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Ausgerechnet die Frau Vrabl-Sanda

Was ist nur in der österreichischen Staatsanwaltschaft los? An dem einen Tag landen durch eine glatte Rechtswidrigkeit alle Spendenlisten und Mails der Identitären bei bestimmten Medien – die eigentlich unter Amtsverschwiegenheit nur in der Grazer Staatsanwaltschaft liegen hätten dürfen (und die vom ORF prompt unter Hinzufügung glatter Unwahrheiten als Teil der Anti-Regierungs-Kampagne zur landesweiten Spitzenmeldung gemacht werden). Am nächsten Tag zeigt die Leiterin der Korruptions-Staatsanwaltschaft den Justiz-Generalsekretär wegen angeblichen Amtsmissbrauches an. Dabei ist diese Dame selbst für den überhaupt peinlichsten Fehler der Staatsanwaltschaft während der letzten Jahre verantwortlich, sodass ihre Anzeige nur als Flucht nach vorne interpretiert werden kann.

Dieser Fehler war eindeutig die von Frau Vrabl-Sanda und einer ihrer Untergebenen ausgelöste Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Diese baute auf absolut lächerlichen anonymen Vorwürfen auf, die sich im Grunde gegen genau jenes Verhalten richten, das man sich von einem guten Nachrichtendienst erwarten sollte. Die also eher lobens- als bestrafenswert waren:

  • Einerseits war das die Kooperation des BVT mit der Demokratie Südkorea gegen Nordkorea, die wohl übelste Diktatur der Welt (in Sachen Passrohlinge);
  • andererseits die Tatsache, dass das BVT – wie es sich eben für einen Nachrichtendienst gehört – sensible Informationen über einen Rechtsanwalt gespeichert und nicht gelöscht hat, der intensiv für einige üble mittelasiatische Diktaturen gearbeitet hat (und noch arbeitet?), wobei es immerhin um mehrere dubiose und bis heute nie geklärte Todesfälle gegangen war (es müsste eigentlich auch eine Staatsanwältin begreifen, dass kein Nachrichtendienst dieser Welt potenziell interessante Informationen löschen wird);
  • und drittens waren es die üblichen Intrigen innerhalb eines Amtes.

Seither ist das BVT vor allem in seinen internationalen Kontakten ein kastrierter Außenseiter und weitgehend wertlos geworden. Wer soll denn auch noch voll mit diesem BVT kooperieren, wenn da die Gefahr besteht, dass ein ahnungsloser Staatsanwalt hereinkommt und alles mitnimmt, was ihm unter die Finger kommt?

Das ist eine nationale Katastrophe, auch wenn das BVT schon vorher kein sehr effizienter Laden gewesen ist, den man etwa mit dem deutschen Verfassungsschutz vergleichen hätte können (bis dieser von der deutschen Regierung aus parteipolitischen Gründen demoliert worden ist). Im BVT hat jeder getrieben, was ihm Spaß gemacht hat, etwa Leute ohne jeden Beweis öffentlich als "Extremisten" zu denunzieren. Was interessanterweise nicht strafrechtlich verfolgt worden ist, obwohl es ja weit problematischer ist, als Daten ohne Veröffentlichung zu speichern.

Die Hausdurchsuchung durch diese Korruptionsstaatsanwaltschaft war nicht nur für die Interessen der Republik (zu denen zweifellos ein funktionierender Nachrichtendienst gehören würde) ein schwerer Schaden, sie ist auch – nachträglich – vom zuständigen Gericht weitestgehend als rechtswidrig entlarvt worden. Da war der Schaden aber gar nicht mehr rückgängig machbar.

