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Hofer gegen Kickl gegen Strache – das wird noch Brutalität

Die Freiheitlichen sind die einzige Partei mit einer Doppelspitze im österreichischen Rennen – und dem dunklen Schatten eines Altobmanns als Dritter Mann im Hintergrund. Norbert Hofer und Herbert Kickl führen vor diesem Hintergrund die Partei im Duo, wobei Hofer formell die Nummer eins ist. Sie tun das mit durchaus unterschiedlichen strategischen Ansätzen. Sie scheinen sich zwar zu vertragen. Nur hat diese Taktik ein klar erkennbares Problem.

Denn am Ende haben Doppelführungen noch nie dauerhaft funktioniert. Denn irgendwann führt eine solche Situation immer zu Kontroversen, ob es nun um die Führung einer Partei oder die eines Unternehmens geht. Denn irgendwann denkt und sagt der eine "A" und der anderen "Non A". Und sobald sie das einmal beide laut genug öffentlich tun, dann ist ein Rückzug nur unter empfindlichem Gesichtsverlust möglich. Hinter solchen Kontroversen steckt ursprünglich oft kein böser Wille, sondern die schlichte Tatsache, dass die beiden (oder gar drei) Spitzenmänner eigenständige Menschen und nicht Klons voneinander sind. Eigenständige Menschen denken halt irgendwann immer unterschiedlich. Sie reden und handeln dann eben auch unterschiedlich.

Die Phrasen, die man da in solchen Situationen oft hört, sind Gewäsch, das regelmäßig an der Realität scheitert: "Wir werden uns nicht streiten, weil wir uns ja in allem einig sind"; oder "Wir sprechen uns in allen wichtigen Fragen ständig ab"; oder "Wir vertragen uns so gut und wollen ja beide den gemeinsamen Erfolg für die Partei (oder Firma)".

Gerade bei Parteien haben kollektive Führungen nie dauerhaft gehalten. Das sieht man von der KPdSU bis zur Schröder-Lafontaine-SPD. Das Machtproblem besteht nicht nur bei völlig gleichgewichtigen Führungssituationen, sondern auch dann, wenn unter den vielen Spitzenfunktionären einer ausdrücklich als Nummer zwei hinter dem Chef deklariert wird. Da beobachtet die Nummer eins argwöhnisch jede Aussage von Nummer zwei. Und jeder, der irgendein Prtoblem mit der Nummer eins hat, packelt mit der Nummer zwei.

Genau das ist etwa zwischen Bruno Kreisky und Hannes Androsch passiert, wo aus enger Freundschaft im Lauf der Zeit tiefer Hass geworden ist. Um das zu vermeiden hat Wolfgang Schüssel nie jemanden aus seinem Team zur Nummer zwei oder zum Kronprinzen werden lassen.

Letztlich gibt es in einer Zweierkonstellation nur eine Alternative: Entweder der eine setzt sich durch und wird zum klaren Chef, wobei der andere sich entnervt zurückzieht, oder es kommt zum Dauerkrieg. Wer etwa das Schicksal der Kronenzeitung beobachtet, die einst in völliger Eintracht zwischen den Herren Dichand und Falk gegründet worden ist, aus der dann ein jahrzehntelanger wilder Krieg geworden ist, der weiß, wieviel Energie dadurch vernichtet wird. Solche Kriege haben manche Familienunternehmen in der zweiten Generation überhaupt umgebracht.

Wie wird diese Konstellation daher in der FPÖ weitergehen? Derzeit herrscht dort anscheinend weitgehende Harmonie. Das ist ganz eindeutig Folge des Traumas der einstigen Parteispaltung (Stichwort BZÖ) und des jahrelangen Krieges zwischen den Herrn Haider und Strache. Jeder Freiheitliche sagt daher: "Nie wieder" und "Wir werden deshalb zusammenhalten wie Pech und Schwefel".

Dies führt aber zu einer paradoxen Situation: Eine solche Doppelführung der FPÖ wird sich viel leichter in der Opposition als bei einer neuerlichen Regierungsteilnahme durchhalten lassen. Denn als Opposition gibt es eine klare Regel: Man muss einfach nur alles, was die jeweilige Regierung tut, furchtbar finden. Da gerät man sich nicht so rasch in die Haare, wie wenn es Entscheidungen zu treffen gäbe.

Jedoch: Absolut niemand in der FPÖ will rasch wieder in die Opposition zurückkehren.

Bei Regierungsverhandlungen wird jedoch sehr bald der Konflikt offenkundig werden, dass Kickl und Hofer für ein sehr unterschiedliches Politikverständnis stehen. Dieser Konflikt wird natürlich auch durch das Verhalten der ÖVP geschürt, die sich auf Kickl eingeschossen hat. Die seinetwegen sogar die Regierung platzen hat lassen, ohne bis heute einen überzeugenden Grund dafür nennen zu können.

