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Die Medien sind im Begeisterungsrausch, nicht nur die in Deutschland: Die Grünen sind bei einer Umfrage im großen Nachbarland erstmals stärkste Partei (bei einer zweiten, gleichzeitig gemachten Umfrage liegen sie allerdings noch immer deutlich hinter CDU/CSU zurück). Auch in Österreich können sie jubeln: Bei den EU-Wahlen ebenso wie bei den ÖH-Wahlen haben sie deutliche Zugewinne erzielt. Was bedeutet dieser Anschein eines grünen Tsunami?
Eigentlich bedeutet er nichts. Eigentlich hat lediglich eine Verschiebung innerhalb des linken Lagers stattgefunden, das insgesamt trotz des grünen Aufstiegs immer schwächer wird. Nur wird halt ganz bewusst von vielen Medien, bei denen Linke den Ton angeben, jetzt nur über den grünen Hype geschrieben, der dramatische Abwärtsstrudel der einst so geliebten Sozialdemokratie findet viel weniger Berichterstattung. Man will bei den Siegern sein.
Faktum ist: Bis auf die jüngste Umfrage in Deutschland haben die Grünen nirgendwo die 20-Prozent-Hürde überwunden. Vielerorts liegen sie weit darunter. Trotzdem ist es spannend , die Grünen und die Bedeutung ihres Aufstiegs näher zu analysieren, sowohl in europäischer wie auch österreichischer Hinsicht.
Eine Analyse aus elf verschiedenen Perspektiven:
Erstens bedeutet die Entwicklung der Grünen für Österreich, dass sie bei der nächsten Parlamentswahl mit Sicherheit den Weg zurück in den Nationalrat schaffen werden. Dass sie dabei höchstwahrscheinlich sogar (wieder) zweistellig abschneiden dürften.
Zweitens: Offen ist dabei für Österreich allerdings, ob sie den Parteispalter Peter Pilz wieder aufnehmen werden. Hat sie doch dieser durch seine Pseudopartei für zwei Jahre aus dem Parlament geworfen. Sein Trotz-Projekt gegen die Grünen ist aber nach wenigen Wochen total gescheitert – nicht zuletzt an Pilz selber. Dennoch signalisieren die Kogler-Grünen seltsamerweise, dass sie zu einer Wiedervereinigung mit den Pilz-Grünen bereit sind.
Es ist aber sehr zweifelhaft, ob das auch den Peter Pilz selbst umfassen wird. Denn jeder, der ihn kennt, weiß, dass Pilz sofort wieder alle anderen grünen Mandatare an die Wand spielen wird, selbst wenn er vor der Wahl ministrantenartiges Wohlverhalten versprechen sollte.
Er wird sich dennoch mit Sicherheit ständig ins Fernsehen drängen, vor allem in das von grünen Redakteuren dominierte Gebührenfernsehen. Etwa dadurch, dass er jeden zweiten Tag mit empörungsschwangerem Gesicht Strafanzeige gegen irgendjemanden erstattet. Seine vielen Fans in den Medien werden jedes Mal begeistert darüber berichten. Und sie werden es weiterhin völlig ignorieren, dass Pilz-Anzeigen praktisch nie zu einer wirklichen Verurteilung der von ihm Angezeigten durch einen unabhängigen Richter führen. Hauptsache, Pilz liefert ihnen die Anzeige zum Tage.
Drittens: Ein guter Teil des grünen Aufstiegs erklärt sich eben damit, dass sie vor allem im deutschsprachigen Raum die Partei mit der eindeutig größten Anhängerschaft unter den Journalisten sind.
Das zeigt sich etwa gerade zuletzt am Verhalten des ORF. Dieser hat dem grünen Parteiobmann Kogler im Radio das längste Interview der Woche ("Im Journal zu Gast") gewidmet. Eine so breite Bühne hat wohl noch nie ein Obmann einer nicht im Nationalrat sitzenden Partei bekommen.
Das lässt sich auch dadurch nicht als fair verteidigen, dass die Grünen bei Umfragen gut liegen. Denn wäre der Stand der Umfragen der Orientierungsmaßstab für "objektive" Berichterstattung, dann dürfte der Gebührensender keine Sekunde mehr über die Liste "Jetzt"/Pilz breit berichten. Wird diese doch nur noch von einem einzigen Prozent der Wähler unterstützt. Dennoch bekommt auch die Pilz-Partei weiterhin breiten ORF-Support.
