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Hurra, ein neues Stadion!

Aus heiterem Himmel ist eine Diskussion über den Bau eines neuen nationalen Fußballstadions in Wien im Gang. Offenbar steht hinter dem Ausbruch der Debatte die – bisher unerfüllt gebliebene – Hoffnung, dass sich im Wahlkampf eine Partei auf dieses Anliegen setzt. Als Hauptargument hört man den Wunsch, dass dann auch einmal ein Champions-League-Finale in Österreich ausgetragen werden könnte.

Die Entscheidung über einen solchen Neubau sollte jedoch wahlkampfunabhängig von einer einzigen Frage abhängen: Gibt es irgendeine Rechtfertigung, weshalb man den Steuerzahlern für so ein Projekt Geld abnehmen darf, egal wie viele Hundert Millionen es immer am Ende kosten wird? Und da kann die Antwort nur lauten: Nein, es gibt absolut keinen Grund dafür. Der Fußballbund mag, wenn er will, auf eigene Rechnung ein solches Stadion bauen, oder ein privater Investor soll das tun, wenn er mit einem finanziellen Erfolg rechnet. Aber keinesfalls die öffentliche Hand.

Auch das schlimme Präjudiz, dass den Bürgern in den letzten Jahren schon mehrfach für Fußballstadien in die Tasche gegriffen worden ist – durch die SPÖ für das neue Rapid- und das neue Austria-Stadion in Wien, durch den blau-orangen Jörg Haider für ein neues Stadion in Klagenfurt –, rechtfertigt nicht einen neuen Bau auf Kosten der Bürger.

Ich selbst mag seit meiner Kindheit Fußball und bin auch oft bei Spielen gewesen. Aber ich weiß auch, dass es Millionen Österreicher gibt, denen Fußball ziemlich gleichgültig ist: Warum, bitte, sollten sie dafür zahlen müssen?

Die Fans selbst zahlen ja ohnedies sehr viel für diesen faszinierenden Sport: Sie zahlen direkt durch den Kauf von Eintrittskarten, durch den Erwerb von Fan-Artikeln oder durch Abonnements der Spartenkanäle. Und sie zahlen überdies indirekt über die Werbung und die Fernseh-Übertragungen in gebührenfinanzierten Sendern.

Dazu kommt, dass viele Unternehmen und reiche Menschen Geld in den Fußball stecken. Sei es aus Liebhaberei, sei es aus Wichtigmacherei, sei es, weil sie sich einen hohen Werbenutzen versprechen, wie es etwa bei Red Bull der Fall ist, das ja seine ganze Markeninszenierung rund um Spitzen- und Extremsport aufgezogen hat.

Das muss reichen. Vor allem angesichts der Tatsache, wie viel Geld mit dem Fußball gemacht wird. Man denke etwa an die hohen Spielergehälter und die oft obszön hohen "Ablöse"-Summen.

Gegen all das gibt es kein Wort zu sagen. Fußball ist ein großes und erfolgreiches Business unter vielen anderen Unterhaltungsindustrien.  Aber umso härter sollte endlich klar Nein gesagt werden, wenn der Spitzensport ständig nach Steuergeld verlangt, egal ob für ein Stadion oder sonst einen Zweck.

Von den Sportfunktionären, die da sehr laut danach verlangen, werden immer zwei Argumente vorgebracht: die Umwegrentabilität und die Gesundheitsförderung durch Sport. Beide Argumente sind durchaus ernstzunehmen – hinken aber schwer, sobald man sie näher untersucht.

Breitensport hat wenig mit Spitzensport zu tun

Dass Sportausübung an sich sehr gesundheitsfördernd ist, braucht wohl keinen sonderlichen Beweis. Das beweist aber noch keineswegs eine Kausalität zwischen der Ausgabe von Steuergeld für die Förderung des Spitzensports oder für den Bau teurer Stadien einerseits und der Bereitschaft jüngerer oder auch älterer Menschen andererseits, selbst sportlich aktiv zu werden.

