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Wenn Menschen nach Freiheit rufen und niemand zuhören will

Das passt so überhaupt nicht in ein linkes Weltbild: Seit Wochen gehen in Hongkong trotz aller Bedrohungen Hunderttausende, bisweilen sogar über eine Million Menschen zum Protest gegen den immer engeren Zugriff der chinesischen Diktatur auf die Straße. Sie kämpfen für nichts anderes als ihre Freiheit, vor allem die Meinungsfreiheit. Verständnislos wenden linke Gesprächspartner (die ja meist nur materialistisch denken können) ein, dass es den Menschen in Hongkong wirtschaftlich und "sozial" doch gut gehe. Aber die Bürger Hongkongs wissen: Es gibt etwas noch viel Wichtigeres – die Freiheit. Sie haben diese lange im so gern verteufelten britischen "Kolonialismus" kennengelernt und genossen. Sie wollen seither ihre Freiheit keinesfalls mehr hergeben.

Das ist eine begeisternde, mutige und tief bewegende Haltung. Umso peinlicher sind die Reaktionen aus Europa.

Das sind beispielsweise die Worte des deutschen Außenministers Maas vom linken SPD-Flügel: Er könne "nur appellieren, dass sich alle Seiten zurücknehmen." Es dreht einem wirklich den Magen um, wenn da aus dem fernen Europa "alle Seiten" gleichermaßen beschuldigt werden. Als ob ein anständiger Mensch neutral zwischen nach Freiheit rufenden Menschen und einer Unterdrückungsdiktatur stehen könnte. An der Widerlichkeit dieser Äußerung des kleinen Mannes in stets perfekten Maßanzügen ändert es gar nichts, dass Maas hinzugeschwurbelt hat: "Wichtig wird für uns allerdings auch bleiben, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt wird." Auf deutsch: Wir tun eh so, als ob wir für Meinungsfreiheit wären, nur soll man sie halt bitte nicht verlangen.

Auch aus keinem anderen europäischen Land habe ich von einer Regierung klare Solidarität für das Verlangen nach Freiheit gehört. Aus Österreich hört man von der derzeitigen Regierung natürlich schon gar nichts dazu. Die sagt ja zu keinem internationalen Thema irgendetwas.

Mir sind jedenfalls bisher nur klare und mutige Reaktionen aus Großbritannien und den USA zu den Vorgängen in Hongkong und zu den ständigen schweren Menschenrechtsverletzungen in China selbst aufgefallen.

Freilich: Die Mainstreammedien haben ja so viel zu tun, die Regierungen Amerikas und Großbritanniens sowie einiger anderer Demokratien täglich als böse, weil rechts, zu geißeln, dass keine Aufmerksamkeit für das Aufbegehren in Hongkong und die Repression in sozialistischen Diktaturen übrigbleibt. Sie alterieren sich lieber tagelang darüber, dass die FPÖ einen angeblich ungeeigneten Mann in den Vorstand eines staatsnahen Betriebs gehievt hat.

Apropos ungeeignete Menschen in gehobene Positionen zu hieven: Da fällt mir sofort ein gewisser Werner Faymann ein, den die SPÖ 2008 in eine noch viel gehobenere Position gebracht hat. Mit Faymann sind wir aber auch gleich wieder bei China gelandet. Er ist jetzt als Berater unterwegs – genauer: als Berater für Unternehmen, "die nach China expandieren wollen".

Was auch immer Faymann von China verstehen soll: Das Land und sein Regime sind ihm offensichtlich sympathisch, sonst würde er China ja nicht zu Investitionen verhelfen wollen. Und die Beratung mittelasiatischer Diktaturen aus dem Imperium der ehemaligen Sowjetunion ist ja schon durch Faymanns Vorgänger Gusenbauer besetzt (den Faymann aus dem Bundeskanzleramt hinausintrigiert hat). Also ist Faymann halt eine Diktatur weitergegangen.

Da passt es auch perfekt dazu, dass die ORF-ZIB ausführlich über knappe zwei Dutzend Frauen berichtet, die im sonst jahrelang ignorierten El Salvador für die Freigabe der Abtreibung demonstrieren, statt sich intensiv den Vorgängen in Hongkong zu widmen.

Aber auch die schwarz-blaue Regierung stand der Linken in China-Freundlichkeit kaum nach. Sebastian Kurz hat sich intensiv in Panda-Diplomatie begeistert und Norbert Hofer hat zum Unterschied von vielen internationalen Experten Null Probleme mit dem Ankauf von Technologie des unter massivem Spionage-Verdacht stehenden Konzerns Huawei.

