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Nachbarland Ungarn ist von vielen linken Medien und Politikern zum Inbegriff des Bösen gekürt worden. Es wird deshalb fast täglich geprügelt, seit es im Jahr 2015 die Massenmigration aus Asien konsequent gestoppt hat. Gerade für diesen mutigen Alleingang verdient das Land und sein Premier Viktor Orbán (der sich als Student einst auch schon mutig den Kommunisten und sowjetischen Besatzern in den Weg gestellt hat, der also gelernt hat, keine Angst vor der Macht zu haben) aber in Wahrheit viel Beifall. Ungarn macht auch jetzt vieles in erstaunlich hohem Ausmaß richtig – nur in einem Punkt liegt Orbán komplett falsch. Und gerade dieser Punkt irritiert zu Recht viele Westeuropäer, die vom Kurs des Landes eigentlich sonst sehr beeindruckt sind.
Dieser Punkt ist ein semantischer. Denn Orbán bezeichnet sein Regierungssystem erstaunlicherweise ständig als "illiberale Demokratie". Diese Bezeichnung ist in höchstem Ausmaß absurd, ja geradezu selbstbeschädigend für das Land. Denn das, was Ungarn in den letzten Jahren gemacht hat, entspricht in hohem Ausmaß genau dem von allen Linken dieser Welt seit jeher bekämpften klassischen Liberalismus.
Der Ausdruck "liberal" ist jedoch in den letzten Jahren von einem Teil der Linken in einem sensationellen Kidnapping okkupiert worden. Als sie merkten, dass die Bezeichnungen "marxistisch", "sozialistisch", "kommunistisch", "sozialdemokratisch", "Arbeiterbewegung" oder "progressiv" bei den Menschen immer negativer ankamen, tauften sie sich flugs in "liberal" um, um ein positiv besetztes Vokabel zu usurpieren. In "liberal" steckt ja primär das Wort "Freiheit" – also eigentlich etwas den Linken zutiefst Fremdes.
Dabei wurde der (auf der ersten Silbe zu betonende) Amerikanismus "líberal" importiert. In Amerika haben die linken Demokraten seit jeher Bezeichnungen wie "sozialistisch" als abstoßend für die Wähler erkannt und daher das Wort "líberal" gewählt. Das wurde in den letzten Jahren dann auch von den europäischen Linken übernommen – obwohl diese davor jahrzehntelang alles Liberale verachtet und beschimpft haben.
Der linke Hass hat sich gegen alle großen Liberalen der Geschichte von Adam Smith bis zu den so erfolgreichen Ökonomen in den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie gerichtet. Er traf auch die liberalen Denker des 20. Jahrhunderts: Vom Amerikaner Milton Friedman über den Deutschen Ludwig Erhard bis zum Österreicher Friedrich August von Hayek.
Es ist freilich rätselhaft, wieso Orbán dieses linke Täuschungsmanöver gleichsam spiegelverkehrt mitvollzogen hat. Denn Tatsache ist, dass er nun seinerseits linke Positionen als "liberal" zu geißeln begonnen hat.
Ist Orbán, der sehr gut Englisch beherrscht, durch Lektüre amerikanischer Texte zu diesem Fehler gekommen? Wiederholt er mit 150 Jahren Verspätung den damaligen Fehler der katholischen Kirche, die im 19. Jahrhundert den Liberalismus heftig bekämpft hat, weil dieser den historischen Privilegien der Kirche entgegen- und für die Trennung von Kirche und Staat eingetreten ist? Hat Orbán übersehen, dass die Auseinandersetzung mit der staatsrechtlichen Stellung der Kirche jedoch seit Generationen weitestgehend beendet ist, weil eben die Kirche fast überall ihre Privilegien verloren hat, und dass das Verhältnis zwischen Kirche und Liberalismus ein weitgehend entspanntes geworden ist? Weiß er nicht, dass Genderismus, Schwulismus, Abtreibungs-Militanz und der "Welcome"-Fanatismus gegenüber einer wider das Recht eines Staates eindringenden Völkerwanderung noch nie Elemente des klassischen Liberalismus gewesen sind?
Kernelemente waren ganz im Gegenteil stets Marktwirtschaft, Rechtsstaat, möglichst große persönliche Freiheit, das Leistungsprinzip, möglichst geringe staatliche Einmischung in das Leben der Menschen, die Beschränkung eines Staates auf die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie Kampf für das Recht jeder Nation, ihre Identität selbst zu bestimmen (siehe die liberalen Studentenrevolutionen ab 1815 gegen die "Heilige Allianz", gegen die Aufspaltung der Deutschen und Italiener in viele Feudal-Fürstentümer wider die Wünsche der Völker).
