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Die Stimmen der Vernunft kommen zu spät

Die Stimmen der Vernunft sind lauter geworden. Noch nie war in der EZB, der Europäischen Zentralbank, der Widerstand gegen eine weitere Welle von direkten Staatsfinanzierungen durch die Euro-Bank so massiv wie in den vergangenen Tagen. Jedoch: Noch immer sind sie erfolglos.

Gewiss: Es hat auch schon bei früheren Entschlüssen Gerüchte gegeben, dass nicht alle in der EZB den Kurs der Negativzinsen und der – vertraglich eigentlich absolut verbotenen – direkten Staatsfinanzierung unterstützen. Aber der Widerstand gegen diese Politik des bisherigen EZB-Chefs Draghi wurde noch nie so deutlich nach außen getragen wie diesmal. Und das hängt nicht nur damit zusammen, dass aus Österreich nicht mehr der Keynesianer Nowotny an der Spitze der Nationalbank sitzt, sondern der wirtschaftsliberale Holzmann. Denn erstmals wurde ganz konkret bekannt, dass sich ebenso die EZB-Exponenten aus Deutschland, Estland, den Niederlanden und sensationeller Weise auch aus Frankreich gegen die neuen Anleihenkäufe ausgesprochen haben.

Damit zeigt sich aber auch eine – weitere – katastrophale Fehlkonstruktion der EZB: Diese Länder repräsentieren zwar deutlich die wirtschaftliche Mehrheit des Euro-Raumes. Sie haben aber nur die Minderheit der Stimmen in der EZB. Daher konnten Italien & Co neuerlich durchsetzen, sich weiterhin durch Verkauf von Anleihen an die EZB finanzieren zu können.

Diese Entwicklung wird spätestens dann explosiv werden und die gesamte Zukunft des Euro bedrohen, wenn die Blasen platzen, die durch die – schon jetzt 2,6 Billionen Euro ausmachenden – Anleihekäufe der EZB angefüllt werden. Diese Blasen finden sich vor allem in den Immobilienpreisen und in den Staatsschulden etlicher Länder, aber auch in vielen Aktienpreisen.

Die EZB-Gratisgeld-Politik hat aber seit Jahren auch Österreich in die gefährliche Illusion getrieben, dass keinerlei unpopuläre Maßnahmen nötig sind. Denn die EZB hat ja auch für Österreich die Staatsfinanzierung viel billiger gemacht, weshalb die an der Wirtschaftsleistung einer Spätkonjunkturphase gemessene Staatsschuldenquote derzeit ganz von selber ein wenig zurückgeht. Aber genau das wäre die einzig richtige Zeit gewesen, eine Pensionsreform – konkret: die dringendst nötige Erhöhung des Antrittsalters – zu realisieren.

Daher kommen die Stimmen der europäischen Vernunft wahrscheinlich viel zu spät.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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