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In einigen Staaten geht die Justiz mit auffallender Härte gegen politische Machtträger vor. Ist das gut oder schlecht? In Ländern wie Österreich und Deutschland zeigt sie hingegen keinerlei Lust, sich mit machthabenden Politikern anzulegen. Dafür umso mehr dann, sobald diese die Macht verloren haben. Ein bedenkliches Verhalten.
Die Strafverfolgung von Politikern ist eine heikle Angelegenheit. Deswegen sehen viele Verfassungen vor, dass eine solche Strafverfolgung nur unter spezifischen Voraussetzungen wie einer qualifizierten parlamentarischen Zustimmung möglich ist.
Die Versuchung ist nämlich gewaltig, dass einzelne Staatsanwälte ihrer politischen Einstellung freien Lauf lassen. Dass sie aus der geschützten Tabuzone einer unabhängigen Justiz heraus Politiker von ungeliebten Parteien mit fragwürdigen Vorwürfen abschießen. Und sich dabei auch noch gut vorkommen. Das Ruinieren von Menschen (von Politikern und anderen) gelingt den Staatsanwälten exzellent, was vor allem dann extrem bedenklich ist, wenn letztlich gar keine Verurteilung der Verfolgten zustande kommt. Eine oft zehnjährige Strafverfolgung gleicht einem halben Todesurteil, auch wenn es nie eine gerichtliche Verurteilung gibt. Denn damit ist die Ausübung jedes qualifizierten Berufs beendet, vielen Betroffenen steht fast nur noch das Straßenkehren als Berufsperspektive offen. Dennoch gibt es nie Rechtsfolgen für Staatsanwälte, die Menschen fahrlässig – oder gar vorsätzlich – verfolgen.
Ein Beispiel ist Karl-Heinz Grasser. Offensichtlich ideologisch getriebene Staatsanwälte behaupten seit mehr als einem Jahrzehnt, dass eine Bietergruppe für die Buwog über den damaligen Finanzminister die Höhe der Bankgarantie des Konkurrenzbieters erfahren hätte. Dabei ist inzwischen klar, dass sehr viele Menschen diesen Betrag gekannt haben: Alle in der Bank damit Befassten; die beim (letztlich unterlegenen) Bieterkonsortium damit Befassten; aber auch alle im Finanzministerium damit Befassten bis hin zu den Sekretärinnen, weil die Höhe dieser Bankgarantie schon in den Unterlagen der ersten Bieterrunde zu lesen war. Die Weitergabe dieses Wissens – ohne jeden Beweis – einfach Grasser als Lieblingsfeind aller Linken in die Schuhe zu schieben, ist daher höflich ausgedrückt extrem befremdlich.
Auf der anderen Seite aber gibt es in Österreich Fälle, wo die Staatsanwälte aus Karriereangst oder politischen Gründen krampfhaft wegschauen. Das ärgste Beispiel war der Fall des mit der ganzen SPÖ-Spitze eng verhaberten Massenmörders und Versicherungsbetrügers Udo Proksch. Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren ständig einstellen, nur ein einsamer Untersuchungsrichter hat sich zäh dagegen gesträubt. Daher ist es auch so katastrophal, dass Justizminister Dieter Böhmdorfer die Untersuchungsrichter entmachtet und die Staatsanwälte zu alleinigen Herren des gesamten Vorverfahrens aufgewertet hat.
Diesem Beispiel kann man noch viele andere an die Seite stellen, wie etwa den Fall eines einstigen Innenministers, der in bedenklichem Zustand und wenig bekleidet vor einem Bordell angekettet aufgefunden worden ist, nachdem sich davor in diesem Etablissement ungute Szenen abgespielt haben. Dieser Fall wurde mit Erfolg sofort zugedeckt.
Es gibt meiner Erinnerung nach – abgesehen von Kleingemeinden – seit langem nur einen einzigen Fall, wo die Strafjustiz wirklich gegen einen Machthaber vorgegangen ist. Das war gegen den SPÖ-Bürgermeister von Salzburg. Auch da werde ich die starke Vermutung nicht los, dass da die politischen Sympathien der Justizorgane entscheidend waren. Denn die Vorwürfe gegen Bürgermeister Schaden waren fragwürdig: Er verkaufte wacklige Investments der Stadt dem Land Salzburg. Das war eindeutig im Interesse der Stadt, für die er verantwortlich war. Daher ist es eigentlich absurd, ihm daraus einen Vorwurf zu machen.