Die Eckpfeiler liberalen Denkens sind also durchwegs Werte, die in linken Systemen bedroht, die im heutigen Ungarn jedoch weitgehend gewährleistet sind – gewiss nicht perfekt, aber in höherem Ausmaß als etwa in Österreich. Und Tatsache ist ebenso, dass der ungarische Erfolgsweg der letzten Jahre vor allem auf diesen ideellen Fundamenten des bürgerlichen Liberalismus beruht. Selbst wenn Orbán diesen Weg rätselhafterweise eben als den einer "illiberalen Demokratie" bezeichnet.
Auch alle weiteren Versuche Orbáns, seine "illiberale Demokratie" zu definieren, führen nicht wirklich weiter. Er sagt: Ungarn sei ein "christlich-demokratischer Staat"; vor allem jene individuelle Leistungen würden Anerkennung verdienen, die zugleich von Nutzen für die Gemeinschaft sind.
Ja eh, aber gibt es etwas Liberaleres als individuelle(!) Leistungen(!)?
Nichts unterscheidet ihn und die heutige Politik Ungarns von der liberal-christdemokratischen (Freiburger) Schule der Sozialen Marktwirtschaft, oder von den liberalen Wirtschaftswunder-Vätern Kamitz und Erhard, die alle selbstverständlich einer christdemokratischen Partei angehört hatten (unabhängig davon, ob sie selbst fromm waren).
Die wichtigsten wirtschaftlichen Etappen dieses ungarischen Erfolgswegs, der liberal ist, aber nicht liberal heißen darf, haben das Land in den letzten Jahren jedenfalls auf eine Express-Überholspur gebracht:
Das alles ist also eine eindeutig liberale Wirtschaftspolitik, was auch jeder große liberale Denker der Geschichte bestätigen würde. Wie aber sieht es mit dem liberalen Rechtsstaat außerhalb der Wirtschaft aus? Bildet dieser doch eigentlich die zweite liberale Säule des Liberalismus. Auch da ist Ungarn ein durchaus liberales Zeugnis auszustellen.
Von seinen Kritikern wird dem Land immer der behördliche Kampf gegen die Budapester Privatuniversität des ungarisch-amerikanischen Sponsors Soros vorgehalten und als Beweis genannt, dass Ungarn kein Rechtsstaat mehr sei. Diesen Kampf gibt es zweifellos – nur ist mehr als fragwürdig, was daran konkret rechtswidrig sein soll und welchen Maßstab die Kritiker Ungarns bei ihren Vorwürfen anlegen:
Auch das angebliche Fehlen regierungskritischer Medien ist eine Erfindung. So verweist die Regierung auf eine Studie zu den politischen Blogs im Internet. Dort werden täglich 3,5 Millionen Mal Seiten auf regierungskritischen Portalen gelesen, während regierungsfreundliche Portale nur 1,7 Millionen Zugriffe haben. So ist die meistgesehene Fernsehstation "RTL Klub" eindeutig regierungskritisch. Wahr ist lediglich, dass in den letzten Jahren einige Orbán-feindliche Zeitungen aus wirtschaftlichen Gründen eingegangen sind, und dass regierungsnahe Zeitungen besser mit staatlichen Inseraten bedient werden (deren Umfang ist aber harmlos gegen die österreichischen Bestechungsinserate aus öffentlichen Kassen).
Ein Hauptgrund des Hasses der internationalen Linken auf Orbán ist aber dessen konsequente Politik zum Stopp der illegalen Immigration ab 2015 (die legale Zuwanderung nimmt ja immer mehr zu, wie man auch an der großen Zahl von Österreichern sieht, die nach Ungarn übersiedelt sind). Dieser Stopp hat die Schlepper gezwungen, Umwege übers Mittelmeer nach Italien oder über die gebirgigen Balkan-Länder zu gehen.
Diese Anti-Immigrationspolitik ist komplementär zu den massiven Bemühungen der Regierung, dass die Ungarn wieder mehr Kinder bekommen. Mit 1,5 Kindern pro Frauen hat Ungarn dabei inzwischen tatsächlich Österreich mit 1,4 überholt. Dabei wäre hierzulande die Zahl ohne islamische Migranten noch viel niedriger, die ja in Ungarn keine Rolle spielen. Diese 1,5 Kinder sind freilich – vorerst? – immer noch zu wenig, um das Volk der Magyaren langfristig am Leben zu erhalten. Aber dieser Wert ist immerhin deutlich mehr als die durchschnittliche Kinderzahl von 1,25 vor zehn Jahren.
Damit kommen wir zu den drei größten "Verbrechen" Ungarns in den Augen der europäischen Linken, deren Einfluss bis weit in die theoretisch christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei reicht (siehe etwa das Verhalten des Othmar Karas zu Ungarn …):