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Schreiben wir das Jahr 2019 oder 2008?

In diesen Tagen glaubt man sich sehr oft ins Jahr 2008 zurückversetzt. So sehr ähnelt 2019 jenem Jahr: innenpolitisch wie auch weltpolitisch und vor allem wirtschaftlich. Zwar ist es unsinnig, an Geister zu glauben, aber die Parallelen fühlen sich beklemmend gespenstisch an.

Die am meisten hervorstechenden Ähnlichkeiten:

  1. 2019 wie 2008 finden in Österreich überraschend Neuwahlen nach nur zweijährigen Legislaturperioden statt. Jeweils vor dem Sommer bricht die regierende Koalition auseinander, aber erst nach einem quälend langen Sommer wird gewählt: einmal am 28. September, einmal am 29. September.
  2. In den Tagen vor der Wahl finden jeweils mehrere Parlamentssitzungen statt, in denen die Parteien – mit der SPÖ an der unrühmlichen Spitze, aber letztlich unter Mittun aller anderen Großparteien, – durch zahllose Gesetzesbeschlüsse die Steuerzahler mit Milliardenpflichten belasten.
  3. 2008 wie 2019 bleibt durch dieses rein wahlkampforientierte Vorgehen in chaotischen Parlamentssitzungen keine Zeit für ordentliche Debatten, Ausschussberatungen oder Begutachtungen. Das stört die Sozialdemokraten bei ihrem Treiben aber offensichtlich überhaupt nicht, obwohl sie in der Zeit auf den Oppositionsbänken die Demokratie jedes Mal lautstark für zusammengebrochen erklärt haben, wenn die Regierung einmal ein (oft schon seit Jahren vorberatenes) Gesetz als Initiativantrag direkt im Parlament und nicht als Regierungsvorlage eingebracht hat.
  4. Genau in den Vorwahl-Septembertagen der beiden sich so ähnelnden Jahre bricht überdies im angelsächsischen Raum ein gewaltiger Tsunami los. Jeweils über Nacht geht ein Unternehmen mit großer internationaler Bedeutung Pleite: am 15. September 2008 die US-Großbank "Lehman Brothers" und am 22. September 2019 der in vielen Ländern den Tourismus dominierende britische Reisekonzern Thomas Cook.
  5. Beide Fälle kamen für die Außenwelt völlig überraschend, auch wenn ihnen jeweils intern hektische Sanierungsbemühungen vorausgegangen waren. Die jedoch angesichts schlechter Perspektiven für die betroffenen Unternehmen scheiterten.
  6. Aber auch globalwirtschaftlich ähneln sich die beiden Jahre. Jedem dieser schwarzen September ging ein Jahr sich akkumulierender, aber weitgehend ignorierter Krisensymptome voraus, die aber nicht wirklich zur Kenntnis genommen wurden. Vor allem hatten sich beide Male gefährliche Blasen, insbesondere maßlos überzogener Immobilienpreise gebildet gehabt.

Was dem September 2008 folgte: Keine Bank wollte danach mehr einer anderen Geld borgen, um nicht selbst in plötzliche Risiken zu rutschen. Die Immobilienpreise und Börsenkurse sind vorübergehend steil abgestürzt. Das hat wieder eine Reihe anderer Pleiten ausgelöst. Die Wirtschaftszahlen gingen nach unten, die Arbeitslosigkeit nach oben.

Aber während sich die USA nach einem gewaltigen Schock in der Folgezeit erholten, haben die Europäer versucht, den Schock abzufedern: durch staatliche Defizite und durch die bald darauf einsetzende Nullzins- und Gelddruckpolitik der Europäischen Zentralbank.

Diese hat freilich ihren Krisenmodus nie beendet und verrechnet noch heute Minuszinsen. Nach aller Ökonomenweisheit hätte sie aber diesen Modus schon vor vielen Jahren beenden und unbedingt wieder zu normalen Zinsen zurückkehren müssen, damit sie für die nächste – möglicherweise jetzt ausgebrochene – Krise gewappnet ist.

Allein: Das hätte Italien und andere Schuldnerländer in die Pleite getrieben, weil sie die normalerweise für Kredite fälligen Zinsen keinesfalls mehr schultern hätten können. Das wollte man politisch in der EZB nicht riskieren, weil es den Zerfall des Euro-Raumes bedeutet hätte. Andererseits haben Italien & Co dank der EZB an den ewigen Geldsegen zu glauben begonnen und sich weiterhin alle Reformen und Defizitreduktionen erspart. Die Schuldenländer sind also durch die vermeintliche EZB-Hilfe erst recht in die Krise hineingeschlittert.

