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Reporter ohne Grenzen der Blödheit

Eine der vielen durch keine demokratische oder sonstige Legitimation ausgewiesenen NGOs namens "Reporter ohne Grenzen" hat Österreich auf ihrem Ranking in Sachen Pressefreiheit einige Plätze zurückgereiht, von Rang 11 auf 16. Zwar gibt es tatsächlich in Österreich in Sachen Meinungsfreiheit – die ja auch die Pressefreiheit einschließt – etliches scharf zu kritisieren. Zwar gibt es tatsächlich eine hierzulande bisher völlig ignorierte internationale Studie, die Anlass zu lautem Alarm gibt. Aber das, was da die österreichische Vertreterin dieses Vereins als Begründung für die Zurückreihung nennt, ist so hanebüchen lächerlich, dass man eigentlich den ganzen Klub sofort unter "Reporter ohne Gehirn" dauerhaft ablegen müsste.

Aber da etliche Medien – natürlich der ORF an der Spitze – dieses Ranking so berichtet haben, als wäre es etwas Ernstzunehmendes, wollen auch wir uns mit ihm befassen. Die österreichische Repräsentantin dieses Vereins ist eine Frau Rubina Möhring, die seit Jahren immer ein verlässlicher Funktionärs-Papagei der jeweiligen SPÖ-Propaganda gewesen ist. Sie nannte nun in einem Radiointerview ein Beispiel, um zu zeigen, wie sehr sich die Pressefreiheit in Österreich verschlechtert hätte. Das wäre ein Fernsehinterview des Ministers Blümel gewesen, der eine Frage des Interviewers als "Blödsinn" bezeichnet habe.

Wirklich, das hat sie als das am meisten Empörende empfunden. Man fasst es nicht.

Warum nur muss sich eine Organisation so lächerlich machen, dass sie sich ausgerechnet über dieses Wort aufregt? Immerhin leben wir in einer Welt, in der 2018 Dutzende Journalisten umgebracht worden sind und eine noch viel größere Anzahl im Gefängnis gelandet ist, und da pudelte sich ernsthaft eine altjüngferliche Political-Correctness-Gouvernante über das Wort Blödsinn auf.

Um nicht missverstanden zu werden: Herr Blümel hatte in dieser Sache völlig unrecht. Die Frage des ORF-Mannes Thür war kein Blödsinn, sie war sogar im Vergleich zum sonstigen ORF-Frageniveau überaus intelligent. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass eine Organisation, die ernstgenommen werden will, offenbar Wunschvorstellungen von einem Interview hat, die eher zum Abendgebet in einem puritanischen Mädchenpensionat des 19. Jahrhunderts passen würden.

Es ist nicht nur hinzunehmen, sondern sogar gut und richtig, wenn Politiker normal zu reden versuchen, wenn sie bisweilen auch emotional sind, wenn sie auch Worte wie "Blödsinn" verwenden. Das würde die Politik den entfremdeten Menschen sogar deutlich näherbringen (auch wenn die meisten ja ebenfalls sehr dummen Mediencoaches genau das den von ihnen trainierten Politikern abzutrainieren versuchen).

Auch bei dem selbsternannten Reporter-Verein sollte man sich hie und da mit richtigen Journalisten unterhalten: Die machen sich nämlich keineswegs gleich in die Hose, wenn ein Politiker auf eine scharfe Frage auch scharf repliziert. Wenn jemand so austeilt, wie Journalisten es oft im Kommentar oder in Fragestellungen tun – zum Glück und zu Recht –, dann ist es nur fair und in Ordnung, wenn auch die Gegenseite das Recht hat, verbal auszuteilen. Etwa auch einen Journalisten als unfähig zu bezeichnen. Etwa auch öffentlich ein dickes Fragezeichnen hinter die Wahrheitsliebe eines anderen ORF-Journalisten setzen zu dürfen. Auch wenn es schon klar ist, dass man dabei nicht das Wort "Lügner" verwenden sollte. Denn dieses umfasst auch immer eine Aussage über die – juristisch formuliert – subjektive Tatseite (also darüber, dass jemand absichtlich und wissentlich etwas Falsches gesagt hat, und nicht nur aus Dummheit oder Ahnungslosigkeit). Aber Richter sind nun einmal der Auffassung, dass nur sie diese Tatseite beurteilen dürfen.

Mimosen sollten jedenfalls keine Journalisten werden. Und sie können vor allem keine guten werden, höchstens ROG- und ORF-Funktionäre.

Es wäre geradezu absurd, wenn nur die Journalisten scharf fragen dürfen, wenn sich Politiker hingegen bloß als masochistische Watschenmänner zu verhalten hätten. Aber offenbar macht sich die seit einiger Zeit an einigen Universitäten vor allem bei den weiblichen Studenten modisch gewordene Befindlichkeits-Hysterie, die jede sie verstörende Aussage eines Vortragenden zu pönalisieren oder zumindest zu verbieten versucht, nun auch im europäischen Journalismus breit.

