Wo man Trump zustimmen kann – und wo ganz und gar nicht
02. März 2019 01:51
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 9:30
Der amerikanische Präsident ist zweifellos heute die weitaus kontroversiellste Figur der Weltpolitik. Er wird von vielen Medien, speziell in Europa, mehr gehasst als selbst die brutalsten Diktatoren dieser Welt von Venezuela bis Nordkorea. Das ist absurd, aber nicht ganz unverständlich. Denn Donald Trump ist eine zutiefst unsympathische Persönlichkeit – weshalb viele nicht imstande sind, auch die vielen positiven Punkte zu erkennen, die für ihn sprechen.
Im Detail die negativen, die ambivalenten und die für Trump sprechenden Punkte:
Was gegen Donald Trump spricht
- An der Spitze ist zweifellos sein Auftreten und Gehabe zu nennen. Er wirkt nicht nur präpotent und eitel – er ist es auch. Das hat Folgen. Denn niemand ist bei der Gesamtbeurteilung einer Person nur rational und kann die emotionale Seite völlig ausblenden. Daher sind seine Beliebtheitswerte bei Frauen besonders niedrig. Frauen – das ist durch unzählige Studien bewiesen – rücken nämlich bei der Bewertung einer Person noch viel mehr als Männer den emotionalen Gesamteindruck ins Zentrum.
- Sympathiepunkte bringt ihm auch gewiss nicht die Tatsache, dass er sich der sexuellen Dienste einer Porno-Darstellerin bedient hat. Freilich: Dass er deswegen im Wahlkampf dann von dieser Frau – als Gegenleistung für ihr Schweigen – zur Zahlung eines größeren Geldbetrags erpresst worden ist, und dass diese Zahlung nicht der Erpresserin, sondern ihm, dem Erpressten, jetzt gewaltige rechtliche Probleme bereitet, ist nur noch schwer verständlich. Das ist nur als Folge des oft sehr seltsamen amerikanischen Rechtssystems zu verstehen, das in der Zahlung an diese Erpresserin eine unerlaubte Wahlkampfaktivität sieht.
- Trump hat zu oft gelogen oder zumindest maßlos übertrieben. Das tun zwar viele Politiker (und auch fast alle anderen Menschen), aber bei ihm ist es einfach zu auffällig, sodass er kaum Vertrauen aufbauen kann. Dabei wäre Vertrauen die wichtigste Währung eines Politikers.
- Er war auch zu hemmungslos im Einsatz schmutziger Methoden im letzten Wahlkampf. Diese Methoden kommen einem in Europa zwar nicht ganz so ungewöhnlich vor. Aber in den USA gibt es halt diesbezüglich sehr strenge Gesetze. Gäbe es diese auch in Österreich, wäre Christian Kern mit seinem Dirty Silberstein-Campaigning wohl längst auch strafrechtlich in Schwierigkeiten.
- Negativ ist zweifellos zu bewerten, dass Trump offensichtlich von seinen Beratern nur mit großer Mühe davon abgehalten werden konnte, die Kurden im Stich zu lassen und damit dem Zugriff des kurdenhassenden Diktators Erdogan auszusetzen. Selbst wenn man Verständnis dafür hat, dass die USA nicht mehr überall Weltpolizist sein wollen, so haben doch die Kurden als Verbündete der USA eindeutig die entscheidende Rolle beim Niederringen des "Islamischen Staats" gespielt, während sich alle anderen Kriegsparteien viel weniger gegen den IS engagiert haben, ob nun Assad, Russland, die Türkei oder der Iran. Dieser Kampf der Kurden war eindeutig in vollem Interesse der USA (und noch mehr der Europäer!). So jemanden nach getaner Drecksarbeit im Stich zu lassen, ist schäbig.
- Nicht zustimmen kann man Trump auch bei seinem Widerstand gegen die Nord-Stream-2-Pipeline. Denn diese ist für die Diversifizierung und Sicherheit der europäischen Gasversorgung positiv, auch wenn sie für die bisherigen exklusiven Gas-Transitländer (vor allem die Ukraine) eine Reduzierung ihrer Macht bedeuten – und ebenso für die USA eine zusätzliche Konkurrenz zu ihren Flüssiggasexporten.
Was ambivalent an Trump ist
- Er hat zwar einen Wirtschaftsboom ausgelöst, mit dem die USA derzeit alles in den Schatten stellen – was an sich sehr positiv klingt. Aber er hat den Boom primär durch die gewaltige Steigerung des Defizits ausgelöst – was sich langfristig eigentlich immer negativ auswirkt. Allerdings sind die USA in der beneidenswerten Lage, dass sie ihr Defizit indirekt durch den Transfer vieler Investitions- und Fluchtgelder aus aller Welt finanziert bekommen. Dieser Zustrom ist wiederum Folge der Zuversicht vieler, dass die USA ein stabiler Platz für Geldanlagen sind (obwohl es kein anderes Land gibt, das so viele Konten von dubiosen Figuren des Auslands gesperrt hat). Dieser Zustrom spricht nun wiederum eindeutig für Trump.