Wie wird es aber 2019 weitergehen? Man sollte gewiss bei Prophezeiungen vorsichtig sein. Und es gibt schon gar keinen naturgesetzlichen Zwang, dass die Dinge gleich laufen müssen wie 2008. Die Anzeichen 2019 stimmen jedoch keineswegs optimistischer. Ganz im Gegenteil.

Denn vieles hat sich seither sogar dramatisch verschlimmert – wenn auch nur und ganz einseitig für Europa:

  • Die EZB hat kein Pulver mehr, um die Krise aufzufangen.
  • Diesmal ist der große Paukenschlag nicht in den USA, sondern direkt in Europa passiert. Die Folgeschäden werden überwiegend in Europa auftreten, denn es sind vor allem europäische Touristenländer, wo Hotels und die gesamte Urlaubsindustrie auf hohen, nun wertlos gewordenen Forderungen gegen Cook sitzen. Was dann wieder andere Branchen treffen wird.
  • Deutschland steckt jetzt schon de facto in einer Rezession, während es nur im Osten boomt.
  • Jede Menge milliardenteurer Beschlüsse (Stopp der Atomkraftwerke, Stopp der Kohlekraftwerke) haben schon vor der Thomas-Cook-Pleite immer mehr die Frage aufgeworfen, ob Europa nicht einer katastrophalen Deindustrialisierung entgegengeht.
  • Schikanöse Umweltvorschriften und der sogenannte Dieselskandal haben die deutsche Autoindustrie weidwund gemacht, von der auch Österreichs Industrie in hohem Maße abhängig ist.
  • Nur in Westeuropa werden die Weltuntergangs-Phantasien einer fanatischen schwedischen Schülerin ernst genommen, während von den USA bis Osteuropa und Asien die Eigeninteressen und die wirtschaftliche Vernunft dominieren (weshalb nicht einmal die totale ökonomische Selbstzerstörung Europas zu einer Weltrettung führen könnte, selbst wenn die Phantasien der Schülerin und ihrer grünen Hintermänner richtig wären).
  • West- und Südeuropa hat in den letzten Jahren Millionen asiatischer und afrikanischer "Flüchtlinge" aufgenommen, die heute mehrheitlich Sozialhilfebezieher in den verschiedensten Formen sind, und die sowohl das Bildungs-, wie auch das Wohnungs-, wie auch das Sicherheitssystem dauerhaft schwer belasten und überdies zu einer bedrohlichen Islamisierung führen.
  • Der drohende Brexit, das Chaos in Großbritannien mit neuerlichen Neuwahlen und die fehlende Bereitschaft der EU (insbesondere Frankreichs) zu sinnvollen Angeboten an die Briten führen zu großer Verunsicherung.

Um nicht missverstanden zu werden: Pleiten, Konkurse sind letztlich etwas Unvermeidliches, ja sogar Notwendiges. Sie reinigen das Wirtschaftsleben von sogenannten Zombie-Unternehmen, also von Firmen, die nur dank der Gratiskredite oder dank staatlicher Förderungen überleben können. Ihr Tod ist zwar für die Betroffenen traurig, aber er macht Platz für neue Unternehmen und Start-Ups, die lebensfähiger, kreativer und zukunftstauglicher als die gestorbenen sind, die mit den Arbeitskräften und dem vorhandenen Kapital effizienter umgehen können.

Wenn hingegen, wie eindeutig in den letzten Jahren, alle kranken Firmen weitergeschleppt werden, ist dann der Dominoeffekt umso katastrophaler, sobald der wirtschaftliche Tod doch unvermeidlicherweise einmal zuschlägt.

Vor diesem globalen und europäischen Hintergrund stimmt der Blick zurück nach Österreich doppelt traurig: Denn in Österreich sind binnen weniger Wochen Beschlüsse gefasst, Versprechungen gemacht und Forderungen erhoben worden, die das Land kaputt zu machen drohen.

Am schlimmsten ist jedoch etwas, was den Österreichern noch gar nicht richtig bewusst ist: In keiner einzigen Partei sind heute relevante Exponenten zu finden, die wirklich etwas von Wirtschaft verstehen. Oder hat einer der Leser im Wahlkampf irgendeinen Politiker mit ökonomischem Sachverstand und Wissen entdeckt?