Es gibt beispielsweise keinen einzigen österreichischen Spitzenläufer von irgendwelcher Relevanz – und doch erfreuen sich seit etlichen Jahren Joggen, Massen-Marathons und die diversen Charity-Läufe steil steigender Beliebtheit. Hingegen ist den allermeisten Teilnehmern völlig egal, welcher Ostafrikaner als erster bei einem Marathon durchs Ziel geht.

Zwar können Spitzensportler schon gewisse Nachahmungseffekte auslösen. Aber all die Buben, die mit einem Fußballtrikot herumlaufen, tragen eines mit Namen wie Neymar, Modric, Ronaldo oder Messi. Einen jugendlichen Arnautovic habe ich hingegen noch nie gesehen und werde ich wohl auch nie sehen, selbst wenn der originale Namensträger ein wenig sympathischer auftreten würde. Das zeigt: Die Vorbilder können auch anderswo daheim sein und werden dennoch imitiert.

Die jungen oder auch älteren Menschen, die gerne Fußballspielen wollen (und sollen), brauchen jedenfalls keine teuren Stadionbauten, sondern ein viel breiteres, gut organisiertes und leicht zugängliches Angebot von Plätzen, wo sie selbst spielen könnten. Und wo sie nicht wie in den Park-Käfigen ständig die Verdrängung durch sehr aggressiv auftretende Gruppen fürchten müssen.

Wo ist die Umwegrentabilität?

Der Gedanke einer Umwegrentabilität, also der Hoffnung, dass es durch die zusätzlich wegen eines Fußballspiels in ein Land kommenden Menschen zu einer zusätzlichen Wertschöpfung kommt, klingt an sich nach einem vernünftigen wirtschaftlichen Aspekt. Nur ist diese Umwegrentabilität bei einem Fußballstadion in Wahrheit sehr gering. Jene Menschen, die für ein internationales Spiel auf ein paar Stunden anreisen, lassen in aller Regel kaum mehr Geld in der besuchten Stadt, als die enormen Polizei- und Sicherheitsaufwendungen im Stadion und außerhalb kosten.

Überdies sind viele Stadien oft nicht mehr durch Sport, sondern zunehmend durch ganz andere Events, etwa durch die Auftritte von Sängern oder Rockbands gefüllt. Das sind aber erst recht keine Anlässe, die aus Steuermitteln zu fördern sind.

Etwas ganz anderes ist die Umwegrentabilität beim Skifahren. Denn sowohl durch erfolgreiche österreichische Skifahrer wie auch durch die Austragung von Skirennen in attraktiven Orten werden Skitouristen angelockt. Der große Nutzen durch den Ski-Spitzensport steht in überhaupt keinem Vergleich zu dem geringen ökonomischen Nutzen von Fußballstadien.

Das Argument einer behaupteten "Umwegrentabilität" taucht übrigens ebenso beim ständigen Heischen der Kulturszene nach mehr Geld auf. Auch hier gibt es eine große Diskrepanz zwischen Kulturevents mit hoher Umwegrentabilität und solchen ohne jeglichen Nutzen (außer für die subventionierten Künstler und Theatermanager selbst).

Auch wenn es einem Großteil der Kulturlobby ungerecht vorkommen mag: Die Umwegrentabilität von Staatsoper, Musikverein oder Salzburger Festspielen, also der Kulturinstitutionen in der allerobersten Qualitätsklasse, ist gewaltig. Weshalb sie jedenfalls Anspruch auf großzügige Förderung haben sollten (wobei der Musikverein ohnedies fast nichts bekommt). Sie locken durch ihre globale Ausstrahlung zusammen mit dem Image Wiens und Salzburgs als Welthauptstädte der Musik sehr viele sehr betuchte Touristen an. Auch etliche der sommerlichen Spiele zwischen Bregenz und Mörbisch bringen zusätzliche Umsätze ins Land. Aus historischen Gründen leicht erklärbar ist es in Österreich fast immer die klassische Musikkultur, die auch einen echten Zusatznutzen bringt.

