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Treichl hat Recht – nur ein schlechtes Gedächtnis

Der Chef der Erste Bank nennt eine erschreckende Zahl: Die österreichischen Sparer haben durch die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank alleine im Vorjahr fünf Milliarden Euro verloren (was zwar schon seit Jahren so geht, aber durch Andreas Treichl erstmals mit einer solchen Schockzahl bewertet worden ist). Der Banker attackiert deshalb voll die Politik, die darüber überhaupt nicht reden würde. Wie recht er mit dieser Attacke hat! Und wie vergesslich er dabei aber ist!

Denn eine ganze große politische Bewegung ist aus der Kritik an genau dieser EZB-Politik überhaupt erst entstanden: Das war die "Alternative für Deutschland". Ihr Gründer, der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke, hat schon 2012 haargenau diese von Treichl verlangte Kritik an einer angeblich alternativlosen Politik geübt (die dann später in den Schatten des noch bedrohlicher gewordenen Migrationsthemas geraten ist, die aber noch immer AfD-Thema ist). Treichl und viele andere Mainstream-Persönlichkeiten haben es  jedoch immer peinlich vermieden gehabt, auch nur irgendwie in die Nähe Luckes und der AfD zu geraten, weil ihnen das die Linken durch die Denunzierung der AfD als "rechtsextrem" raffiniert vermiest haben. Das sollte man halt schon ehrlich zugeben, wenn man 2019 die Beraubung der Sparer anprangert.

Alle anderen Parteien in Deutschland wie Österreich haben tatsächlich nie diese Negativzinspolitik wirklich kritisiert. Aus leicht erkennbaren Gründen. Denn überall dort, wo sie regional oder national in Regierungsverantwortung sitzen, haben sie von dieser EZB-Politik und der Produktion ständig wachsender Euro-Mengen enorm profitiert. Staaten wie Bundesländer können sich seither immer billiger finanzieren und refinanzieren. Ihnen werden von Banken und EZB die Kredite geradezu nachgeworfen. Sie brauchen deshalb nicht zu sparen und haben dennoch in den letzten Jahren die Staatsverschuldung deutlich reduzieren können.

Genau diese Entwicklung war das wahre Ziel der EZB. Genau deswegen haben die politisch Mächtigen Europas in den letzten Jahren auch immer dafür gesorgt, dass Italiener oder Franzosen an die Spitze der EZB kommen, also Exponenten von undisziplinierten Schuldenländern. Die haben in (bloß formeller) Unabhängigkeit der EZB erwartungsgemäß dafür gesorgt, dass diese üppige Geldpolitik zur Rettung der verantwortungslosen Mittelmeerländer ständig weitergeht.

Zwar haben deutsche und niederländische Experten dagegen protestiert, aber ein Kritiker nach dem anderen biss sich die Zähne an der EZB aus. Denn auch die deutsche Regierung hat die Kritiker nicht unterstützt. Ebensowenig taten das die nationalen Höchstgerichte. Sie sagten jedes Mal, wenn sie gegen die verantwortungslose EZB-Politik angerufen wurden: Tut uns leid, aber die EZB könne das alles laut Vertrag, außerdem haben wir keine Macht mehr über EU-Institutionen..

Wir sollten uns aber auch bewusst sein: Auch die Euro-Länder im Norden profitieren ganz enorm vom europäischen Gratisgeld. Daher übten sie maximal Scheinwiderstand gegen die Politik der EZB.

Eine besonders üble Rolle spielte dabei der in den nächsten Wochen abtretende österreichische Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny. Er hat nie auch nur eine Sekunde die österreichischen Sparer geschützt. Er ist nie der Kritik seiner deutschen Kollegen an der EZB zur Seite getreten. Er war als gestandener Sozialist vielmehr immer auf der Seite jener, die via Geldpolitik die Sparer (die angeblich "Reichen") berauben und so den staatlichen Machtapparat und die Nichtstuer (die von Sozialdemokraten stets bemitleideten "Armen") finanzieren wollten.

Man darf gespannt werden, ob sich der von der FPÖ nominierte Nachfolger Robert Holzmann da anders positionieren wird. Er hat sich jedenfalls bisher mit allen Äußerungen zurückgehalten.