Ein wichtiger Grund könnte gerade darin liegen, dass Kickl wie ÖVP-Chef Kurz Alphatiere sind, die beide das gleiche Politikfeld zur persönlichen Profilierung nutzen wollen: das des unerschrockenen Kämpfers gegen die Migration. Kickl hat allerdings das persönliche Defizit, hart und ein wenig belehrend zu wirken, während sich Kurz immer gern höflich interessiert zeigt. Jedenfalls aber ist es kein Zufall, dass der ehemalige Kurier- und ORF-Journalist Brandstätter (der Christian-Konrad-Mann ist jetzt zu den Neos gewechselt), jetzt Kurz und Kickl in einem ganzen Buch gemeinsam frontal attackiert.

Aus etlichen FPÖ-Äußerungen scheint mittlerweile zwar klar zu sein, dass man nicht unbedingt auf einem Innenminister Kickl beharren wird. Hofer wird jedoch, selbst wenn er es wollte, Kickl nicht zum Hinterbänkler im Parlament degradieren können. Die FPÖ wird für Kickl vielmehr eine andere Schlüsselrolle finden müssen: ein anderes Ministerium, die Funktion eines Klubobmannes, oder gar die des Vizekanzlers (was in der FPÖ zumindest scherzhaft als Möglichkeit genannt, aber wohl nicht ganz ernst gemeint wird).

Eines scheint aber sicher: Die ÖVP wird weiterhin mit Kickl leben müssen, wenn es neuerlich eine bürgerliche Koalition geben soll. Denn auch ein Klubobmann sitzt mit am Koalitionstisch.

Frappierender Weise ist genau an einer solchen Frage in den letzten Tagen in Spanien die vom amtierenden Ministerpräsidenten Sanchez geplante Linkskoalition gescheitert. Der Sozialdemokrat hat den als Koalitionspartner eingeladenen Linkssozialisten diktieren wollen, wer von ihnen als was in die Regierung geht. Insbesondere hat er den Parteichef der Linken, Iglesias, als potentiellen Störfaktor abgelehnt. Darauf haben sich ihm diese bei zwei Abstimmungen im Parlament verweigert. Das bedeutet eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es noch im Herbst neuerlich zu Wahlen kommen muss.

Das ist eine auffällige Parallele zur Situation von Schwarz-Blau. Das zeigt, wohin es führt, wenn sich Parteien schon bei der Regierungsbildung durch unabdingbare Bedingungen gegenseitig demütigen wollen.

Gegen Kickl spricht, dass nach Umfragen bei den ÖVP-Wählern mittlerweile eine klare 69 zu 31 Mehrheit gegen ihn ist. Mehr als zwei Drittel wollen nicht, dass Kurz eine Koalition mit der FPÖ eingeht, wenn diese auf einem Ministerposten für Kickl bestehen sollte. Das zeigt: In den letzten zwei Monaten ist zwischen der ÖVP und Kickl so viel Porzellan zerbrochen worden – von beiden Seiten –, dass ein gedeihliches Zusammenarbeiten kaum mehr vorstellbar ist. Die ÖVP kann nicht so tun, als hätte sie nicht wegen Kickl die Koalition zerbrochen. Und Kickl merkt man bei fast jeder Wortmeldung an, dass er voll Ressentiments gegen den bisherigen Koalitionspartner ist, dass er jetzt hinter jedem Baum eine ÖVP-Verschwörung wittert (so wie die Grünen hinter jedem Busch, an dem ein Freiheitlicher vorbeigegangen ist, einen neuen Hitler erkennen wollen).

Für Kickl spricht zum einen der absolute Widerwille der gesamten Partei, sich nach der leidvollen Geschichte von Knittelfeld bis Ibiza nicht neuerlich zu spalten oder gar von außen auseinanderdividieren zu lassen; zum anderen seine hohe parteiinterne Popularität. Er kann durch seine kantig-mutige Art durchaus positive Emotionen bei seinen Anhängern auslösen.

Schließlich ist er genau dort an der Front gestanden, wo die Mehrheit die zentrale Aufgabe der FPÖ sieht. Kickl findet aber auch - was viele übersehen - über die Partei hinaus Anklang. Immerhin 42 Prozent der Österreicher bewerten seine Arbeit als gut. Dafür ist die Ablehnung bei 58 Prozent zum Teil heftig.

