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Die Casinos, die Parteien und die Staatsanwälte

Es ist eine der vielen schmutzigen Aktionen in diesem Wahlkampf. Ihr werden wohl noch viele weitere folgen, obwohl sie letztlich immer nur zu einem Ergebnis führen: Die Menschen wenden sich noch mehr angewidert von der repräsentativen Demokratie ab. Dennoch sollte man sich den Fall des Avancements des Freiheitlichen Peter Sidlo zu einem der Casino-Vorstände viel intensiver anschauen als bisher geschehen Dieses Avancement ist für viele Medien tagelang bestimmendes Thema gewesen. Und er hat die stramm linke Korruptionsstaatsanwaltschaft sogar zu einer ihrer – wie häufig maßlos überzogenen – Hausdurchsuchungen ausrücken lassen. Je näher man den Fall anschaut, umso brisanter und interessanter wird er. 

Man kann an ihm vor allem auch gravierende Fehler der gesamten politischen und ökonomischen Konstruktion dieses Landes erkennen. Man kann, man könnte aus ihm aber auch sehr positive Lehren ziehen. Das würde freilich nur dann geschehen, hätten Politik und Medien dieses Landes einen weiteren Horizont als bis zum Rand des jeweils aktivierten Schmutzkübels.

Ich kenne Herrn Sidlo nicht persönlich. Ich habe aber auch wenig Grund, am Gutachten des unabhängigen Personalberaters zu zweifeln, der Sidlos Qualifikation als für eine Vorstandsfunktion nicht ausreichend angesehen hat. Der Berater hat dies vor allem mit Mangel an "Führungs- und Finanzerfahrung von relevanter Größe und Komplexität" begründet. Sidlo habe bei keinem Unternehmen vergleichbarer Größe eine leitende Tätigkeit ausgeübt.

Dennoch hat ihn der Aufsichtsrat der Casino AG auf offensichtlichen Wunsch der Regierung zu einem Vorstandsmitglied bestellt. Da der Staat dort aber keine absolute Mehrheit hatte, musste er für die Bestellung den Konsens mit einem anderen Aktionär suchen. Den Konsens fand er mit der ebenfalls an den Casinos beteiligten Novomatic-Gruppe.

Eine anonyme Anzeige – eine ganz typische Schmutzkübelwaffe – behauptet nun, dass für deren Zustimmung eine konkrete gesetzwidrige Gegenleistung versprochen worden ist. Freilich hat die Anzeige keinerlei Beweise beigebracht. Überdies Versprechungen der Republik an die Novomatic-Gruppe rechtlich hanebüchen, dies gleich in mehrerlei Hinsicht. Dennoch waren für die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Behauptungen dieser anonymen Anzeige ausreichend, um die große Berta ausrücken lassen. Motto: Wenn es schon keine Beweise gibt, könnte man ja welche finden.

Diese Staatsanwaltschaft rückt ja neuerdings jedesmal in großem Stil aus, solange sich etwas "nicht ausschließen" lässt. Ist dieses Man-kann-etwas-nicht-ausschließen-daher-gehen-wir-in-aller-Schärfe-vor schon an sich für einen Rechtsstaat extrem bedenklich, so ist noch viel bedenklicher, dass die Korruptionsstaatsanwalt immer nur gegen Schwarz oder Blau solchen Verdacht zu hegen pflegt. Das ist andererseits ja auch verständlich: Ein aufrechter Linker traut schon genetisch Schwarz und Blau immer alles Böse zu. Diese Überzeugung ist ja geradezu der Kern seines Selbstwertgefühls. Gegen die Millionen Steuergeld für Medienbestechung durch die Gemeinde Wien hegen die Staatsanwälte hingegen nie Verdacht. Obwohl da die Beweise gar nicht mehr gesucht werden müssen.

So weit, so bekannt. Jedenfalls sind fast alle von mir befragten Juristen überzeugt, dass auch diesmal die Aktivitäten der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu keiner einzigen rechtskräftigen Verurteilung von irgendjemandem führen werden. Höchstens dazu, dass pikante Informationen irgendwelcher Art aus dem Handy von H.C. Strache zum richtigen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit dringen werden.

Jedoch gibt es einige viel weniger behandelte Fragen, die jedoch viel interessanter sind.