Diese Verantwortung der Korruptionsstaatsanwaltschaft ist bisher noch nie ernsthaft aufgearbeitet worden. Sie besteht aber dennoch. Und zwar ganz unabhängig von der übertriebenen Aufregung, mit der das Innenministerium diese anonyme Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft herangetragen hat (die die Opposition in ihrer Anti-Kickl-Beißwut als einziges interessiert). Und ebenfalls ganz unabhängig von all dem zusätzlichen Schaden, den danach der parlamentarische Untersuchungsausschuss bedeutet, der völlig in üble parteipolitische Wadelbeißerei abgeglitten ist, und aus dem viele eigentlich "vertrauliche" Unterlagen an bestimmte Medien gegangen sind.

Und jetzt tut die Chefin ausgerechnet dieser Korruptionsstaatsanwaltschaft etwas, was in der österreichischen Justizgeschichte einmalig ist. Sie erstattet mit einem anderen – aber ebenfalls extrem fadenscheinig klingenden – Vorwurf Strafanzeige gegen den obersten Justizbeamten. Eigentlich müsste jetzt auch ein von der Strafjustiz überforderter Justizminister zusammenzählen können, was da eigentlich los ist:

  1. Eine Leiterin einer wichtigen Staatsanwaltschaft hat einen schweren Fehler begangen, der ihre weitere Eignung in Frage stellt.
  2. Der einzige, der diesen Fehler mit Formal- und Sachkompetenz effizient verfolgen könnte (und vielleicht auch schon diesbezüglich Erhebungen begonnen hat), ist der Generalsekretär des Justizministeriums und gleichzeitige Leiter der zuständigen Straf-Sektion im Ministerium.
  3. Genau in dieser Situation erstattet die betreffende Dame Strafanzeige gegen diesen Generalsekretär, nachdem bei einer internen Sitzung zu einem anderen Fall rechtswidrig ein geheimer Tonbandmitschnitt erstellt und an befreundete Medien weitergespielt worden ist. Das ist noch dazu eine Anzeige, die bezeichnenderweise nicht von allen teilnehmenden Angehörigen aus der Korruptionsstaatsanwaltschaft unterschrieben worden ist, was zusätzlich entlarvend für das problematische Vorgehen der Dame ist. Das alles ist in der Justizgeschichte absolut einmalig.
  4. Als Reaktion auf das Bekanntwerden dieser Anzeige versammeln sich binnen weniger Minuten alle drei Linksparteien in hechelnder Solidarität hinter dieser Dame – natürlich ohne auch nur eine Sekunde Inhalt und Lächerlichkeit der Strafanzeige geprüft zu haben.
  5. Damit scheint die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft im Leo zu sein. Denn sie hat ihren einzig relevanten Vorgesetzten jedenfalls einmal schwer getroffen, sodass dieser nichts mehr gegen sie unternehmen kann. Wie sehr dieser angeschlagen in den Seilen hängt und wie sehr er sein ganzes übliches Selbstbewusstsein verloren hat, konnte man ja auch bei einem recht entlarvenden TV-Auftritt sehen.
  6. Und sollte Frau Vrabl dennoch noch irgendetwas wegen ihrer katastrophalen BVT-Aktionen und ihrer skandalösen Anzeige geschehen, würde sie sich mit Hilfe der Opposition, der da ja – natürlich ganz unabgesprochen – zehn Tage vor einer Wahl gratis ein Riesenskandal ins Haus geliefert worden ist, perfekt als Märtyrerin positionieren.

Ist alles eigentlich nicht so schwer zu durchschauen, Herr Moser oder? Die Situation würde freilich mutige Entscheidungen erfordern, nicht eine lächerliche Psychostrategie namens Mediation. Für solche Aktionen kann zwischen einer vorgesetzten und einer untergeordneten Behörde kein Platz sein, nachdem die untergeordnete Behörde mit einer noch nie dagewesenen, aber inhaltlich dünnen Strafanzeige nach außen gegangen ist. Dazu ist dieser Kernbereich der Justiz zu sensibel. Da muss einer oder beide weg.

Dahinter stehen freilich auch zwei weitere zentrale Problembereiche:

  • Der Kampf der Staatsanwaltschaften um Unabhängigkeit;
  • Die Persönlichkeit des Justiz-Generalsekretärs.