- Besonders gravierend verändern wird sich die Weltgeschichte durch Trumps prinzipiellen Hang zum Isolationismus, also zu einem Kurs, bei dem sich die Amerikaner nur noch im eigenen Interesse international engagieren, aber immer weniger global als Hüter der Freiheit auftreten. Das scheint aus amerikanischer Perspektive auch verständlich, wenn man die Kosten und Opfer der globalen Militärpräsenz bedenkt. Das ist aber dennoch auch für die USA problematisch. Scheinen sie doch eine schon einmal opferreich gelernte Lektion der Geschichte wieder zu vergessen: Denn nach dem Ersten Weltkrieg zogen sie sich ja auch aus Europa zurück, weshalb die Pariser Friedensverträge ganz von den Rachegelüsten der europäischen Siegermächte, vor allem der Franzosen geprägt wurden und kaum von der im Krieg laut propagierten US-Kampagne für das Selbstbestimmungsrecht. Dies hat kausal den Zweiten Weltkrieg mitverschuldet und die Amerikaner wieder in die europäischen Händel verwickelt. Auf Grund dieser Erfahrung sind sie nach dem zweiten Krieg in Europa geblieben und haben nun schon fast ein Dreivierteljahrhundert Entscheidendes zur Sicherheit und Stabilität Europas beigetragen. Anfangs nur für Westeuropa, heute vor allem für die Osteuropäer.
- Schwer zu bewerten ist der amerikanische Widerstand gegen den Iran-Deal. Zwar hat Trump recht mit all seiner Kritik am Iran, seiner Kriegsführung in diversen anderen Ländern, seiner Aufrüstung und seiner Bedrohlichkeit für die Existenz Israels. Aber es ist völlig unklar, was passieren würde, wenn sich Trump durchsetzen sollte: Würde der Iran dann einem für den Frieden besseren Deal zustimmen?
Wo Trump zuzustimmen ist
- Er hat – gerade durch seine erratische Art, gerade weil ihm Kritiker "alles zutrauen" – dafür gesorgt, dass er und damit die USA wieder ernst genommen, wieder respektiert werden.
- Er hat das allein durch seine aggressiven Töne geschafft – während er die USA weit weniger als seine Vorgänger direkt militärisch engagiert hat. So verständlich es ist, dass niemand die Töne Trumps liebt, so sehr muss man zugestehen, dass seine Schimpfkanonaden (etwa anfänglich gegen den nordkoreanischen Diktator) auch eine durchaus positive Wirkung hatten.
- Auch wenn nach dem Hanoi-Gipfel viele linke Kommentatoren von einem völligen Scheitern der Nordkorea-Politik Trumps sprechen, so ist doch eindeutig als Erfolg festzuhalten, dass es seit Beginn seiner Dialogpolitik keine nordkoreanischen Atom- und Raketentests mehr gibt, während diese davor immer aggressiver geworden sind – ungeachtet aller Proteste Amerikas, der UNO und vieler anderer Staaten.
- Noch aus einem anderen Grund spricht der ergebnislose Ausgang dieses Gipfels mit Nordkorea für Trump: Er hat sich nicht einer offensichtlichen Erpressung durch Kim gebeugt, obwohl er ganz eindeutig gern mit einem Erfolg heimgefahren wäre. Der Nordkoreaner hatte ja offensichtlich damit spekuliert, dass Trump angesichts seiner eigenen Bedrängnis besonders konzessionsbereit sein werde. Trump hat sich damit geradezu staatsmännisch verhalten.
- Das haben die US-Demokraten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus hingegen keineswegs getan. Denn es ist absolut verantwortungslos, ein öffentliches Hearing des früheren Trump-Anwalts genau zu jenem Zeitpunkt anzusetzen, da der eigene Präsident bei einem heiklen Gipfeltreffen im Ausland weilt.
- Wie überhaupt die US-Demokraten heute viel problematischer sind, als sie es unter Clinton oder Obama gewesen sind. Seit den jüngsten Kongresswahlen werden sie von jungen Linksradikalen dominiert, die mit Forderungen wie der nach einer 70-prozentigen Einkommenssteuer und Freigabe von Cannabis derzeit sogar die europäischen Sozialisten negativ übertreffen.
- Auch die Vorgehensweise der amerikanischen Justiz gegen Trump ist völlig unverständlich. Den Anwalt Trumps mit seinen persönlichen Finanzvergehen so unter Druck zu setzen, bis der umfällt und gegen seinen eigenen Klienten Trump aussagt, wäre in anderen Rechtsstaaten absolut undenkbar. Dabei ist es bei nüchterner Betrachtung eigentlich lächerlich, was da bisher nach zwei Jahren intensiver Erhebungen an konkreten Indizien gegen Trump zusammengekommen ist: Dass er eine erpresserische Prostituierte für ihr Schweigen bezahlt hat; dass er von der Wikileaks-Veröffentlichung von (in Wahrheit freilich ebenfalls harmlosen) Mails seiner Wahlkampfgegnerin im vorhinein gewusst hat; und dass er länger ein Hotelprojekt in Moskau betrieben hat als bisher zugegeben. Gewiss ist das alles nicht ganz stubenrein, aber letztlich alles andere als ein valider Grund, den Präsidenten des mächtigsten Staates der Welt über Jahre zu verfolgen und lahmzulegen zu versuchen. Da hat Trump mit seinen Klagen über eine parteipolitisch motivierte "Hexenjagd" der Justiz nicht Unrecht.