Es ist zwar nicht logisch, aber es dient dem Ziel, möglichst viel über Grüne zu berichten.
Viertens fällt auf, dass die deutschen Grünen bei den Umfragen mehr als doppelt so gut liegen wie die österreichischen. Der Hauptgrund dafür: Bis auf den neuen Innsbrucker Bürgermeister Willi haben es die österreichischen Grünen nicht geschafft, so eindrucksvolle Persönlichkeiten an der Spitze zu haben wie die deutschen Grünen. Siehe den brillanten Tübinger Bürgermeister Palmer, siehe den Ministerpräsident von Baden-Württemberg Kretschmann, siehe den Parteichef Habeck.
Fünftens, und noch wichtiger: Sehr viele Spitzenleute der deutschen Grünen wirken enorm bürgerlich, nicht nur in ihrem Auftreten, sondern auch in ihren Inhalten. So industriefreundlich wie Kretschmann, so immigrationskritisch wie Palmer habe ich noch nie einen österreichischen Grünen gehört. Die beiden müsste man auf einer internationalen Links-Rechts-Skala eindeutig rechts von der SPÖ einordnen.
Der sechste Hinweis klingt absurd, stimmt aber dennoch. Ein weiterer Vorteil der deutschen Grünen gegenüber den österreichischen besteht darin, dass es in Deutschland noch eine weitere Linkspartei gibt. Diese saugt dort die allerwiderlichsten Teile der politischen Linken ab (Gewerkschafts-Betonköpfe, auch einen Gutteil der Gewalttäter vom "Schwarzen Block" und der Hausbesetzerszene, sowie die Überbleibsel der Ostkommunisten) und verleiht den Grünen solcherart ein anständigeres Image.
Hingegen gibt es links von den österreichischen Grünen nichts Relevantes (die Kommunisten sind nur noch ein Grazer Stadtphänomen). Daher sammelt sich bei ihnen in der Unterstützerszene mehr Abstoßendes als in Deutschland. Mit Linksradikalen und zum Teil Extremisten wollen bürgerliche Wähler aber sicher nichts zu tun haben.
Siebentens: Ein sich ähnlich problematisch für die Grünen auswirkendes Phänomen der hiesigen Parteienlandschaft sind die Neos. Diese stehen deutlich links von der deutschen FDP. Die FDP hat in der Entstehungsgeschichte Ähnlichkeiten mit der FPÖ und ist heute ganz überwiegend wirtschaftsliberal geprägt. Die Neos hingegen sind seit ihrer Gründung eine Mixtur von schwarzen und grünen Dissidenten. Sie sind zwar auch wirtschaftsliberal, stehen aber gesellschaftspolitisch sehr weit links (ob es nun um Political correctness, Genderismus, Schwulismus, Islamismus- und Migrations-Freundlichkeit oder die Sympathie für Gesamtschulen geht).
Das aber hat dazu geführt, dass die Austro-Grünen noch mehr nach links verschoben worden sind. Schon um sich von den Neos zu unterscheiden.
Achtens fällt besonders auf: So sehr die Grünen auch Radikal-Genderisten und Quoten-Fetischisten sind, so sind doch ihre Topleute durch die Bank Männer. Dennoch sind die Grünen eine Partei, die in der Wählerschaft viel mehr Frauen als Männer haben.
Neuntens: Die letzte grüne Raketenstufe zum – relativen – Aufstieg der Grünen war sicher die von vielen Medien mit großer Energie geschürte Klimapanik. Ein besonders groteskes Beispiel für diese Panikmache hat sich in den letzten Tagen in Deutschland abgespielt. Unter Berufung auf die banale Aussage eines Meteorologen, "wenn es nicht regnet, wird es einen Dürre-Sommer geben", hat fast die ganze Medienszene sofort neuerlich Klima-Alarm geschlagen: Es drohe ein Dürresommer. Dabei wäre auch die umgekehrte Aussage genauso richtig und wahrscheinlich: "Wenn es viel regnet, kommt ein nasser Sommer". Nur passt diese Aussage nicht in die Klimahysterie und würde ignoriert.