Diese Beispiele zeigen, wie heikel es ist, den richtigen Weg zwischen Scylla und Charybdis zu finden. Auf der einen Seite sollte kein Politiker schärfer verfolgt werden als andere Menschen in gleicher Verdachtslage; auf der anderen Seite sollte kein Politiker nur deshalb straffrei davonkommen, weil er Machtträger ist, weil Staatsanwälte &Co mit ihm sympathisieren – oder vor ihm Angst haben.
Bei den österreichischen Fällen ahnt man bei Kenntnis der wichtigsten Indizien meist recht gut, was der richtige Weg wäre. Bei allen ausländischen Beispielen ist diese Ahnung hingegen viel ungenauer.
Dabei rede ich nicht von Ländern mit ganz oder weitgehend unfreier Justiz wie der Türkei, Russland, Ägypten, China oder Venezuela, wo Gerichte überall blind das umsetzen müssen, was die Machthaber vorgeben.
Dabei geht es auch nicht um einen Staat wie Rumänien, der – obwohl EU-Mitglied – nicht wirklich als Rechtsstaat eingeordnet werden kann. Gerade in Rumänien sieht man, welch großes persönliches Risiko dort alle eingehen, die gegen Korruption vorgehen. Reihenweise sind dort einschlägig aktiv gewordene Polizisten und Staatsanwälte von den regierenden Sozialisten gefeuert worden.
Sehr nahe an der Kategorie Rumänien ist jetzt auch Deutschland angekommen: Denn der Hinauswurf des Verfassungsschutz-Chefs Maaßen zeigt auch dort hohes persönlichen Risiko für einen, der sich nicht nach den Wünschen der Regierung richtet.
Reden wir aber nur von respektierten Rechtsstaaten. Auch dort ist jeder Staatsanwalt und Richter subjektiv natürlich von politischen Sympathien und Antipathien beeinflusst. Was aber auffällt, ist in den letzten Jahren die Zunahme der Fälle, wo die Justiz erbarmungslos gegen Politiker vorgeht, wo sie vor der Macht keine Angst zeigt.
Jeder Österreicher wäre ein Heuchler, der vorgibt, genau zu wissen, ob alles total rechtens ist, was ausländische Justizbehörden tun; ob sie parteipolitisch motiviert vorgehen; oder ob sie primär von Aversionen gegen einen unsympathischen Typ wie Donald Trump getrieben sind. Man kann höchstens Vermutungen äußern.
Beim Fall Trump sehe ich etwa weit und breit keinen Beweis für die behauptete große Verschwörung mit Russland, aber viele kleine Unsauberkeiten, die aber nicht ein jetzt schon zweijähriges Verfahren rechtfertigen. Im Detail habe ich alle verfügbaren Indizien schon einmal zu analysieren versucht.
Noch viel unsicherer muss das Urteil zu Südkorea, Brasilien und Israel ausfallen. Die Indizien lassen zumindest ein Bauchgefühl entstehen, dass die Korruptionsverfahren gegen Spitzenpolitiker dort keineswegs nur erfunden oder aufgeblasen worden sind. Das wirklich Sensationelle an diesen Ländern ist aber, dass sich die Justiz nicht davor scheut, gegen amtierende Staats- oder Regierungschefs überhaupt vorzugehen. Das spricht für Mut und Unabhängigkeit der Justiz, unabhängig davon, ob Ideologie oder Emotion im Spiel gewesen sind.
Im Falle Israel übt die Justiz nicht einmal Rücksicht darauf, dass das Land angesichts der vielen Bedrohungen von außen und der Wichtigkeit des Verhältnisses zu den USA eigentlich Premier Netanyahu dringend bräuchte. Ohne eine starke Führungspersönlichkeit droht dem exponierten Land außen- und sicherheitspolitisch zusätzliche Unsicherheit.