Beides hängt zum Teil zusammen. Tatsache ist, dass die Staatanwaltschaft seit Jahrzehnten aus dem Weisungsbereich des Justizministers zu entkommen trachtet, die de facto über diesen Generalsekretär läuft (was der letzte Minister zusätzlich durch Schaffung eines Weisungsrats  verkompliziert hat).

Gelänge der Staatsanwaltschaft das, würde sie – wie es ihren Kollegen in etlichen anderen Ländern, etwa Spanien, gelungen ist – zu einem jeder demokratischen und parlamentarischen Kontrolle entzogenen Tiefen Staat, zu einer mächtigen unabhängigen Überregierung im Schatten werden.

Das Unabhängigkeitsbestreben ist an sich psychologisch durchaus verständlich (wer will nicht seinen Vorgesetzten ersatzlos loswerden?). Es zu realisieren wäre aber nicht im Sinne der Republik und des Rechtsstaates – in dem ja am Ende immer die sowieso völlig unabhängigen Richter entscheiden.

Diese Unterordnung der gesamten Staatsanwaltschaft unter einen – fähigen – Justizminister ist wichtig für die österreichweite Einheitlichkeit der Strafrechtspflege. Sie ist wichtig als Qualitätskontrolle für die oft jungen und unerfahrenen Staatsanwälte. Sie sollte die Energie der Strafverfolgung auf die wirklich großen Probleme des Rechtsstaats lenken. Und sie sollte – theoretisch – auch ein Hindernis dagegen sein, dass Causen vielleicht auch aus Faulheit  und Unfähigkeit unendlich lange liegen, dass einzelne Staatsanwälte ganz eindeutig ideologisch oder parteipolitisch getrieben agieren.

Das alles gelingt freilich – gerade als Folge des ständig spürbaren staatsanwaltschaftlichen Unabhängigkeitsstrebens – immer schlechter. Siehe etwa das absurde und nur ideologisch erklärbare Vorgehen der Grazer Staatsanwälte gegen die Identitären. Siehe etwa die vielen Prozesse, die letztlich mit einem Freispruch geendet haben, wo aber davor die Staatsanwälte Existenzen mit verbissenem Hass durch bisweilen zehn Jahre lange Strafverfolgung, durch die Verursachung von Anwaltskosten im saftigen sechsstelligen Bereich komplett ruinieren konnten. Siehe auch die vielen auf gelangweiltes Desinteresse stoßenden Anzeigen wegen Eigentumsdelikten, während bestimmte Staatsanwälte mit großem Engagement im Geiste der Political Correctness bloße Meinungsdelikte verfolgen.

Angesichts zahlloser letztlich mit Freisprüchen endender Verfahren und angesichts immer eigenständiger agierender Staatsanwälte bräuchte es im Grund eine persönliche Haftung der jeweils handelnden Staatsanwälte, damit diese einem zu Unrecht Beschuldigten zumindest einen Teil der Kosten zu ersetzen.

Dieser radikal klingende und daher wahrscheinlich nie realisierte Vorschlag wäre der beste Beitrag zum Effizientwerden der Strafverfolgungsbehörden. Ist doch deren oft grenzen- und für die einzelnen Staatsanwälte folgenlose Willkür eines der Dinge, die an der Entwicklung des Rechtsstaats am meisten empören.

Genau darum ging es ja inhaltlich in der Kontroverse zwischen dem Generalsekretär Christian Pilnacek und der WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda. Diese war inhaltlich bei einer internen Besprechung lautstark eskaliert, wobei freilich ansonsten die Darstellungen beider Seiten dazu ziemlich divergieren.

Das Emotionalwerden kann man sich einerseits an Hand der Sachlage und andererseits an Hand der Persönlichkeit des Pilnacek aber lebhaft vorstellen. In der Sachfrage geht es fast seit der Jahrtausendwende ja um den von Rot und Grün erhobenen Vorwurf, bei der Anschaffung der Eurofighter wäre es unrechtmäßig zugegangen, für den aber die seit sieben Jahren einschlägig forschenden Staatsanwälte nie einen anklagefähigen Beweis gefunden haben.