Ähnlich anbiedernd gegenüber Peking ist auch das Verhalten vieler anderer europäischer Regierungen und Medien.

Das hat sich schon lange vor Hongkong an ihrem Verhalten gegenüber dem Freiheitsdrang der Tibetaner gezeigt, der ja in früheren Jahren noch kräftig unterstützt worden war. Während der Dalai-Lama lange überall gesuchter Gesprächspartner und Gast gewesen ist, wird jetzt peinlich jeder Bezug und Kontakt vermieden. Denn wo auch immer früher der Dalai-Lama freundlich aufgenommen worden ist, sind bald chinesische Diplomaten aufgetaucht und haben freundlich Unfreundliches angedroht. Und bald hat man die Tibetaner vergessen.

In die gleiche chinafreundliche Haltung passt auch die Haltung Europas zum sogenannten Handelskrieg zwischen den USA und China. Dabei kann man fast nur zwei Reaktionsarten beobachten: entweder strikte Neutralität oder kräftiges Bashing gegen den amerikanischen Präsidenten, weil er diesen Handelskrieg eröffnet hat. Dabei wird jedoch nie auf die Motive und Ziele Donald Trumps eingegangen – obwohl diese eindeutig auch im europäischen Interesse liegen! Sie liegen so sehr in unserem Interesse, dass Trump in diesem Konflikt eigentlich massive Unterstützung des alten Kontinents verdienen würde.

Vor allem aus zwei Gründen:

Einerseits geht es um die Ängste vor Spionagemöglichkeiten durch Technik aus dem chinesischen Hause Huawei. Ich selbst kann das zwar technologisch nicht beurteilen. Aber es gibt zahlreiche IT-Experten, die da dieselben Ängste hegen wie Trump. Gerade die erst in den letzten Stunden aufgeflogenen massiven Versuche Pekings, über Twitter und Facebook getarnte Hassbotschaften gegen die Demokratiebewegung Hongkongs abzusetzen, zeigen, wie intensiv China elektronische Kampfmittel einzusetzen bereit ist.

Daher ist es wirklich unfassbar, wie wenig die in Europa tonangebende Gruppe aus EU, Grünen, Datenschützern und Mainstream-Medien sich bisher um die Spionage-Bedrohungen durch Huawei gekümmert hat. Aber wahrscheinlich hat ihre kollektive Intelligenz in Sachen IT nur dazu gereicht, uns die unsägliche Datenschutzverordnung zu bescheren, die sich als völlig überflüssig, bürokratisch und schikanös erwiesen hat. Und die Milliarden an Kosten verursacht hat.

Noch viel eindeutiger im langfristigen Interesse Europas liegt ein zweites Motiv Trumps: Das ist der chinesische Technologiediebstahl. Viele europäische Investoren haben dort das gleiche Schicksal erlitten: Ein ihnen zwangsweise ins Unternehmen gesetzter chinesischer "Partner" hat massiv Knowhow abgeschöpft. Und dann mit diesem Wissen selbst ein Konkurrenzunternehmen gegründet. Fast nie haben europäische Unternehmen dagegen einen ausreichenden Schutz durch chinesische Gerichte erhalten. Und viele Europäer wie Amerikaner haben deshalb bald wieder den erträumten chinesischen Markt verloren. Ähnliches droht jetzt bei vielen Unternehmen in Europa, wo man leichtfertig zugelassen hat, dass Chinesen die Kontrolle übernehmen.

Zumindest diese Sorge vor Technologiediebstahl ist mit Sicherheit keine paranoide Phantasie Trumps als Vorwand für einen Handelskrieg. Solche Fälle sind mir auch von österreichischen Unternehmern direkt bestätigt worden.

Warum sind die Europäer eigentlich so dumm und blind und charakterlos in Sachen China? Das hat zwei eindeutige Ursachen.

Die eine wird am deutlichsten durch einen alten Satz unbekannter Herkunft zusammengefasst (Lenin, dem er lange zugeschrieben worden ist, ist eher nicht sein Schöpfer, aber die Herkunft ist ja egal, es geht nur um den Inhalt): "Die Kapitalisten werden uns in ihrer Gier auch noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen."

Tatsächlich: Europäische Regierungen wie auch viele Unternehmen blicken mit so viel Geldgier auf das größte Land der Welt, dem man möglichst viel zu verkaufen hofft, dass sie auf jeden kritischen Blick auf die Zustände in China und vor allem auf die hohen Risiken für Investoren in jenem Land ohne funktionierendes Rechtssystem verzichten. Die Gier ist halt meist stärker als die Vernunft. Oder gar der Charakter.

