Der österreichische Nationalrat hat den absoluten Tiefpunkt erreicht. Er hat sich offensichtlich ein neues Arbeitsprogramm gegeben, das nur aus einer langen Aneinanderreihung der beiden Vokabel "verbieten" und "verschwenden" besteht. Zusätzlich müsste man auch noch die Verba "packeln" und "belasten" hinzufügen.
Eine unvollständige Aufzählung dessen, was da in dieser Woche alles passiert, und was den Staatsbürger nur noch den Kopf schütteln lässt:
- Verboten wird das preisgünstige Angebot von Uber und ähnlichen Unternehmen; sie müssen künftig die zünftlerische und marktferne Preisbindung des Taxigewerbes übernehmen. Das ist nicht nur eine völlig überflüssige Regulierung, sondern auch eine massive Belastung für alle Konsumenten, insbesondere auch jene, die auf solche Fahrzeuge etwa wegen einer Behinderung angewiesen sind.
- Verboten wird die "Privatisierung" von Wasser. Dabei bleibt offen, was mit den zahllosen Quellen im Privatbesitz geschieht, aus denen bisher mit gutem Erfolg österreichisches Mineralwasser in alle Welt verkauft wird, und mit deren Hilfe sich Ortschaften, die kein gutes Trinkwasser haben, durch private Initiative eine bessere Wasserversorgung verschaffen könnten, wenn die öffentliche Hand versagt.
- Verboten wird das Rauchen den Menschen sogar in Festzelten, auf vielen Freiflächen und in jenen Lokalen, wo es bisher in abgetrennten Räumen erlaubt gewesen ist.
- Belastet werden durch dieses Rauchverbot all jene Wirte, die nach der letzten Gesetzesnovelle oft um viel Geld Raumtrennungen zwischen Rauchern und Nichtrauchern in ihren Kaffee- und Gasthäusern eingebaut haben.
- Verboten werden die praktischen Plastiksackerl im Handel (weil in Drittweltländern Plastik oft ins Meer gelangt …). Das bedeutet gleichzeitig eine weitere Belastung für die Wirtschaft.
- Belastet wird das Budget durch großzügige Erhöhungen der Mindestpensionen. Das wird nach Berechnungen des Sozialministeriums 420 Millionen – jährlich! – kosten, weil diese Erhöhungen wahrscheinlich auch an im Ausland lebende Pensionsbezieher (heimgekehrte Gastarbeiter etwa) ausbezahlt werden müssen, und auch an alle jene, die in Wahrheit von anderen Einkünften leben.
- Belastet wird das Budget weiters durch die Valorisierung des Pflegegelds.
- Belastet wird das Budget in Höhe von 428 Millionen Euro auch durch den zusätzlichen Ausbau ganztägiger Schulformen.
- Belastet wird die Wirtschaft durch die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf einen sogenannten "Papamonat".
- Belastet wird die Wirtschaft durch die Schaffung des Anspruchs, dass beide Eltern gleichzeitig in Karenz gehen können.
- Belastet wird das Budget durch Anhebung der Zuverdienstgrenze sowie einige weitere Bestimmungen beim Kindergeld.
- Belastet wird das Budget durch bessere Anrechnung von Vordienstzeiten für Beamte (dieser Punkt ist allerdings nicht Folge der Verschwendungssucht der Parteien, sondern einer absurden Einmischung des EU-Gerichtshofs).
- Belastet wird das Budget durch Rückvergütungen an die Arbeitgeber, wenn Mitarbeiter wegen Rettungsdienst-Einsätzen ihren Arbeitsplatz verlassen haben.
- Verboten wird – voraussichtlich – der Einsatz von Glyphosat. Dieses manche Landwirte massiv behindernde Verbot dürfte allerdings EU-widrig sein, weil zahlreiche wissenschaftliche Tests dem Glyphosat einen Persilschein ausgestellt haben. Aber Kronenzeitung und Grüne wollen dieses Verbot, und daher kommt es.
- Verboten wird der freiwillige Einsatz von psychotherapeutischen Konversionstherapien bei Minderjährigen, die das Ziel haben, unerwünschte sexuelle Neigungen zu therapieren (Pädophilie, Homosexualität usw.).
- Belastet wird das Budget durch noch einmal ausgebaute Pflichten zum Ausbau der ohnedies bei öffentlich-rechtlichen Internet-Seiten schon sehr hohen Barrierefreiheit für Behinderte. Der ORF hat für sich aber eine Ausnahme von dieser Pflicht erreicht!
