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Manche bürgerlichen Österreicher, die eigentlich mit der Politik der Regierung Kurz recht zufrieden waren, haben sich in den letzten Monaten über ÖVP und/oder FPÖ geärgert. Zum Teil zu Recht, zum Teil aufgehetzt von der sehr einseitigen linken Berichterstattung vor allem im Gebührenfernsehen. Ein Teil von ihnen hat sich so geärgert, dass sie erwogen haben, gar nicht – oder Neos zu wählen.
Die Konsequenzen sind freilich klar: Beide Reaktionsformen bedeuten im Ergebnis eine eindeutige Stärkung der Linksparteien, insbesondere der Grünen, also jener Partei, die noch deutlich links von den Sozialdemokraten steht. Nicht nur das Nichtwählen, sondern auch das Wählen der Neos statt bisher Schwarz oder Blau hätte diese Konsequenz.
Denn die Neos kommen mit Sicherheit nur dann als Regierungspartner zum Zug, wenn gleichzeitig auch die Grünen in die Regierung kommen. Egal, ob diese nun zusammen mit der SPÖ oder mit der ÖVP gebildet werden sollte. Denn eine bloße Zweierkoalition nur zwischen Schwarz und Pink ist weit jeder Erreichbarkeit. Logischerweise erhöht ein Wechsel von der ÖVP zu den Neos die Chancen einer solchen Koalition um keinen Millimeter. Und FPÖ-Wähler werden wohl wenig mit den Neos anfangen.
Ebenfalls recht unwahrscheinlich, doch nach den letzten Umfragen immerhin um zwei Prozentpunkte wahrscheinlicher als eine schwarz-pinke Mehrheit ist eine solche für einen linken Dreier aus Rot, Grün und Pink; und zwar selbst dann, wenn man die weiteren zwei Prozentpunkte, die bei Umfragen auf die ORF-Dauerwerbesendung Pilz entfallen, nicht mitrechnet. Falls diese Dreiervariante aber eine Mandatsmehrheit haben sollte, kann man darauf wetten, dass sie auch wirklich gebildet wird.
Das geht ganz eindeutig aus dem Verhalten der Neos hervor: Haben sie doch ständig jede Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen abgelehnt, während sie gegenüber Rot und Grün keine einzige inhaltliche Hürde aufgestellt haben, die eine solche Linkskoalition unmöglich machen würde (Rot und Grün sind inhaltlich sowieso in so gut wie allen Fragen deckungsgleich).
Aber auch viele ihrer eigenen Inhalte machen die Neos für liberalkonservative Bürger zum großen Problem. Auch wenn man bei ihnen zum Unterschied von Rot und Grün zugleich etliche Pluspunkte findet.
Viele Wähler, die sich nicht sonderlich mit Inhalten befassen, ordnen die Neos politisch als gleichwertig mit der deutschen FDP ein, mit der die Neos ja im EU-Parlament in der gleichen Fraktion sitzen. Jedoch stehen diese in Wahrheit gesellschafts-, migrations-, aber zum Teil auch wirtschaftspolitisch deutlich links von ihrer deutschen Schwesterpartei.
Bei der FDP gibt es zum Unterschied von den Neos einige hochklassige Vertreter des klassischen Liberalismus, also jener Denkschule, die in Österreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für eine großartige Wirtschafts-, Menschenrechts- und Freiheits-Blüte gesorgt hat. Und die im 20. Jahrhundert global etwa durch die Erfolge von Ludwig Erhard, Reinhard Kamitz, Margaret Thatcher und Ronald Reagan verkörpert worden ist, und natürlich durch das Denkerduo Friedrich August Hayek und Milton Friedman.
Als Vertreter des klassischen Liberalismus hat die FDP vor zwei Jahren in Deutschland einer schon fix scheinenden Regierung mit CDU und Grünen eine klare Absage erteilt. Sie begnügt sich lieber mit den Oppositionsbänken, um ihren eigenen Grundsätzen nicht untreu zu werden. Sie haben erkannt: Grün und liberal passen nicht zusammen.