Die zweite Ursache der europäischen China-Blindheit liegt in der ideologischen Schlagseite vieler Journalisten und Politiker. Für sie gibt es wirklich böse Regime und Politiker offensichtlich nur noch in westlichen Demokratien, die es gewagt haben, einen rechten Politiker an die Spitze zu wählen (auch wenn sich diese völlig verfassungskonform verhalten und natürlich auch einer Ab- oder Wiederwahl stellen). Dort hingegen, wo das Schild "sozialistisch" oder "kommunistisch" draufsteht, ist man plötzlich schmeichelweich. Dort stänkert man lieber gegen die Gegner dieser undemokratischen und rechtsstaatswidrigen Diktatoren oder tarnt seine Schlagseite durch Neutralität zwischen Regime und Opfern.

Das kann man von China über Kuba bis Venezuela perfekt nachweisen: Siehe etwa die höhnische Bezeichnung "selbsternannter Präsident" für Interimspräsident Juan Guaidó, die der ORF ständig verwendet. Obwohl dieser – wie eine mutige österreichische Diplomatin öffentlich gesagt hat – vom Parlament gemäß Verfassung zum Präsidenten gewählt worden ist; und das Parlament ist wiederum die letzte noch in einer korrekten Volkswahl bestellte Institution Venezuelas.

Lediglich bei Russland tut sich die Linke schwer. Denn einerseits hat man automatisch große Sympathien für einen ehemaligen Offizier des kommunistischen Geheimdienstes. Dies hat man gleich doppelt, wenn der Alt-KGBler den Untergang der "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" als größtes Unglück seines Lebens beklagt. Andererseits gibt es aber auch (erstaunliche) Sympathien für Russland bei einigen europäischen Rechtsparteien. Was den linken Mainstream gleichzeitig wiederum – ebenso automatisch – gegen Russland einnimmt. Da kommt am Schluss bei manchen Medien sogar eine objektive Berichterstattung heraus.

Wie sehr viele Journalisten und Politiker links der Mitte kommunistisch-sozialistische Diktaturen ganz automatisch beschönigen, verharmlosen oder vertuschen, sieht man derzeit wieder besonders deutlich bei den Erinnerungen an das 30 Jahre zurückliegenden Jahr 1989, also das Jahr der sanften Revolution in Osteuropa und der brutalen Niederwalzung der Demokratieerhebung in Peking. Diesen Jahrestag kann man zwar nicht ganz übergehen, aber man befasst sich dabei immer nur mit malerischen Details der damaligen Vorgänge. Und geht aber nie auf das Wesentliche ein. Also warum sich die Menschen erhoben haben. Also auf die massive Unterdrückung, die Massenverfolgungen und den wirtschaftlichen Niedergang im "real existierenden" Sozialismus. Und schon gar nicht auf das ständige und tapfere Verlangen der Osteuropäer nach Freiheit, das sich immer wieder revolutionär Bahn verschafft hat: !953, 1956, 1968, 1981 – und schließlich mit Erfolg 1989.

Dieser damals durch ganz Osteuropa schallende Ruf "Freiheit" ist den Linken spätestens dann endgültig suspekt geworden, seit klar geworden ist, dass die osteuropäischen Menschen darunter neben der Meinungsfreiheit (die ja jeder Political Correctness widerstrebt), neben der Freiheit von Polizei- und Gerichts-Repression auch in ganz hohem Ausmaß "nationale Freiheit" verstanden haben und verstehen.

Sie denunzieren lieber die damaligen Freiheitskämpfer, die vor allem in Polen und Ungarn direkt an der Macht sind, weil sie sich nicht einer als ebenfalls zunehmend drückend empfundenen Diktatur der Political Correctness und der EU unterwerfen wollen. Weil sie zu oft aus den aus Berlin und Brüssel kommenden Tönen die übel vertraute Stimme der einstigen Moskauer Machthaber heraushören.

Und sie geben schon gar nicht zu, dass die Rufe nach "Freiheit!" 1989 und 2019 so total ähnlich sind.

Aber die Gegner der Freiheit haben vor allem in den deutschsprachigen Ländern schon fast gewonnen: Ist doch eine massive Mehrheit der Menschen heute bereits überzeugt, dass man öffentlich längst nicht mehr alles sagen darf, was man sich denkt.

So wie einst vor 1989 im Osten Europas und vor 1945 in Deutschland und Umgebung. Und heute noch in China, Kuba und Vietnam.

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