- Von Verboten wimmelt das neue Parteiengesetz, auf das sich Rot, Blau und Pilz-Grüne geeinigt haben. Das ist ein absolut widerwärtiger Konsens: Nicht weil er größere Parteispenden künftig verbietet. Das an sich könnte man gut nachvollziehen, haben doch sehr große Spenden – größere als die, für die das Spendenverbot gilt – immer einen gewissen Hautgout (auch wenn es mehr als klar ist, dass die Neuregelung nur deshalb beschlossen wird, weil diesen drei Parteien halt auf freiwilligem Weg nie größere Spenden zugeflossen sind …). Sondern weil die Neuregelung in vielen zentralen Bereichen absolut nichts enthält. Nichts
- zu den hunderten Millionen Steuergeld, die jährlich direkt an Parteien, Fraktionen und Parteiakademien fließen (aus Bund- und Landesbudgets!) und die daher weiter fließen werden;
- zu den parteinahen Vereinen, obwohl eigentlich das alkoholisierte Gerede von H.C. Strache über die Möglichkeit, an parteinahe Vereine (an Stelle von Parteien) zu spenden, überhaupt erst die ganze Parteifinanzierungsdebatte ausgelöst hat: Also ist das, worüber Strache da unter allgemeiner Empörung geredet hat, offenbar ganz nach dem Geschmack von Rot, Blau und Pilz-Grün;
- zu den von vielen verlangten besseren Möglichkeiten für den Rechnungshof, Parteifinanzen zu überprüfen;
- zu einem Verbot – oder zumindest einer Einschränkung – der Medienbestechung durch Inseratenkorruption aus Steuergeldern;
- zu einem Ende der Zwangsbeiträge für die Arbeiterkammer, die ja ständig als direkte Vorfeldorganisation der SPÖ agiert;
- zu einem Ende der die Staatsfinanzen sehr teuer kommenden steuerlichen Absetzbarkeit von Beiträgen für Vereine, die – nach außen scheinunabhängig – de facto in engster Kooperation jeweils einer Partei zuarbeiten und für diese viel Propagandaarbeit leisten. Wie es zahlreiche NGOs für die Grünen tun, wie es der Gewerkschaftsbund für die SPÖ tut.
- Zusätzlich gibt es hohe Einstiegshürden für jede neue Partei in die Politik, sodass künftig eine Stronach-Partei oder die Neos absolut keine Chance auf einen Einstieg in die Politik hätten (neue Gruppierungen werden ohnedies schon durch die Einladungspolitik des ORF zusätzlich von jeder Start-Chance ferngehalten, sofern sie keine Grünpartei sind!);
- zusätzlich gibt es durch das neue rot-blau-grüne Gesetz, statt dass Steuergeld eingespart wird, sogar einen neuen zusätzlichen Zugriff der Parteien auf das Geld der Steuerzahler; denn die Parteien(fraktions)förderung wird sogar noch erhöht – und zwar immer dann, wenn eine Fraktion eine 40-prozentige Frauenquote erreicht;
- zusätzlich macht diese Regelung die Bahn argumentativ frei für künftige Forderungen nach weiteren Quoten, beispielsweise jener nach einer zehnprozentigen Quote für Moslems, oder für Schwule usw.
Es ist schon mehr als eine Chuzpe, den Bürgern das Spenden oder Vererben des eigenen, voll versteuerten Geldes an eine Partei weitgehend zu verbieten, wenn man selber zur Parteifinanzierung ungebremst und ungenierter denn je in den Steuertopf greift. In internationalem Rekordausmaß.
Besonders unverständlich und deprimierend ist, dass erstmals auch die FPÖ einem solchen Quotengesetz zugestimmt hat. Dabei wird die FPÖ zweifellos selbst am meisten Probleme haben, diese Frauenquote zu erreichen. Dabei war die FPÖ bisher als einzige Partei sauber in Sachen Quote; denn sie hat diese immer strikt abgelehnt. Offenbar gestaltet die FPÖ aber derzeit ihre gesamte Politik nur noch auf der Linie des ÖVP-Hasses des Herbert Kickl, der dieses Paket verhandelt hat. Daher akzeptiert sie sogar erstmals das Quotenprinzip, nur um ein Gesetz durchzubringen, von dem sie annimmt, dass es der ÖVP die Finanzierung schwieriger machen wird.
- Die einzige Erleichterung findet sich für schwule Ausländer: Diese können künftig auch dann in Österreich "heiraten", wenn das im Heimatland der beiden Partner verboten ist. Das wird wohl einen einschlägigen "Heirats"-Tourismus der neuen Art auslösen.