Nicht zu Unrecht sagt der bekannte Meteorologe Kachelmann über seine Zunft: "Über 90 Prozent aller Geschichten zu Wetter und Klima sind falsch oder frei erfunden."
Den Medien gelingt es in Verbund mit den Grünen und jenen Politikern anderer Parteien, die grün im Geiste sind, eine Massenhysterie um die Klimapanik zu schüren. Derzeit wird dabei besonders ein autistisches schwedisches Schulabbrecher-Mädchen als Vehikel der Panik benutzt, das wie eine heilige Hellseherin durch die Welt fährt und dieser einen baldigen Untergang prophezeit.
Viele Naturwissenschaftler sagen, dass sie derzeit lieber schweigen, als zu versuchen, öffentlich gegen diese Massenhysterie mit rationalen Argumenten anzutreten. Das wäre medial – und damit auch politisch – chancenlos. Ein interessantes Indiz für dieses Schweigen kann jeder Zeitungsleser beobachten: In den meisten Qualitätszeitungen wird die Klimapanik von politischen und chronikalen Journalisten gemacht. Die oft exzellenten Wissenschaftsschreiber halten sich hingegen sehr bewusst weitgehend abseits.
Diese Massenhysterie wird zum Teil von den schlagseitigen Medien auch deshalb geschürt, um den Grünen zu helfen. Die Klimapanik wurde ja nicht ganz zufällig genau in jenem Zeitpunkt aufgeblasen, als der politischen Linken alle bisherigen Mobilisierungsvehikel kaputt gegangen sind, von der "Ausbeutung der lohnabhängigen Massen" bis zum "Waldsterben", von der Gefährlichkeit der Neonazis bis zum Ozonloch.
Die Prophezeiung vom baldigen Untergang der Welt, wenn nicht alle Menschen sich zu Buße und Umkehr entschließen, ist ein uralter Trick: Schon sehr viele falsche Propheten und Sektenführer haben ihn eingesetzt. Schließlich fürchten sich die Menschen vor Unbekanntem ganz besonders intensiv und sind daher leicht in Angst und Schrecken versetzbar.
Das Teuflische an diesen Untergangsprophetien ist nämlich: Man kann ja immer erst im Nachhinein beweisen, dass sie Unsinn waren. Vorher bleibt ja immer das Gefühl: Vielleicht ist ja doch irgendwas dran, so unsinnig die Weltuntergangs-Thriller auch sind.
Zehntens: Besonders fällt auf, dass die Grünen fast zur Gänze eine städtische Partei sind. Sie haben in keinem Land den Weg ins weite Land geschafft. Gewiss: Die Städte sind groß; ihre Bewohner sind präpotent und halten sich für den Nabel und das Hirn der Welt. Aber dennoch ist die Welt weit größer und ganz anders als die Metropolen.
Elftens: Überall, wo es Grüne gibt, ist ihr Aufblühen vor allem aber eines: eine Folge der möglicherweise finalen Krise der Sozialdemokratie. Den S-Parteien ist der Grund der eigenen Existenz weggebrochen: die Arbeiterschaft. Diese ist entweder schon ganz ins Bürgertum aufgestiegen oder ist wegen Massenmigration und Islamisierung zu AfD beziehungsweise FPÖ gewechselt. Jetzt fehlt den Sozialisten die Basis.
Sobald aber die Basis fehlt, sind immer auch die Karrieristen schnell weg, die im Sog einer Machtpartei auf Jobs hoffen und jedenfalls gern bei den Siegern dabei sein möchten. Wenn die Sozialdemokraten in Deutschland nur noch bei 12 Prozent stehen – in Worten: bei zwölf! –, wenn sie in manchen Ländern überhaupt nur noch einstellige Prozentzahlen erreichen, wenn die Rendi-Wagner-Partei trotz ihres harten Falls auf 21 Prozent noch zu den relativ erfolgreicheren Parteien im roten Lager gehört, dann ist das jedenfalls ein dramatischer Abstieg von historischer Dimension. Einen ähnlichen Abstieg hat eigentlich in den letzten Jahrzehnten nur eine einzige Bewegung durchgemacht: der Kommunismus. Jetzt sammeln sich halt die einstigen KP-, dann SP-Truppen bei den Grünen.
Da kann man nur fragen: Wo ist da angesichts solcher Leichenfledderei eigentlich die Leistung der Grünen?