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Politik ist (neben vielem anderen) ein Handwerk, in dem es vor allem um Kommunikation geht. In ihrem ersten Jahr hat das die Regierung auch blendend beherrscht. In den letzten Wochen hingegen sind immer mehr rätselhafte Aussetzer zu beobachten. Der jüngste ist die Reaktion auf den Brand von Notre-Dame.
Genauer gesagt: die Nichtreaktion. Naturgemäß war dieser Brand nicht in eine Kommunikationsstrategie einplanbar gewesen. Prompt gibt es keinerlei Reaktion darauf, obwohl er ein Megaereignis von historischen Dimensionen ist.
Zugleich macht in der Karwoche offensichtlich ein Großteil der Regierung sowie ihre vielen Kommunikationsberater und Regierungssprecher Urlaub. Jedoch: Politik, und erst recht das Regieren ist halt einmal ein 365/24-Job. Politik, und erst recht eine Regierung, sind dabei vor allem in der Reaktion auf Unvorhergesehenes gefordert, wo sie Sicherheit vermitteln sollte, nicht nur im langfristig Planbaren.
Wer glaubt, dass ein dürres Twitter-Statement angesichts eines solchen paneuropäischen Kulturschocks reicht, der hat die Gesetze der politischen Kommunikation nicht verstanden. Demgegenüber hat sogar der sonst nur durch holpriges Herunterbeten der immer gleichen grünen Phrasen auffallende Bundespräsident geschickt gepunktet, indem er auf der Hofburg die französische Fahne setzen ließ. Natürlich wird dadurch Notre-Dame nicht wieder heil – aber Regierungen und Präsidenten sind nun einmal dazu da, um den Bürgern bei stürmischen Ereignissen auch emotional Orientierung und Halt zu geben.
Damit haben die Regierungsparteien nach dem völlig überflüssigen Watschentanz um die Identitären und nach den völlig falschen und überflüssigen medienpolitischen Positionierungen (Unterstützung für Upload-Filter-Zwang, Zensurartige Pläne zur "Klarnamenpflicht") gleich ein weiteres Mal gezeigt, dass ihre anfangs gezeigte politische Begabung Urlaub macht. Gewiss: Diese Fehler schlagen sich noch nicht in den Umfragen nieder – aber nur deshalb, weil die Performance der Oppositionsparteien weiterhin absolut jämmerlich ist. Auch die der Neos, obwohl diese an sich intelligentere Exponenten haben; aber ihr wilder Zickzackkurs zwischen linksradikal und bisweilen doch echt liberal macht schwindlig.
Manche werden nun fragen: Was hätte die Regierung denn in Sachen Notre-Dame tun sollen? Die Grundlinien einer professionellen Reaktion sind einfach (und hätten auch den vielen hochbezahlten Kommunikationsberatern in dieser oder ähnlichen Formen einfallen können). In ein paar Stichworten:
Beim letztgenannten Punkt geht es um die Idee, um die Notwendigkeit einer großangelegten Sofortüberprüfung aller historischen Gebäude in Staats-, aber auch Kirchenbesitz: auf Brand- und sonstige Sicherheit, auf Sprinkler- und Alarmanlagen, auf Überwachungskameras, auf sichere Feuerwehrzufahrten, auf Terrorsicherheit, auf Bewachung (was bei Kirchen angesichts der rapiden Islamisierung wohl schon mindestens so wichtig ist wie bei ausländischen Botschaften) usw.
Gewiss wird da nach dem Hofburgbrand manches geschehen sein. Aber der ist immerhin 27 Jahre her, weshalb eine umfassende Sicherheitsüberprüfung jedenfalls wieder fällig wäre. Außerdem gibt es inzwischen neue Sicherheitstechnologien. Außerdem ist inzwischen die Terrorgefahr dramatisch gewachsen.
Das Blackout der Regierung zumindest in den ersten Stunden erinnert an einen ähnlichen Fehler einer ebenfalls schwarz-blauen Regierung, als vor 15 Jahren ebenfalls in einer Urlaubszeit (nach Weihnachten) in Asien die große Tsunami-Katastrophe passiert ist. Auch damals war tagelang kein Minister zu hören gewesen. Was einen ziemlichen Imageschaden für die – sich nach Knittelfeld gerade etwas erholende – Regierung gewesen ist.
Offenbar hat man nichts dazugelernt: Gerade in ansonsten nachrichtenschwachen Zeiten schlagen solche Katastrophen besonders hohe Wellen. Daher wird in solchen Zeiten den Menschen besonders deutlich spürbar, wenn es irgendwo ein politisches Vakuum gibt. Sie schließen aus diesem Vakuum auf mangelnde Professionalität.
Warum wird eine Brandlegung ausgeschlossen?
Jenseits dieses Erstaunens ob des Osterschlafs der Regierung noch zwei Beobachtungen zu dem Brand von Notre-Dame ganz anderer Natur.
Die erste: Es ist auffällig, dass man zwar in Paris noch nicht weiß, was die Ursache des Brandes ist (das ist an sich ja nachvollziehbar); dass man aber eines sofort gewusst und verkündet hat, als der Brand gerade angefangen hatte: Es war keine Brandstiftung, es war kein Terrorakt. Das macht stutzig: Woher weiß man das, wenn man die Ursache noch nicht kennt? Begeht Frankreich den gleichen Fehler, der den deutschen Behörden so geschadet hat – dass man ihnen nach allzu intensiver politisch-korrekter Schönfärberei gar nichts mehr glaubt?
Da muss man kein Verschwörungstheoretiker sein, um hinter die blitzschnelle Aussage, dass das alles sicher irgendwie mit den seit Jahren laufenden Restaurierungsarbeiten zusammenhängen muss, ein paar dicke Fragezeichen zu setzen.
Die zweite Beobachtung: Bei all den vielen Kommentaren, die man in Zeitungen oder Fernsehstationen zu dem Brand liest und hört, fällt auf, dass ein bestimmter Gedanke fast überall auftaucht: Mit Notre-Dame sei auch die Identität der Franzosen verbunden.
Wie war das noch einmal? Identität? Wo ist dieses Wort nur zuletzt dauernd gefallen? War es da nicht immer ganz, ganz böse, wenn sich jemand um die Identität der eigenen Nation sorgt und für sie eintritt? Oder dürfen nur die Franzosen, nicht aber die Österreicher eine Identität haben, die sie verteidigen und zu bewahren versuchen?
PS: Eine solche "Notre-Dame"- Initiative hätte insbesondere der ÖVP gutgetan. Hat doch Ex-Obmann Mitterlehner sein autobiographisches Buch ausgerechnet ins innenpolitische Nachrichten-Vakuum der Karwoche platziert, wo er ja weit mehr Echo erhoffen kann als im Rest des Jahres. Dieses Mitterlehner-Gejammere-Buch ist recht unangenehm für die ÖVP. Daher würde eine strategisch agierende Partei mit einer eigenen Initiative zu einem ganz anderen Thema davon abzulenken versuchen. Sie würde damit zugleich Mitterlehner ignorieren und seine wehleidigen Klagen darüber, dass Sebastian Kurz vor zwei Jahren sehr zielgerichtet sein Nachfolger werden wollte (Diese Klagen sind vor allem für Mitterlehner selbstbeschädigend. Denn noch kann man sich gut daran erinnern, dass in der Endphase seiner Tätigkeit angesichts der steilen Talfahrt der Partei so gut wie alle ÖVP-Wähler den Wechsel zu Kurz verlangt haben. Daher ist Mitterlehner mit einem öffentlichen Klagelied schlicht peinlich. Aber das war man ja von ihm gewohnt).