- Jedenfalls absolut positiv ist in Wahrheit das, was der Hauptvorwurf der Justizermittlungen ist: dass Trump Kontakte mit Russland schon vor der Präsidentschaft angestrebt hat. Was auch immer daran im Detail wahr ist – es wäre vernünftig und positiv gewesen. Es ist eindeutige Kollektiv-Paranoia des US-Kongresses, wenn der Versuch einer Annäherung an Russland zum Hochverrat hochstilisiert wird. Genau diese Paranoia hat letztlich zur Verschlechterung der amerikanisch-russischen Beziehungen in den letzten Monaten geführt (siehe das Ende des Mittelstreckenraketenabkommens). So wenig Russland heute eine Demokratie oder ein Rechtsstaat ist, so strikt seine Eroberungen in der Ukraine und Georgien auch zu verurteilen sind – so wenig plant Russland heute eine Weltrevolution. Und so richtig wäre es, die Russen aus ihren jahrhundertealten – und immer schon absurd gewesenen – Einkreisungsängsten herauszuholen.
- Trump hat auch weitgehend recht mit seiner Nato- und Europa-Politik. Es ist einfach nicht vertretbar, dass die Amerikaner einen viel höheren Prozentsatz ihrer Wirtschaftsleistung für die gemeinsame militärische Sicherheit ausgeben als die Europäer, obwohl diese zum Teil reicher sind als die Amerikaner, obwohl sie viel exponierter liegen, obwohl sie ständig den USA moralistische Lektionen erteilen. An diesem Vorwurf an die europäische Adresse ändert der Umstand gar nichts, dass die Amerikaner den Europäern auch gerne Waffen verkaufen würden. Denn es wäre natürlich möglich, dass die Europäer auch selbst Waffen bauen (wie es etwa der Eurofighter war), um bei den Verteidigungsanstrengungen die seit langem versprochenen zwei Prozent des BIP zu erreichen, von denen sie so weit entfernt sind (während die USA mehr als das Doppelte des gemeinsamen Ziels aufwenden!). Sinnvoll wäre es freilich, immer zu prüfen, ob nicht gemeinsame Waffenentwicklungen günstiger und effizienter sind.
- Auch in Sachen Handel ist Trump weitgehend recht zu geben. Und zwar ganz unabhängig vom Leistungsbilanzdefizit. Denn es gibt überhaupt keinen sachlichen Grund, weshalb die EU etwa für Autoimporte deutlich höhere Zollsätze verlangt als die USA. Und es gibt auch keinen objektiven Grund für all die Tricks und Schmähs, mit denen Europa Agrarimporte aus den USA fernzuhalten versucht. Dabei werden zwar von "Gentechnik!" bis "Hormone!" und "Agrarindustrie!" alle möglichen populistischen Schlagworte in die Schlacht geworfen, mit denen man Wähler beeindrucken kann, die aber keinerlei wissenschaftlichen Überprüfungen standhalten. Zwar musste man anfangs massiv den Verdacht haben, dass Trump ein protektionistischer Gegner des Freihandels wäre, aber sein Angebot, alle Zölle und Handelsrestriktionen auf Null zu setzen, dürfte das widerlegen.
- Noch mehr ist Trump mit seiner Politik gegenüber China zuzustimmen. Denn es ist absolut nicht hinzunehmen, wie China in jede ausländische Investition eine chinesische Beteiligung hineinpresst, die dann das gesamte Know-how absaugt. Zum Schaden der amerikanischen wie auch der europäischen Investoren. Umso unverständlicher, ja skandalöser ist, dass die EU nicht zumindest in dieser Frage voll an die Seite der USA tritt.
- Eindeutig erfolgreich war Trump schon mit seinen Drohungen bei der Veränderung des Handelsvertrags mit Kanada und Mexiko, obwohl in beiden Ländern linke Präsidenten an der Macht sind. Und soeben hat Kanada beschlossen, sich an der großen Mondmission der USA zu beteiligen.
- Und jedenfalls mit viel Sympathie muss man Trumps wichtigstes innere Anliegen begleiten, nämlich die illegale Immigration zu unterbinden – unabhängig davon, wie sein Vorgehen, also insbesondere die Erklärung eines "Notstandes" an der Südgrenze, juristisch zu beurteilen ist.
Selbst wenn manche dieser Bewertungen falsch liegen sollten oder eines Tages korrigiert werden müssten: Es ist deprimierend, dass man in kaum einem europäischen Medium eine nüchterne und differenzierte Bewertung des Donald Trump findet, sondern fast nur Hassgesänge.
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