Erstens: Warum wurde Sidlo, ein nicht sonderlich qualifizierter Kandidat, von staatlicher Seite überhaupt als neues Vorstandsmitglied vorgeschlagen? Die Antwort: Es musste offensichtlich ein Freiheitlicher sein. Für Parteichef Strache war es durch seine ganze Vizekanzlerzeit ein zentrales Ziel, dass bei allen Personalbesetzungen auch Freiheitliche mit zum Zug kamen. Da aber die FPÖ als lange von allen Futtertrögen ausgeschlossene Partei in vielen Bereichen niemanden in Spitzenfunktionen hatte, hat sie oft Probleme gehabt, genug Kandidaten zu finden. Kandidaten ohne Parteistempel waren für Strache hingegen – trotz all seiner früheren Kritik am rot-schwarzen System – uninteressant.

Zweitens: Sind die Personalbestellungen von Rot und Schwarz im Staatsbereich besser gewesen? Kaum. Zwar haben die beiden ein größeres Personalreservoir, aber andererseits ist bei roten wie schwarzen Bestellungen genauso im Hinterzimmer gedealt worden. Nur ist bei ihren parteinahen Postenbesetzungen nie  - wider alle Vertraulichkeitspflichten und wider allen Datenschutz - das Gutachten eines Personalberaters an die Öffentlichkeit gespielt worden. Sofern es ein solches überhaupt gegeben hat.

Drittens: Gibt’s da konkrete Fälle, die das beweisen? Jede Menge. Es seien zwei genannt. So hat der unmittelbare Sidlo-Vorgänger Dietmar Hoscher (der dem Blauen weichen musste) genauso wenig wie Sidlo vorherige Führungsverantwortung in einem Unternehmen erworben; Hoschers Lebenslauf zeigt vielmehr eine reine SPÖ-Parteikarriere in Landtag, Bundesrat und Nationalrat, sowie ein paar ebenfalls mit der Partei zusammenhängende Funktionen wie im ORF-Stiftungsrat, beim SK Rapid oder in der Nationalbank, als Minister- und Klubsekretär.
Auch der Karriereweg von Christian Kern ganz ähnlich. Dieser ist als Pressesprecher des SPÖ-Klubobmanns direkt in eine rein von der Partei ermöglichte Raketenkarriere in den "Verbund" gewechselt. Dabei ist dieser wirtschaftlich ein weit wichtigeres Unternehmen als die Casinos (vom Verbund-Vorstand ging‘s für Kern auf den Flügeln der Partei dann zu ÖBB und ins Bundeskanzleramt). Auch Kern hat nirgendwo anders vor dem Verbund – und schon gar nicht in der Privatindustrie – die von Sidlo verlangten Führungs-Erfahrungen gesammelt.

Viertens: Warum hat der Aufsichtsratsvorsitzende Walter Rothensteiner das wenig schmeichelhafte Gutachten über Sidlo nicht allen Aufsichtsräten zukommen lassen? Präziser gefragt: Warum hat der Aufsichtsrat mit Mehrheit ausdrücklich beschlossen, dass das Gutachten nicht allen weitergegeben wird? Diese auf den ersten Blick sehr merkwürdig erscheinende Vorgangsweise findet man jedoch in vielen Aufsichtsräten. Sobald sich vor der eigentlichen Sitzung eine Mehrheits-Gruppe auf etwas geeinigt hat, trachtet sie, ihre Entscheidung möglichst problemlos durch die Sitzung zu bringen. Dabei will man der Minderheit möglichst wenige Gegenargumente in die Hand geben.

Fünftens: Warum aber fürchtet man sich so vor einer andersdenkenden Minderheit im Aufsichtsrat? Könnte diese nicht neue, interessante Argumente vorbringen? Das ist einerseits extrem selten, dass in einer offiziellen Aufsichtsratssitzung etwas ganz Neues, noch nicht Vorbesprochenes vorgeschlagen wird. Und andererseits sitzen in vielen Aufsichtsräten auch Betriebsräte, die meist nicht gerade die gleichen Interessen wie die von den Eigentümern entsandten Aufsichtsräte haben. Daher sind seit dieser sogenannten Mitbestimmung in hohem Ausmaß relevante Diskussionen aus den Aufsichtsräten hinausverlagert worden.