Das Allerschlimmste ist aber, dass die Zeit, in der die Parlamentarier ungehindert ihrer Verbots- und Verschwendungssucht nachgehen können, noch fast drei weitere Monate dauert. Da wird also noch viel auf uns zukommen.
Überdies gibt es zu keinem dieser Gesetze eine Begutachtung, obwohl die jetzt (mit Zustimmung von Blau oder – wie beim Taxi-Rückschritt in die Steinzeit – Blau und Schwarz) so tief in die Staatskassen greifenden und regulierungswütigen Sozialdemokraten in den letzten eineinhalb Jahren immer sofort den Staatsnotstand ausgerufen haben, wenn einmal keine Begutachtung stattgefunden hat.
Der versagende Bundespräsident
Das Allerpeinlichste ist aber der Bundespräsident. Dieser wagt es nach den Vorgängen der letzten Wochen aus gutem Grund nicht mehr, von der "Eleganz" der Verfassung zu plappern. Dabei kann man gar nicht der Verfassung die Schuld geben an all dem, was da passiert, sondern nur der Verantwortungslosigkeit und Dummheit des Staatsoberhaupts und der drei großen Parteien, die wir in den letzten Wochen erleben mussten (die Kleinparteien sind für das Finden einer parlamentarischen Mehrheit irrelevant).
Van der Bellen hat versagt:
- bei der politischen Pflicht jedes Staatsoberhauptes, um den Fortbestand einer Regierung - jeder Regierung! - im Interesse der Stabilität der Republik zu kämpfen,
- bei der Einhaltung seiner insgeheimen Zusage an den damaligen Bundeskanzler Kurz, ein parlamentarisches Misstrauensvotum gegen die Regierung zu verhindern (dieses ist sogar von seinen grünen Pilz-Freunden initiiert worden!) – da hat ein seltsamer TV-Auftritt erst so recht gezeigt, wie irrelevant ein Bundespräsident in Wahrheit ist,
- bei der Einhaltung seiner – zumindest kolportierten – Zusage an den damaligen Bundeskanzler Kurz, für Neuwahlen spätestens Anfang September zu sorgen,
- bei seiner über diese angeblichen oder wirklichen Zusagen weit hinausgehenden politischen Pflicht, im Interesse der Republik für eine möglichst kurze Dauer des Interregnums zu sorgen, von dem ja vorhersehbar gewesen ist, dass es zu einer Fülle von verantwortungslosen Parlamentsbeschlüssen führen wird.
Manche werden fragen, wie der Bundespräsident das hätte verhindern können, da doch der verantwortungslos späte Wahltermin vom Parlament selbst beschlossen worden ist (offenbar in der Hoffnung mehrerer Parteien, dass bis dahin der Kurz-Effekt der ÖVP verblasst sein wird). Ganz einfach: Herr Van der Bellen hätte nur einmal in seine elegante Verfassung blicken müssen!
In deren Artikel 29 steht nämlich: "Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen. Die Neuwahl ist in diesem Fall von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat längstens am hundertsten Tag nach der Auflösung zusammentreten kann."
Hätte er dies möglichst rasch gemacht – und zumindest das mehrheitslose Kabinett Bierlein hätte ihm zweifellos dabei geholfen (einen "Vorschlag" gemacht) –, dann wäre die Zeit des kollektiven Irrsinns jedenfalls um zwei Monate kürzer gewesen. Da werden jetzt viele sagen: "Aber huch, im Hochsommer kann man doch nicht wählen!" Warum eigentlich nicht, wenn es gut für das Land ist? Im Zeitalter der Briefwahl hätte deswegen jedenfalls niemand seine Urlaubsreise absagen oder verschieben müssen.
Und wenn der Nationalrat Hochsommer-Wahlen ganz und gar nicht will, dann hätte er unter dem Druck eines solchen Präsidentenvorstoßes auch schnell die Nationalrats-Wahlordnung so ändern können, dass wir noch diese Woche gewählt hätten (so wie die Griechen, die am 7. Juli wählen, obwohl sie die Neuwahlen erst NACH dem Zeitpunkt des Ausbruchs der Ibiza-Krise in Österreich beschlossen haben).
Ungehindert vom Bundespräsidenten, ungehindert von einer nicht wahrnehmbaren Regierung, ungehindert von Koalitionsdisziplin, jubeln die Abgeordneten jedenfalls über jeden Tag mehr, an dem sie sich benehmen können wie Jugendliche in einem Selbstbedienungsladen ohne Kassa.
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