Die Neos sind im Gegensatz zur FDP eindeutig linksliberal. Sie haben daher nie auch nur angedeutet, dass sie mit den linksaußen stehenden Grünen Probleme hätten. Die Fernsehduelle zwischen den Grünen und den Pinken in Österreich waren sogar auffallend harmonisch.
Der Wirtschaftsliberalismus der Neos ist nur ein sehr oberflächlicher. Er geht nicht tiefer als der wieder anders geartete Liberalismus der – von den Neos heftig bekämpften – Wirtschaftskammer. Pointiert formuliert: Ein tüchtiger Hotelier ist halt noch nicht automatisch ein guter Ordnungspolitiker. Ob er nun pro oder kontra WKO ist.
Dabei sind die von der FDP abgelehnten deutschen Grünen (nicht nur durch die Herrn Palmer und Kretschmann) eindeutig weniger links als die österreichischen Grünen. Das ist wiederum eine logische Folge der spezifischen Politlandschaft in Deutschland, wo es mit der postkommunistischen "Linkspartei" im Gegensatz zu Österreich links von den Grünen noch eine weitere Partei gibt, welche die allerradikalsten Extremisten aufsaugt.
In der FDP haben hingegen schon mehrere prominente Exponenten öffentlich eine Allianz mit der AfD erwogen (die aber bisher von der Merkel-CDU abgelehnt wird). Die Neos lehnen hingegen vehement und geschlossen eine Kooperation mit der FPÖ ab. Was in der Stadt Wien nach der nächsten Wahl wohl sicher zu folgendem Szenario führen wird: Rot-Grün dürften zwar die Mehrheit verlieren (wegen der in Wien besonders drastischen Migrationsfolgen, aber etwa auch wegen der Affäre Chorherr-Vassilakou), aber die Neos werden – trotz allem Gerede von einem erwünschten Machtwechsel – weiterhin für einen linken Bürgermeister sorgen (Das ahnt übrigens auch der Wiener ÖVP-Chef Blümel schon lange und biedert sich deswegen selbst bei den Stadtroten als Alternativpartner an, wofür er als Medienminister jede Idee der Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren opfert).
In Wahrheit stehen die Neos viel weniger der deutschen FDP nahe als den französischen, niederländischen oder kanadischen Linksliberalen. In diesen Ländern ist so wie in den USA "Liberalismus" freilich nur eine Tarnbezeichnung für Sozialdemokratismus. Den nordeuropäischen Rechtsliberalen – die auch immer wieder mit den dortigen Rechtspopulisten kooperieren – stehen die Neos hingegen inhaltlich recht ferne.
Man kann die sehr linken Positionen der Neos aber nicht nur durch ihre Bündnispolitik, sondern auch inhaltlich konkretisieren:
Es sollte aber nicht verschwiegen werden, dass es im Bereich der Wirtschaft auch einige Punkte gibt, die klar für die Neos sprechen. Bei diesen Themen wäre es positiv und wichtig, dass sie inhaltlich Teil der künftigen Regierungspolitik werden. Das ginge aber nur in einer Koalition mit den beiden Rechtsparteien, während nichts davon in einem Bündnis mit den beiden Linksparteien durchsetzbar ist.
Da die Neos jedoch eine Rechtskoalition ausschließen, ist bei den folgenden, an sich lobenswerten Positivpunkten die Ernsthaftigkeit des Neos-Engagements zu bezweifeln. Darüber hinaus ist es um viele klassisch-liberale Inhalte im Neos-Wahlkampf sehr leise geworden. Laut waren fast nur die Attacken auf ÖVP und FPÖ. Und die linken gesellschaftspolitischen Aussagen.
Es wäre toll, wenn es möglich wäre, würden die (einstigen) positiven Ziele der Neos Teil der Regierungspolitik werden, die negativen aber alle draußen bleiben.
Das geht natürlich nicht – aber träumen wird man ja noch dürfen.
Etwas realistischer ist da schon ein anderer Traum: dass die ÖVP wieder mehr den Wirtschaftsliberalismus entdeckt, der sie in der Ära Schüssel so sehr geprägt hat. Was ja bei einem eventuellen Schwarz-Blau-Da-Capo sogar leichter als damals werden könnte, da die FPÖ derzeit weniger dem linken Sozialpopulismus frönt als unter Haider und Haupt.