Man erinnere sich nur, wie notwendig das früher gewesen ist: So ist etwa Wolfgang Schüssel (obwohl selbst wirtschaftlich zweifellos gut beschlagen) stets mit einem finanziell versierten Partner in Wahlkämpfe gezogen, einmal mit einem Johannes Ditz, einmal mit einem Karl-Heinz Grasser. So hat sich Bruno Kreisky lange einen Hannes Androsch als Wirtschafts-Versteher an der Seite gehalten (und als er sich mit diesem zerkrachte, ging es auch mit Kreisky bergab). Noch früher hat der – ja selbst aus der Wirtschaft kommende – Julius Raab seinen Erfolgskurs mit einem Finanzminister Reinhard Kamitz gepaart. Ähnliches gilt für das (weniger erfolgreiche) Paar Josef Klaus und Stephan Koren.

Das Gegenteil von Sachverstand konnte man in der österreichischen Realität während der letzten Wochen beobachten. Daher im Folgenden noch ein unvollständiger Auszug aus der Liste der vielen parteipolitischen Dummheiten und finanziellen Verantwortungslosigkeiten des Jahres 2019:

  1. Die Pensionen werden um 400 bis 500 Millionen jährlich über die volle Inflationsabgeltung hinaus(!) erhöht.
  2. Man kann künftig schon mit 62 Lebensjahren – bei 45 Versicherungsjahren – abschlagfrei in Pension gehen. Das kostet rund weitere 390 Millionen. Jährlich.
  3. Die Wartefrist auf die erste Pensionserhöhung fällt weg: Kosten 30 Millionen. Jährlich.
  4. Ältere Langzeitarbeitslose werden mit zusätzlich 50 Millionen gefördert. Jährlich.
  5. Behinderte bekommen im Rahmen der Steuerreform 45 Millionen. Jährlich.
  6. Im rot-blauen Burgenland werden daheim pflegende Angehörige künftig vom Land angestellt. Kosten noch unbekannt, aber unter Umständen ein besonders teures Präjudiz.
  7. Der sogenannte Ökostromausbau (an dem die entsprechende Lobby kräftig verdient) wird im Fünfparteienkonsens für die nächsten drei Jahre um 540 Millionen zusätzlich gefördert.
  8. Den ÖBB ist auf viele Jahre neuerlich ohne Konkurrenz eine Verlängerung der sogenannten Verkehrsverträge zugeschanzt worden. Das ist naturgemäß viel teurer, als hätte man auch Konkurrenten Angebote legen lassen, ob sie nicht mit viel weniger Subventionen den Bahnbetrieb auf den jeweiligen Strecken betreiben können.
  9. Seit Septemberbeginn haben auch alle Väter in der Privatwirtschaft Anspruch auf einen sogenannten Papamonat, während dem sie den sogenannten Familienbonus beziehen.
  10. Verteidigungsminister Starlinger verlangt eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets von 2,2 auf 3,1 Milliarden jährlich.
  11. Ganz ähnlich schlägt man in der Justiz Alarm. Trotz mörderisch hoher Gerichtsgebühren gibt es viel zu wenig des dringend notwendigen Schreibpersonals, gibt es angesichts lachhaft niedriger Honorarsätze viel zu wenige Dolmetscher.
  12. Alle Großparteien lehnen das Freihandelsabkommen Mercosur der EU mit Lateinamerika ab. Das ist ein weiterer – noch nicht bezifferbarer – schwerer Schaden für die Exportindustrie, der mit läppischen Argumenten (dadurch würde der Regenwald gerettet) begründet wird.
  13. Die Behindertenverbände fordern ein eigenes Staatssekretariat, der ÖGB fordert ein eigenes Klimaschutzressort: Beides wird natürlich nicht nur gefordert, um weitere Beamte zu versorgen, sondern vor allem um so noch mehr Geldmittel locker zu machen.
  14. Die Schulpartner verlangen ein höheres Schulbudget.
  15. Die SPÖ, die für einen Großteil der genannten Zusatzausgaben hauptverantwortlich ist (aber vor allem bei der FPÖ, aber meist auch bei der ÖVP rasch Mittäter gefunden hat), fordert etwa zusätzlich noch "eine massive Erhöhung" des Budgets "für Frauen- und Gleichstellungspolitik". Sie fordert zusätzlich weitere massive Gelder für die Bahn und öffentliche Autobusse (wieder einmal, um das Klima zu retten).
  16. Die Wirtschaft verlangt einen Wachstumsfonds für Start-Ups.
  17. Und all das wird getoppt von den zwischen New York, Brüssel, Berlin und den Wiener Wahlkampfreden (hier vor allem von Neos und Grünen) immer intensiver geforderten massiven Klima-Abgaben, wie etwa CO2-Steuern oder CO2-Zöllen oder viel höheren CO2-Zertifikaten.

Fast alles nette Dinge – die sich in Summe aber absolut katastrophal auswirken werden.

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