Im Fall Netanyahu ist aus österreichischer Warte aber vor allem interessant, was dem Mann genau vorgeworfen wird. Abgesehen von der angeblichen Annahme etlicher Zigarren-, Champagner und Schmuck-Geschenke (diesbezüglich scheint Österreich mit seinem demonstrativ Economy-Class fliegenden Bundeskanzler eher immun zu sein) werden dem Israel-Premier vor allem Dinge vorgeworfen, die haargenau auch gegen österreichische Politiker vorgebracht werden können – und die jedenfalls hierzulande beweisbar sind.
Netanyahu soll nämlich wichtigen Verlegern, Medien- und Kommunikationsbossen Vergünstigungen gewährt haben, damit in deren Medien positiver über ihn berichtet wird. Das aber passiert eindeutig auch in Österreich. Vor allem die Gemeinde Wien hat schon hunderte Millionen über die Schaltung läppischer Anzeigen an Printmedien geschoben, damit diese positiver über das Rathaus und vor allem dessen Chef berichten. Für diese gigantischen Beträge gibt es keine gesetzliche Basis. Sie fließen ohne jede Ausschreibung, ohne jede informationspolitische Notwendigkeit. Ebenso wie bei Netanyahu war und ist Motiv das Erkaufen wohlwollender Berichterstattung.
Andere Bundesländer und Gemeinden geben laut Medientransparenzgesetz nur einen Bruchteil des Wiener Betrags für Inserate aus. Offen bleibt, ob man außerhalb Wiens wirklich sauberer ist, oder ob das nur Folge der Tatsache ist, dass es in den anderen Ländern viel weniger Medien gibt, deren Wohlwollen es sich zu erkaufen gilt, und vor allem keine teuren Boulevard-Blätter, die in erbitterter Konkurrenz zueinander stehen.
Diese üble Inseratenpraxis hat mit dem Wechsel von Werner Faymann in die Bundesregierung auch dort Platz gegriffen. Das ist besonders an den Werbeausgaben des Faymann-Verkehrsministeriums ablesbar, aber auch an denen des Bundeskanzleramtes, die empor gesprungen sind, als Faymann dort eingezogen ist. Der üble Korruptions-Geruch begleitet aber nicht nur den inzwischen trotz aller Bestechungsinserate ins Nirwana gestürzten Maturanten ohne Maturazeugnis. Auch viele andere Minister – zum Glück nicht alle! – haben inzwischen in den Steuertopf gegriffen, um sich mediales Wohlwollen zu erkaufen.
Es ist eine der großen Enttäuschungen über die neue schwarz-blaue Koalition, dass sie nicht im Geringsten gegen diese Sauerei vorgeht. Das könnte am besten durch eine Verschärfung des Strafgesetzes geschehen, denn dadurch könnte man auch Landeshauptleute und alle anderen Steuergeld-Ausgeber binden. Dadurch würde die Ausrede nicht mehr ziehen: "Wir würden ja gerne, aber wir können das Bestechungsfeld nicht allein dem Wiener Rathaus überlassen."
Gewiss, angesichts des anhaltenden steilen Absturzes der Printmedien sind diese zweifellos beim Erpressen von Anzeigen noch viel impertinenter geworden. Andererseits – und das begreifen Politiker (noch) nicht – ist auch die Bedeutung der Zeitungen ebenso steil abgestürzt: Das müsste die Politik eigentlich widerstandsfähiger machen, um die oft brutal vorgebrachten Verlangen von Verlegern um Inserate abzuschmettern.
Durch ein strafrechtlich erreichtes Ende für solche Inserate und die ORF-Zwangsgebühren könnte die Regierung Steuergeld einsparen und die Abgabenlast reduzieren, selbst wenn sie allen Medien einen Teil des eingesparten Geldes zugute kommen lässt. Etwa durch eine Erhöhung der gesetzlichen Presseförderung. Denn diese wird objektiv auf gesetzlicher Basis vergeben; bei ihr ist kein Bias und keine Korruption möglich.
Das Verfahren gegen Netanyahu lässt jedenfalls ganz stark die Sehnsucht nach israelischen Verhältnisse aufkommen – wenn auch nicht unbedingt in Hinblick auf die militärische Sicherheit …