Bei sehr vielen anderen Subventionsempfängern gibt es hingegen praktisch überhaupt keinen solchen Nutzen. Was diese nicht hindert, dennoch lautstark die Hand aufzuhalten. Sie wissen: Die Politik traut sich fast nie, ein glasklares "Nein!" zu sagen. Sie gießt vielmehr ihre – mit unseren Steuergeldern gefüllte – Gießkanne immer sehr freigiebig aus. Ganz offensichtlich fürchten sich viele Politiker vor den spitzen Kommentaren der eng mit den Subventionsempfängern verbandelten Kulturjournalisten und zahlen daher lieber.

Bei Theatern und niederschwelligen Kulturevents wird oft argumentiert, dass die Vermittlung von Literatur doch eine wertvolle Sache sei. Selbst wenn man diese Annahme akzeptiert, sei darauf verwiesen, dass in den Schulen die Literatur- und Musikvermittlung signifikant zurückgegangen ist. Dass also dort ein viel wichtigerer Vermittlungsansatz versäumt wird.

Nicht nur Vermittlung, sondern gezieltes aktives Ausüben wäre ganz besonders in Sachen Musik wichtig. Denn wenn es unten keine breite Basis an musizierenden jungen Menschen gibt, besteht auch keine Chance, dass oben die weltweit attraktive Spitze gehalten werden kann. Aber diese ist eben genau das, wofür Österreich in der Welt steht.

Noch weniger verständlich als die ständig fließenden Sport- und Kultursubventionen oder als der verlangte Bau eines neuen Stadions ist der vom jetzigen Wiener Bürgermeister um einen dreistelligen Millionenbetrag geplante Bau einer neuen Mehrzweckhalle. Diese soll vor allem Unterhaltungsevents dienen.

Angesichts der Unzahl von schon existierenden neugebauten oder umgewidmeten Veranstaltungs- und Event-Locations in Wien wirkt es recht überraschend, dass der Bürgermeister annimmt, es gebe wirklich Nachfrage nach einer weiteren Halle. Aber einmal angenommen, es gäbe wirklich diesen zusätzlichen Bedarf. Dann sollte es eindeutig Aufgabe von Investoren sein, eine solche Halle zu bauen und zu finanzieren, und dann selbst das Risiko zu tragen, ob sie auf ihre Rechnung kommen. Die Stadt hat solche Dinge zu ermöglichen, aber nicht zu finanzieren. Sie hat nämlich tausende wichtigere Dinge zu tun. Siehe den Zustand mancher Schulen, siehe den viel zu langsam gehenden Bau neuer U-Bahn-Linien, siehe das Fehlen von Garagen, die zum Wechsel in die öffentlichen Verkehrsmittel führen, siehe insbesondere den katastrophalen Zustand vieler Wiener Krankenhäuser.

Sollte hingegen wirklich die öffentliche Hand eine solche Halle oder ein neues Stadion bauen, dann sind wir wirklich beim Panem et Circenses der römischen Kaiser in der Abstiegs- und Untergangsphase des Imperiums gelandet.

Aber es gibt Hoffnung: Die Politik scheint zu spüren, dass solche Projekte nicht mehr sonderlich populär sind. Das zeigen Meinungsumfragen ebenso wie Volksbefragungen über eine eventuelle Bewerbung als Austragungsort olympischer Spiele.

Daher zögert die Politik auch in Sachen "Neues Stadion". Auf der anderen Seite kämpft der österreichische Fußballbund mit vielen Tricks für seinen Wunsch. So hat er nun verkündet, künftig das Finale seines Cup-Wettbewerbs demonstrativ in Klagenfurt und nicht mehr in Wien auszutragen, obwohl es hier ja sowohl das alte, wie auch zwei neue Stadien gibt. So verbreitet der Fußballbund, um subtil Druck aufzubauen: Wenn Wien nicht will, dann könne man das neue Nationalstadion ja auch in Bruck an der Leitha oder in Parndorf machen ...

Und die Wiener Politik selbst agiert prompt als Zerrissene: Einmal sagt man "Eher Nein", dann doch wieder "Ja, vielleicht". Obwohl die Antwort immer ganz klar heißen sollte: "Macht nur, aber nicht mit dem Geld der Steuerzahler."

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