Parteichef Hofer muss daher extrem vorsichtig agieren. Er hat zwar auf Grund seiner ruhigen, verbindlichen und sympathischen Art insgesamt gute Umfragewerte. Innerparteilich wäre es aber tödlich für ihn, es auf einen Machtkampf mit Kickl ankommen zu lassen. Denn in der Partei wird er respektiert, aber nicht geliebt. Er ist zu nüchtern und zu vorsichtig, um zu emotionalisieren. Er scheint primär keinen Fehler machen zu wollen, während Kickl primär etwas bewegen will.

Dass Bundespräsident Van der Bellen ihn nicht angeloben mag, schwächte Kickls innerparteiliche Position eindeutig nicht, sondern stärkt sie eher. In der FPÖ hat das alte Motto "Viel Feind, viel Ehr" noch immer einen besonderen Stellenwert. Und letztlich steht ein Bundespräsident auf verlorenem Posten, sobald eine entschlossene Mehrheit im Parlament auf einem Ministerkandidaten beharrt. Es gibt viele rechtliche Wege, diesen Widerstand zu umgehen, sobald sich die Regierungsparteien einig sind.

Daher drängt sich noch ein zweiter Vergleich zur internationalen Politik auf. Dort gibt es nämlich einen logischen Zwilling zu Kickl: Das ist der Italiener Matteo Salvini. Er ist ebenfalls Innenminister und hat sich ganz ähnlich wie Kickl durch konsequente Härte gegen die illegale Migration profiliert. Salvini ist dadurch zur höchsten Popularität aufgestiegen, die seit Jahrzehnten ein italienischer Politiker hatte (und zum meistgehassten Politiker des Landes bei linken Journalisten).

Tatsache ist, dass Kickl ebenfalls trotz seiner kurzen Amtszeit einschlägige Erfolge vorweisen kann: Die Asylverfahren sind unter ihm deutlich rascher geworden. Es kommt viel konsequenter zu Abschiebungen. Und die Zahl der neuen Asylansuchen ist im ersten Halbjahr auf 3000 gesunken. Und gehasst von den Mainstreammedien wird er ebenso wie Salvini.

Wer die Karriere Salvinis kennt, findet dort noch ein interessantes Faktum: Salvini ist als langjähriger Parteisekretär durch eine innerparteiliche Revolte gegen Parteichef Umberto Bossi an die Spitze gelangt. Auch Kickl war lange Parteisekretär ...

Parteichef Hofer hat aber nicht nur damit klarzukommen, dass seine Nummer zwei voll von explosiver Dynamik ist und keine Minute zu besänftigender Ruhe kommt. Hofer hat vielmehr auch damit fertigzuwerden, dass sein eigener Vorgänger Strache trotz des verheerenden Ibiza-Auftritts nicht von der politischen Bildfläche verschwinden will, sondern ganz offensichtlich einen Auftritt bei den nächsten Wiener Gemeinderatswahlen plant. Womit Strache auch die Rückkehr in die Partei gelingen dürfte, sollte er nicht – was eher unwahrscheinlich ist – wegen Ibiza verurteilt werden. Denn die Wiener FPÖ hat weit und breit keine taugliche Führungsfigur.

In der Gesamtwirkung ist aber Strache eindeutig ein Bleigewicht an den Beinen Hofers. Dieser kann dadurch nicht den Eindruck erwecken, die Kontrolle über die Partei zu haben. Und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Hofer überhaupt scheitern würde, sollte er sagen: Strache muss ganz gehen, sonst bin ich ganz weg. Diese Chance, umgehend den Rücktritt Hofers zu bedauern, würde sich Kickl wohl nicht entgehen lassen.

Hofer muss auch noch mit einem eigenen Defizit fertigwerden: Er hat sich als Verkehrsminister in einem Ausmaß als ÖBB-freundlich deklariert, dass man glauben konnte, dort sitzt noch immer ein SPÖ-Mann. Das verstehen viele nicht. War dahinter nur die Aversion gegen den Neos-Financier Haselsteiner, der den Konkurrenten "Westbahn" betreibt?

Andererseits hat sich Hofer ein Wahlziel auserkoren, das für viele Wähler weit wichtiger und sympathischer ist als das einstige eher skurril wirkende zentrale Pro-Rauchen-Ziel von H.C. Strache: Das ist der Kampf für eine echte direkte Demokratie nach Schweizer Muster. Damit spricht Hofer viele über die Entwicklung der Parteien und die eigene Ohnmacht erzürnte Österreicher positiv an. Das kann auch niemand als rechtsradikal denunzieren, war die direkte Demokratie einst doch auch erklärtes Ziel von Grün und Sebastian Kurz.

Es ist also noch keineswegs gesagt, dass in der FPÖ automatisch der gewinnen muss, der sich am kantigsten präsentiert.

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