Sechstens: Warum ist bei Staatsbeteiligungen eine ganz offene Diskussion im Aufsichtsrat besonders heikel? Weil dort vielfach nicht nur Betriebsräte, sondern direkt parteipolitisch agierende Arbeitnehmervertreter sitzen, die direkte strategische Kanäle zu Gewerkschaft, Arbeiterkammer und SPÖ haben. Überdies weiß jeder Wirtschaftsjournalist: Über die Arbeitnehmervertreter erfahren sie am ehesten jene Dinge aus einem staatsnahen Aufsichtsrat, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Deswegen werden gerade in Aufsichtsräten staatsnaher Betriebe besonders häufig wirklich heikle Themen zuerst in der Gruppe der Eigentümervertreter vorbesprochen.

Siebentens: Warum befolgen die vom Eigentümer entsandten Aufsichtsräte trotz ihrer unabhängigen Position so häufig dessen Wünsche? Ganz einfach, weil sie wiederbestellt werden wollen. Dieser Zusammenhang ist bei staats-, also parteibestellten Aufsichtsräten noch viel problematischer, weil dort Eigentümer oft sehr unternehmensfremde Ziele verfolgen, wie etwa das Unterbringen der "eigenen" Leute. Aufsichtsräte, die von privaten Eigentümern entsandt werden, haben hingegen meist nur die Zukunft des Unternehmens im Auge. Sehr oft sind sie sogar selbst Aktionäre.

Achtens: Wieso gibt es bei den Casinos ein besonderes Problem? Dort gibt’s Probleme, seit die Republik nicht mehr die absolute Mehrheit kontrolliert. Etliche der zum Teil kirchen- und raiffeisennahen Gruppen, die lange dort mehrere kleine, aber strategisch wichtige Anteile gehalten haben, haben diese im Lauf der letzten Jahre zu Geld gemacht. Jetzt ringen dort zwei direkt aus der Branche kommende Miteigentümer mit der Republik um die Kontrolle über die Casag, die Casinos Austria AG: Das ist Novomatic als drittstärkste Gruppe; wobei Novomatic die Strategie hat, sich mit dem Staat – also auf deutsch den Parteien – sehr gut zu stellen. Und das ist die tschechische Sazka-Gruppe als mittlerweile mit 34 Prozent größte Gruppe; diese wiederum kämpft sehr aggressiv um die ganze Kontrolle. Sazka zwingt dadurch die beiden österreichischen Eigentümer, Republik und Novomatic, geradezu zu einer gemeinsamen Abwehrschlacht. Und Sazka hat sich mit Sicherheit sehr gefreut, als sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft wie ein  Elefant im Casag-Porzellanladen aufgeführt hat.

Neuntens: Sind die Geschäfte der Casag in den letzten Jahren erfolgreich geführt worden? Nicht wirklich. Lange waren die Casinos zwar eine Goldgrube, aber dann haben schlimme Rückschläge zu einer schmerzhaften Restrukturierung geführt. Der Markt hat sich an der Casag vorbei verändert. Das internationale Geschäft musste massiv abgebaut werden. Spieler gehen viel seltener ins Casino, sondern bevorzugen immer mehr Automaten und Internet (wo sich vieles am Rand der Legalität abspielt).

Zehntens: War daher die Umbesetzung im Vorstand am Platz? Vorerst ist zwar völlig offen, ob die neue Führung es besser machen wird. Sicher ist nur, dass der alte Vorstand jedenfalls keine Erfolgsspur hinterlassen hat. Dennoch fehlen die Erläuterungen, warum der Vorstandwechsel wirklich notwendig gewesen sein soll, hat er doch Millionen Kosten für die Altvorstände verursacht. Der bloße Hinweis auf dauernde Streitigkeiten im Vorstand ist allzu dürftig als Begründung, vor allem wenn der Verdacht auf der Hand liegt, dass das primäre Motiv in Wahrheit der Wunsch der FPÖ gewesen sein könnte, jemand eigenen in den Vorstand zu entsenden. Andererseits gibt es in der echten Privatwirtschaft genügend Beispiele, dass sich ein vorzeitiger Vorstandwechsel sehr positiv für das Unternehmen auswirken kann.

