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In einem Punkt scheinen sich seit einiger Zeit weltweit linke wie rechte Politiker in erschreckendem Ausmaß einig: Sparsamkeit, das Bemühen, ja die Notwendigkeit, mit dem vorhandenen Geld auszukommen, sind altväterische Eigenschaften geworden, über die man nur noch lachen kann. Konsumieren statt Anstrengung, Disziplin und Leistung heißt die Devise. Politische Erfolge erzielt man, indem man Geld mit beiden Händen ausgibt, und nicht durch Sparen. Freilich gibt es dabei einen Riesenunterschied zwischen den einzelnen Staaten: Die einen – im Osten – haben mittlerweile das nötige Geld dafür, die anderen – im Westen – nicht mehr. Was auch diese freilich nicht hindert, es dennoch üppig auszugeben.
Die jüngsten internationalen Beispiele dieser Entwicklung sind hierzulande nur zum Teil registriert worden. Und sie stammen keineswegs nur von als Populisten etikettierten Politikern.
Das waren alles nur Beispiele von Politikern, die rechts der Mitte angesiedelt sind. Sie machen jetzt in vielen Ländern genau das, was man früher immer nur linken Politikern vorhalten hat müssen, nämlich Wählerbestechung durch große Ausgabenfreudigkeit. Die Zeiten einer Margaret Thatcher und anderer erfolgreicher konservativer Sparmeister sinken schon in eine geradezu prähistorische Vergangenheit zurück.
Politisch muss man den Spendierwilligen freilich in einem Punkt Recht geben: Überall scheint eine solche Politik Erfolg zu bringen. Denn die Wähler denken sich: "Warum sollen wir fürs Sparen sein, wenn es auch die Politik nicht mehr ist? Die sind ja verantwortlich, ob sich das alles ausgeht."
Wen kümmert es, dass eine solche kollektive Einstellung langfristig mit Sicherheit gegen die Wand donnern muss, wie wir es in Griechenland etwa schon gesehen haben? Das droht aber, egal, ob linke oder rechte Politiker daran schuld sind. Sie leben alle nur noch im Heute und Jetzt. Für die Politik gilt es fast nur noch die nächsten Wahlen zu gewinnen, die nachhaltige Zukunft eines Landes wird hingegen immer nebensächlicher.
Freilich sollte man objektiv zugeben: Die Osteuropäer können es sich erstmals leisten, und haben es auch moralisch verdient, dass das Geld jetzt lockerer fließt. Sie haben 40 Jahre unter den Kommunisten gelitten und gedarbt; sie haben dann 30 Jahre hart am nachkommunistischen Wiederaufbau ihres Landes gearbeitet. Jetzt geht es ihrer Wirtschaft exzellent. Jetzt haben sie kollektiv das Gefühl, endlich einmal einen ordentlichen Schluck aus der Wohlstandsflasche nehmen zu dürfen.
Dieser Zeitablauf von 30 Jahren ist auch im Vergleich zu Westeuropa hochinteressant, wo es keinen Kommunismus mit all seinen schlimmen Folgen gegeben hat. Bei uns ist das Weltkriegsende ein vergleichbarer Zeitpunkt, ab dem es aufwärts gehen konnte. Nach 1945 hat man bei uns rund 30 Jahre hart und diszipliniert für Wiederaufbau und Wirtschaftswunder gearbeitet, ähnlich wie in den exkommunistischen Staaten nach 1989 in die Hände gespuckt worden ist.
Nach diesen 30 Jahren einer leistungsorientierten Aufschwungszeit sind im Westen langsam all diese guten und wichtigen Eigenschaften einer Wiederaufbauzeit in den Hintergrund getreten, zuerst in der Politik, dann haben auch die Menschen das Wissen um Disziplin und Leistung verloren. Deutschland und Österreich haben jetzt nur den Vorteil, dass die Südeuropäer noch undisziplinierter gewesen sind. Da fällt nicht so auf, dass es in diesen Ländern in die gleiche Richtung gegangen ist.
Interessant ist jedenfalls, dass es in West wie Ost nach der jeweiligen letzten Katastrophe rund 30 Jahre gedauert hat, bis eine Nation vom Sparen zum Konsumieren gewechselt ist.
Das wirft die Vermutung auf, dass es noch eine weitere Parallele gibt. Nach diesem Wechsel der 70er Jahre hat es jedenfalls noch rund weitere 10 Jahre gedauert, bis in Deutschland und Österreich plötzlich der Kampf gegen den Nationalsozialismus ausgebrochen ist. Die letzten Nazis sind in Pension gegangen, da hat sie niemand mehr gebraucht, da konnte man jetzt anfangen, sie heldenhaft zu bekämpfen. Was in Österreich ziemlich genau mit Franz Vranitzky begonnen hat, der ab 1986 Bundeskanzler geworden ist.
Es spricht nun manches dafür, dass eine ähnliche Frist auch für Osteuropa gilt. Dass auch dort in zehn Jahren endlich die vielen kommunistischen Verbrechen und der totalitäre Terror aufgearbeitet werden, dass auch dort eine Welle von Prozessen gegen ex-kommunistische Greise beginnt. Man darf gespannt sein.
Denn das, was heute westliche Linke mit moralistischer Empörung anklagen, ist in Osteuropa genauso passiert: Man hatte nach dem Zusammenbruch keine Zeit für die Aufarbeitung, für die Verfolgung der vielen kommunistischen Untaten und Menschrechtsverletzungen, Folterungen, Inhaftierungen und politischen Morde. Man brauchte damals vielmehr all die Belasteten für den Wiederaufbau.
Diese Haltung war im Westen nach 1945 genauso vorherrschend. Sie hat sich jedoch nach dem Ende der Ärmel-Aufkrempel-Jahre total geändert. Vor allem in Deutschland und Österreich sind Tausende nach 40 Jahren und mehr zu hauptberuflichen und hochmoralischen Vergangenheitsaufarbeitern der NS-Zeit geworden.
Sollte es auch in dieser Hinsicht Parallelen geben, dann wird man auch in Osteuropa in rund zehn Jahren den Beginn einer ähnlichen Wende beobachten können, unter dem an Brecht angelehnten Motto: "Zuerst wurde das Fressen ermöglicht, jetzt haben wir Zeit für die Moral".