Unabhängig von diesen ROG-Lächerlichkeiten ist es freilich hierzulande um die Meinungsfreiheit tatsächlich schlecht bestellt. Die Beweise für diese Aussage sind in diesem Tagebuch schon mehrfach aufgelistet worden: Bestechungsinserate um 170 Millionen Steuer(!!)geld jährlich, was ein besorgniserregendes und bis heute von den Gerichten toleriertes Ausmaß an Korruption beweist; ORF-Privilegien, die weiterhin mit Zwangsgebühren finanziert werden; ein Verhetzungsparagraph, der einen massiven, einseitig diskriminierenden Maulkorb für reine Meinungsäußerungen darstellt; eine vor allem bei Meinungsdelikten verurteilungssüchtige Staatsanwaltschaft samt einem ähnlich denkenden Teil der Richterschaft (wenn auch zum Glück vorerst nur kleineren Teil); und nun die Klarnamenpflicht (womit sich auch Schwarz-Blau eindeutig zu den Feinden der Meinungsfreiheit gesellt haben).

Am gleichen Tag dieser lächerlichen ROG-Aufregung ist mir ein anderes internationales Ranking in die Hände gefallen, das viel erschütternder ist, das aber in Österreich völlig ignoriert worden ist. Denn es zeigt: Die Österreicher sind schon in hohem Ausmaß überzeugt, dass es hierzulande ganz schlecht um die Meinungsfreiheit bestellt ist, dass die Diktatur der Political correctness schon schlimme Ausmaße angenommen hat.

Denn eine Statistik auf "theworldindex" und auf der renommierten deutschen Seite "Statista", die sich auf den "Reuters Institute Digital Report" beruft, listet Länder danach auf, "wieviel Prozent der Bevölkerung besorgt sind, dass die Äußerung politischer Ansichten Probleme mit den Behörden auslösen könnte".

An ihrem negativen Ende steht – wenig überraschend – die Türkei. Sie ist ein Land, das Zehntausende Menschen wegen einer falschen Meinung einsperrt. Dort haben 65 Prozent eine solche Besorgnis.

Aber schon fünf Plätze dahinter findet sich – Österreich! Und dieser Umstand müsste nun wirklich alle Alarmglocken läuten lassen, hätten wir irgendwo noch eine grundrechts- und freiheitsbewusste Bevölkerung oder gar intellektuelle Szene, der Meinungsfreiheit wieder so wichtig wäre, wie sie den Menschen 1848, 1867 und 1945 wichtig war. Aber heute sind offensichtlich große Teile der Bevölkerung von einer totalitären oder bestenfalls Gouvernanten-Denke geprägt. Heute sind viele auf das Kindergartenmuster reduziert: "Bitte, Frau Lehrer, der hat gesagt ...".

Noch lauter müssten die Alarmglocken läuten, wenn man auch den Prozentsatz liest: Nicht weniger als 50 Prozent der Menschen in Österreich sind dieser Meinung. Jeder zweite Österreicher ist also überzeugt, dass man seine politischen Ansichten hierzulande nicht mehr frei äußern kann. Das ist absolut bestürzend! Das ist gar nicht weit weg von der Türkei (Am anderen, am positiven Ende dieser Statistik findet man übrigens Norwegen, die USA und Schweden).

Diese österreichische Umfrage sagt tausend Mal mehr über die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit aus, als die Schnappatmung einer linken Funktionärin, weil ein Minister zu einem Journalisten "Blödsinn" gesagt hat. Übrigens: Die linken Schnappatmer haben einst absolut nichts dabei gefunden, als Bruno Kreisky einen Journalisten mit dem Satz zu demütigen versucht hat: "Lernen sie Geschichte, Herr Reporter". Kreisky ist für diesen – mit "Blödsinn" völlig gleichwertigen – Satz im Gegenteil von vielen Medien bejubelt worden. Aber natürlich: Was bei einem Linken zu bejubeln ist, ist bei einem Nichtganzsolinken ein Verbrechen, durch das die Grundrechte bedroht sind.

PS: In diesem Auszug aus diversen globalen Rankings findet man auch sonst viel Interessantes. So stehen bei der Qualität des Erziehungssystems Großbritannien und die USA an der Spitze. So wird die Liste der "innovativsten Unternehmen der Welt" gleich von sieben US-Firmen angeführt – gefolgt von einer indischen, einer südkoreanischen und noch einer amerikanischen, aber keiner einzigen europäischen Firma. So steht die Alpenrepublik nur bei einer einzigen Dimension an der Spitze (ex aequo mit Island und Finnland): bei den Rechten der Arbeiter. Kein Wunder, dass man Österreich dafür bei keinem zukunftsorientierten Listing irgendwo im Spitzenfeld findet. Wie toll wäre es, wenn man hierzulande über das diesbezügliche Zurückbleiben der Nation reden würde, und über die rapide Abnahme der Meinungsfreiheit, aber nicht über die Frage, ob ein Minister "Blödsinn" zu einem Journalisten sagen darf …

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