Elftens: Wie schaut es eigentlich mit dem Schutz krankhafter Spieler aus? In dieser Branche werfen sich fast alle Seiten gegenseitig vor, diesen Schutz zu missachten. Es ist aber jedenfalls ein wenig merkwürdig, wenn das Finanzministerium einerseits für den Spielerschutz zuständig ist und andererseits naturgemäß großes Interesse an einem möglichst guten Betriebsergebnis der Casag hat. Zugleich fällt aber als noch viel seltsamer auf, dass es ausgerechnet eine nach Eigenangaben für den Spielerschutz kämpfende Internet-Plattform ist (die EU-Infothek), die in den letzten Monaten zur wichtigsten Drehscheibe für Informationen rund um die Ibiza-Affäre geworden ist, die ganz offensichtlich aus dem Umkreis der FPÖ kommen.

Zwölftens: Warum wird der Sumpf nicht trockengelegt? Die einzig mögliche Trockenlegung wird heute jedoch von niemandem mehr verlangt, weil sich alle Parteien (zumindest wenn sie irgendwo in Bund oder Land mitregieren) und alle Medien (die auf viele politisch motivierte Inserate setzen) in dem Sumpf wohlfühlen. Weil das Ganze als Frage der Moral beziehungsweise der moralischen Verkommenheit der jeweils anderen Parteien dargestellt wird.

Menschen sind aber immer so, wie sie sind. Und Parteien natürlich erst recht. Auch wenn sie noch so oft von Moral und Haltung reden.

Es braucht neue Strukturen

Es kann daher nur durch Änderung der Strukturen zu einer Verbesserung kommen.

Eine sinnvolle Änderung kann einzig und allein in einer kompletten Loslösung des Staates aus allen wirtschaftlichen Aktivitäten bestehen, für die es den Staat nicht braucht. Der Staat sollte nur dazu da sein, um möglichst neutral Gesetze zu machen.

Hingegen kann nicht gleichzeitig auch Mitspieler sein, wer Schiedsrichter ist. Da erleiden Neutralität und Schiedsrichterrolle großen Schaden. Sobald der Staat beides zu sein versucht, wird immer schief interveniert werden, wird es immer schmierige parteipolitische Verwicklungen geben.

So sind beispielsweise in Osteuropa die Umweltgesetze erst dann – sehr zum Wohle der Bevölkerung! – eingehalten worden, als der Staat nicht mehr gleichzeitig Unternehmer war und Genosse Unternehmenschef beim Genossen Beamten durchgesetzt hat, dass beide Augen zugedrückt werden. Nach einer Trennung der beiden Bereiche, also nach einer Privatisierung werden aber auch die Unternehmen viel effizienter geführt.

Absurderweise ist das alles völlig aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden. Die totalitär dominierende linke Geschichtsschreibung arbeitet rund um die Uhr immer nur alle Aspekte der Nazi-Zeit auf, ignoriert aber alle anderen Geschichtsepochen fast völlig. Daher auch die spannende Phase, als die verstaatlichten Industrien in den 80er Jahren, und die Staatsbanken in den 90er Jahren laut gegen die Wand gedonnert sind. Was den Steuerzahler sehr viel Geld gekostet hat.

Sie ignoriert auch total die großen Erfolge der dann einsetzenden Privatisierung. Die früher schwer kriselnde Voest und etliche andere Unternehmen sind zu tollen Erfolgsbeispielen geworden. Auf sie können eigentlich alle Österreicher stolz sein, obwohl sie seit der Privatisierung nicht mehr ihren früheren achtmillionstel Miteigentumsanteil daran haben – oder gerade deswegen. Das Eigentum der Staatsbürger war ja nur ein fiktives. In den Unternehmen haben immer nur die ganz anders gearteten Interessen der regierenden Parteien dominiert.

Österreich sollte daher gerade aus der aktuellen Erfahrung der Casino-Affäre sich wieder bewusst machen, wie dringend und positiv eine Rückkehr zur Privatisierungs-Strategie wäre. Dieses frühere Erfolgsrezept ist leider in den letzten Jahren völlig eingeschlafen. Es wird auch von der ÖVP derzeit wie ein geradezu unsittlicher Gedanke behandelt.

Geht man diesen Weg nicht, bleiben nur dauerhafte Intrige, Denunziation, parteipolitische Postenbesetzungen durch suboptimale Personen und die fast schon an die Französische Revolution erinnernde Schreckensherrschaft einiger Staatsanwälte als Schicksal der Betriebe im Staatseigentum, ob das nun das Eigentum von Bund oder Ländern ist (wo es ja gerade in Wien sehr schlimm zugeht).

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