Seit Schaffung der EZB ist in Wahrheit das – von Treichl noch immer gelobte – Prinzip völlig aus den Angeln gehoben, dass sich die Politik nicht in die Notenbank- und Währungspolitik einmischen sollte. Es galt in Österreich und Deutschland seit Kriegsende, als die Notenbanken einzig und allein die Aufgabe hatten, die Stabilität der Währung aufrechtzuerhalten. Was sie auch bei Schilling und D-Mark hervorragend getan haben.

Sie mussten das oft gegen die Wünsche der Politik machen. So kam es deshalb in Österreich zu einem schweren politischen Krieg zwischen Hannes Androsch, der die ökonomische Vernunft zu verteidigen suchte, und Bruno Kreisky, der wusste, das mit billigerem Geld für die seit seiner Ära verschuldeten Staatskassa leichter Wahlen zu gewinnen sind.

In Zeiten von Schilling und Deutschland-Mark hatten die Notenbanken es leicht, solche Angriffe der Politik abzuwehren. Denn wer auch immer dort an die Spitze kam, ignorierte – bis Nowotny – die Wünsche der Politik und achtete nur noch auf die Stabilität. Entscheidend für ihr Verhalten war wohl, dass damals die Erinnerung an die Zwischenkriegszeit mit Megainflation und folgender Weltwirtschaftskrise noch in frischer Erinnerung war.

Diese Politik ihrer Notenbanken hat die beiden Staaten in den Zeiten des Wirtschaftswunders so erfolgreich gemacht. Es waren damals auch keineswegs nur die Notenbanker, die Geldstabilität über alles wertschätzten. Auch ein Ludwig Erhard, ein Reinhard Kamitz, ein Konrad Adenauer, ein Julius Raab, ein Josef Klaus, ein Karl Schiller, ein Helmut Schmidt wussten darüber exzellent Bescheid.

Inzwischen sind es keineswegs nur linke Politiker, die den Wert langfristiger Stabilität vergessen und nur noch im Kopf haben, dass man mit billigem Geld kurzfristig viel leichter regieren kann. Am auffälligsten ist dies derzeit bei Donald Trump, der ständig öffentlich die amerikanische Notenbank auffordert, die Zinsen zu senken. Was sie nun auch soeben getan hat.

Trump hat das seit langem gefordert – angeblich, damit es der Wirtschaft gut geht. Aber der geht es in den USA ohnedies sehr gut. Trump braucht das billige Geld vielmehr deswegen, weil er beim Budget sehr ausgaben- und schuldenfreudig ist. Freilich muss man zur Rechtfertigung der USA sagen: Dort sind die Zinsen in den letzten zehn Jahren mehrmals erhöht worden, nachdem sie im Crash 2008 kurzfristig abgeschafft worden waren. Europa hingegen hat die Zinsen in der gleichen Zeit immer nur gesenkt – obwohl es auch hier inzwischen einen kleinen Boom gegeben hat –, bis sie inzwischen sogar schon negativ geworden sind - zum ersten Mal in der Geschichte: Banken müssen jetzt sogar Geld dafür zahlen, wenn sie bei der EZB Geld liegen haben.

Verteidiger dieser EZB-Politik geben natürlich nie zu, dass diese primär der Politik und vor allem den verantwortungslosen Südeuropäern helfen will. Sie reden vielmehr ständig davon,

  • dass die Wirtschaft durch Billiggeld angekurbelt werden müsse,
  • dass die EZB-Politik Konjunkturkrisen verhindert habe,
  • dass mit Hilfe dieser Gratisgeld-Politik das angebliche Inflations-"Ziel" von zwei Prozent erreicht werden müsse (dabei hat bis 2008 dieses "Ziel" immer das totale Gegenteil bedeutet: Notenbanken sollten alles tun, dass die gemessene Inflation auf zwei Prozent heruntergebracht werden müsse; nie hat es ein Hinaufbringen bedeutet).

