Mitte. Dennoch wurde diese Mehrheit nur relativ selten auch politisch aktiviert. Einmal hat es die FPÖ und mehrmals die ÖVP vorgezogen, lieber einen SPÖ-Mann zum Bundeskanzler zu machen. Das zeigt, dass das bürgerliche Selbstbewusstsein der Rechtsparteien oft ein nur schwaches ist, dass sie oft von bürgerlichem Masochismus gequält werden, und dass ihre politische Intelligenz nicht sonderlich groß ist. Denn sie haben der SPÖ dadurch eine unglaublich lange Phase der Machtausübung ermöglicht, die sich nahtlos an die SPÖ-Alleinregierungsphase angeschlossen hat.

Diese lange und nur kurz durch die Regierung Schüssel unterbrochene Epoche von 1970 bis 2017 hat der SPÖ eine gewaltige Machteinzementierung ermöglicht, deren Folgen bis heute anhalten. Sie hat den "Tiefen Staat", insbesondere Universitäten und Justiz, in einem großen Ausmaß durchdringen können. Nirgendwo sonst hat die SPÖ so starke Unterstützung erhalten wie bei jenen Wählern, die sich als Angehörige des öffentlichen Dienstes bezeichnen: Dort haben 28 Prozent die SPÖ gewählt. Einen so hohen Anteil hat die SPÖ sonst bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe erreicht: nicht bei den Arbeitern, ihrer einstigen Identifikationsgruppe (25 Prozent), auch nicht mehr bei den lange SPÖ-affinen Pensionisten (27), nicht bei den Frauen (23). Dabei werden gerade diese drei Gruppen von der SPÖ ständig rhetorisch ans Herz gedrückt. Aber das wirkliche rote Machtzentrum ist der öffentliche Dienst. Und das sind keineswegs nur die Wiener Straßenbahner.

Die Linke hat aber auch im Bereich der Medien gewaltige Machtimperien aufbauen können. Im Bereich des ORF durch den direkten Durchgriff der SPÖ auf die Intendanten- und Redakteursbestellungen. Und im Bereich der Printmedien durch die vor allem von der Gemeinde Wien ausgehenden Bestechungsinserate.

Dennoch hat keine der beiden Rechtsparteien die volle Problematik in diesem Dreieck Justiz-Medien-Universitäten wirklich erkannt. Und schon gar nicht haben sie über Strategien nachgedacht, wie man die Justiz wieder unabhängig, die Universitäten wieder pluralistisch und die Medienlandschaft wieder seher- und leser-, also marktorientiert machen könnte. Dadurch wird das tiefe Durchdringen des Staatsgefüges durch die Linke weiterhin über alle Wahlen hinweg bestehen bleiben – eben der "Tiefe Staat".

Der genaue Blick auf die Wählerbewegungen zeigt noch eine weitere Sensation: Die SPÖ hat bei den weiblichen Wählern nicht sonderlich punkten können. Sie schnitt bei ihnen genauso schlecht ab wie bei den Männern. Dabei war feministisch-genderistische Hyperaktivität in den letzten Jahren wohl der Hauptakzent der SPÖ (so wie es bei den Grünen die Klimapanikmache ist). Auf vielen Ebenen – von den Aufsichtsräten bis zu staatlichen Führungspositionen – hat die SPÖ die Bevorzugung von Frauen durchgesetzt.

Zuletzt hat die SPÖ sogar eine Frau an die eigene Spitze gesetzt, die – bar jeder politischen Erfahrung und Fähigkeit – nur auf Grund ihres Geschlechts ausgewählt worden war. Zugleich dröhnte bis zuletzt auf allen SPÖ-nahen Medien ständig die Behauptung, dass Frauen für die gleiche Leistung viel schlechter bezahlt würden als Männer – eine Behauptung, die freilich auch durch Wiederholung nicht richtig wird, es sei denn, man setzt eine Mechanikerstunde mit einer Friseurinnenstunde gleich.

Aber dennoch: Null Frauenbonus für die SPÖ. Denn die Frauen sind halt klüger, als die SPÖ glaubt, und lassen sich durch solche Tricks nicht blenden.

Dieser Text ist in ähnlicher Form im Magazin für Querdenker "Alles Roger?" erschienen: www.allesroger.at

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