Andererseits ist Pilnacek alles andere als ein Mann der Demut, er kann lautstark werden, er ist eitel und er ist nun schon unter dem vierten Justizminister der eigentlich starke Mann des Ministeriums, der sich aber auch mutig buchstäblich zu jeder Causa ins Fernsehen setzt, wenn sich die Minister nicht getraut haben.

Bei aller Kritik an der Überheblichkeit des Mannes: Die jetzt gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe sind lächerlich, sind skandalös. Denn Pilnacek hat nach allem, was bekannt geworden ist, lediglich – wenn auch lautstark und wenn auch in breiter Umgangssprache – aus verfahrensökonomischen Gründen die Einstellung eines Teils der nie bewiesenen Vorwürfe beziehungsweise die rasche Verfahrenserhebung in jenen Punkten verlangt, die anklagefähig sind.

Genau auf solche Verfahrensbeschleunigung hinzuarbeiten ist ja eindeutig sogar eine zentrale Aufgabe des Ministeriums und des zuständigen Sektionschefs als Oberbehörde dieser Korruptionsstaatsanwaltschaft. Amtsmissbrauch hätte er nur dann betrieben, wenn er gesagt hätte: Ist eh gut, untersucht noch weitere sieben Jahre.

Wenn es nicht mehr möglich sein sollte, dass im Justizbereich – jenseits der richterlichen Unabhängigkeit – ein Vorgesetzter genau solche Verlangen äußert, dann haben wir die totale Anarchie in der Justiz. Dann kann jeder kleine Staatsanwalt Amok laufen und die Republik zerlegen. Und niemand darf ihm etwas sagen.

Nur ein paar Ideen zur Selbstprofilierung als Anregung, was die Staatsanwälte alles tun könnten, wenn diese Strafanzeige nicht sofort niedergelegt werden sollte: Vielleicht eine Hausdurchsuchung beim Bundespräsidenten, weil er beim Besuch in Russland irgendein Geschenk entgegengenommen hat? Oder beim Bundeskanzler, weil er einem arabischen Scheich einen Lipizzaner geschenkt hat? Oder beim Innenminister, weil er eine Uniformjacke getragen hat, die er vielleicht bezahlen hätte sollen?

Der Frau Vrabl ist jedenfalls zu ihrer Abschussliste zu gratulieren: Zuerst wurde das BVT durch eine unsinnige Hausdurchsuchung weitgehend zertrümmert; jetzt ist die ganze Strafjustiz aus läppischem Anlass dran.

Freilich könnte man das aber auch anders sehen und sich fragen: Wie lange bleibt diese Dame noch im Amt? Oder warten wir, bis weiteres Unheil geschieht?

PS: Angesichts der nunmehrigen Vorfälle wird natürlich im Justizministerium schon gar niemand die Energie haben, der eigentlich dringend aufklärungsbedürftigen Frage nachzugehen, wieso geheime Akteninhalte über die Identitären (Spenderliste und Mails) schon wieder direkt als vermeintliche Wahlkampfunterstützung an linke Medien gehen konnten.

PPS: Dass die dramatisierte Darstellung dieser Enthüllungen im ORF eindeutig mit unwahren Behauptungen erfolgt ist, zeigt Identitären-Chef Sellner bei zwei Youtube-Auftritten mit ziemlich eindeutigen Beweisen (eins und zwei), die dennoch in keinem einzigen Medium erwähnt werden (das ist übrigens zum ersten Mal, dass ich Sellner-Videos angeschaut habe – angesichts der Vorwürfe gehört das zu dem leider in den Medien völlig außer Mode gekommenen Prinzip des Gegenchecks beziehungsweise des "Audiatur et altera pars").

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