Manche werden nun meinen, dass das Vermeiden von Krisen und staatlichen Sparpaketen doch eine gute Sache sei. Nein, muss man jedoch klar antworten. Nein, das ist es ganz und gar nicht. Es ist sogar katastrophal, wenn diese "gute Sache" zu fürchterlichen Kosten und mit großen Risken erkauft wird, die weit ärger sind, als es eine kleine kurzfristige Krise gewesen wäre. Die schlimmsten dieser Kosten und Risiken:

  1. Die Inflation ist ja nur bei den im offiziellen Verbraucherpreisindex gemessenen Preisen niedrig. Beim stetig andauernden Höhenflug der Aktienpreise und noch mehr beim Preis der Immobilien ist sie  gewaltig. Niedrig ist sie nur bei jenen Produkten, wo primär der Preis der aus China und Umgebung importierten Industriewaren eine entscheidende Rolle spielt (vom Kinderspielzeug bis zu den Solarpaneelen und den iPhones).
  2. Der Höhenflug der Immobilen- und Aktienpreise hat zur Bildung immens großer Blasen geführt, die eines Tages mit gefährlichen Folgen platzen werden. Was mit Sicherheit dann wieder zu schweren Krisen führen muss, sitzen doch viele Banken primär auf Immobilien und Aktien als Sicherheiten für die von ihnen vergebenen Kredite (nur zur Erinnerung: Das Vergeben von immer mehr Krediten durch die Banken war und ist ja das erklärte Ziel der EZB-Negativzinspolitik!).
  3. Die immense Produktion von durch nichts gedecktem Geld in der EZB führt am Ende des Tages vor allem zu einem: zu gewaltigen Überschüssen in China (und einigen anderen Ländern in Ostasien. Die Chinesen sind aber nicht blöd und wissen, was für eine verderbliche Ware Euro- und Dollar-Noten in ihren Tresoren sind. Sie haben daher im Expresstempo begonnen, sich darum in Europas Industrien und noch mehr in Afrikas Landwirtschaft und Bodenschätze einzukaufen. Das hat China zu globaler Macht verholfen, die längst die von Russland und auch Europa überholt hat. Dass das eine echte Gefahr ist, weil China weder Demokratie noch Rechtsstaat ist, haben bisher einzig die USA als globale Bedrohung für viele Länder erkannt.
  4. Wenn Geld in überreichem Maß vorhanden ist, führt das dazu, dass auch Verluste machende Unternehmen jahrelang am Leben gehalten werden ("Zombie-Firmen"). Es kommt überdies leichtfertig zu Fehlinvestitionen, was sich in der nächsten Krise blutig mit serienweisen Konkursen niederschlagen wird. Was nicht einmal eine Abschaffung der Strafrechtsparagraphen gegen vorsätzliche oder fahrlässige Krida verhindern könnte.
  5. Massives Opfer der EZB-Politik sind alle, die eine Wohnung oder ein Haus suchen, um darin leben zu können. Das sind meist junge Familien. Sie können mit ihren oft noch geringen Ersparnissen nicht gegen die Milliarden konkurrieren, mit denen die – meist auch aus normalen Bürgern bestehenden – Geldanleger in Immobilien flüchten. Flüchten müssen, wollen sie nicht rapide all ihr Erspartes verlieren.
  6. Der direkteste Verlierer der EZB-Negativzinspolitik sind alle Sparer, die eben noch nicht in Immobilien & Co geflüchtet sind. Sie bekommen nichts für ihr erspartes Geld, obwohl die Geldentwertung selbst bei den Industrieprodukten regelmäßig knapp unter zwei Prozent jährlich liegt. Von Sparzinsen, die wie einst über der Inflationsrate liegen, können sie nicht einmal mehr träumen. Sie verlieren jährlich nach den Berechnungen Treichls fünf Milliarden. Aber ohne sich zu wehren. Aber ohne die Politik erzürnt unter Druck zu setzen, weil ihr für die Pensionsjahre Erspartes flott dahinschmilzt.

Gewiss: Auch aus der Generation der Urgroßeltern haben viele 1918 ihre gesamten Ersparnisse verloren, die sie in Kriegsanleihen gesteckt hatten. Das geschah damals sogar schlagartig, während es jetzt auf mehrere Jahre aufgeteilt erfolgt. Andere haben dann einige Jahre später in der Hyperinflation den Rest ihrer Ersparnisse verloren. Und der Rest in der zwangsläufig folgenden Weltwirtschaftskrise.

Die politischen Folgen sind bekannt.

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