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Die Regierung will das Megaproblem ORF nun doch angehen. Das ist nach anfänglichen Versuchen des Medienministers, so zu tun, als ob da eh alles bestens wäre, an sich überaus lobenswert. Das wird angesichts der weiterhin im Sinkflug befindlichen ORF-Quoten und der weiterhin massiv schlagseitigen Informationsredaktionen immer notwendiger. Aber alles, was über die Reformpläne bisher durchgesickert ist, lässt das kalte Grauen aufsteigen.
Denn das, was die Regierung anscheinend vorhat, löst kein einziges Problem, stellt sich keiner einzigen medienpolitischen Notwendigkeit, sondern schafft nur zusätzliche Probleme. Es zeigt sich, dass in der gesamten Koalition offenbar niemand eine Ahnung von der Medienbranche hat, weder Minister noch ihre umfangreichen Beraterstäbe. Dass sie nur so tun, als ob sie sich der Herausforderung ORF stellen würden, während sie in Wahrheit gegen einen erbitterten wie raffinierten Gegner völlig eingehen, der schon die Sektkorken knallen lassen kann.
Die bisher bekannt gewordenen Absichten bestehen aus drei Elementen:
Mit anderen Worten: Man befasst sich mit unwichtigen Randfragen, die alle völlig irrelevant würden, würde man endlich erkennen, was als Erstes und Einziges nötig wäre. Das wäre die Entlassung des ORF in die völlige Unabhängigkeit, also dorthin, wo er sich wie jedes andere Medium dieses Landes selbst die Finanzierung suchen muss. Sei es durch Werbung, oder sei es durch freiwillige Abonnementzahlungen jener, die ihn konsumieren wollen.
Dem ORF auch im 21. Jahrhundert noch durch staatlichen Zwang zu seinen üppigen Budgets verhelfen zu wollen, ist so unsinnig, wie es einst die Forderung der Eisenbahnergewerkschaft gewesen ist, auch auf Elektro- oder Dieselloks weiterhin die Heizer aus den Zeiten der Dampflokomotiven zu beschäftigen.
Daher wäre die Abschaffung der staatlichen Zwangsfinanzierung des ORF eigentlich absolut zwingend. Wobei es ja völlig egal ist, ob der staatliche Zwang in der Eintreibung der sogenannten GIS-Gebühren bei jedem Besitzer eines Radio- oder Fernsehapparats besteht oder in einer Finanzierung aus Steuertöpfen.
Die Erregung darüber ist ein reines Scheingefecht. Denn auch die Steuern werden ja durch staatlichen Zwang eingetrieben. Sie sind nur noch schlechter als GIS-Gebühren: Via Steuern müssen dann nämlich auch jene für den ORF zahlen, die ihr Fernsehgerät voll Zorn schon auf die Deponie gebracht haben.
Schon allein deshalb ist eine solche Reform eine echte Verschlimmerung. Oder hat jetzt auch die schwarz-blaue Regierung sich das ökonomische Denken der Sozialisten angeeignet, dass man für jeden nur irgendwie artikulierten Wunsch problemlos in den Steuertopf greifen könne, weil das ja scheinbar nichts kostet? Ist das nicht die gleiche Regierung, die intensiv über die Einführung einer Pflegepflichtversicherung nachdenkt, weil sie das in großer Intensität auf die Gesellschaft zukommende Pflegeproblem nicht anders lösen kann? Hat sie nicht versprochen, die Abgabenquote drastisch zu senken? Hat sie nicht versprochen: "Keine neuen Steuern"? Da denkt sie ernsthaft über eine neue Pflichtversicherung nach?
Um nachzuweisen, dass es zwischen Steuern und Zwangsabgaben keinen wesentlichen Unterschied gibt, braucht man keine hochqualifizierten Ökonomen, die alle ja einhellig immer von der "Abgabenquote" reden, womit beides zusammen gemeint ist. Das kann auch jeder Hinterbänkler der Opposition. Das wird auch an jedem Wirtshaustisch genauso verstanden. Daher hängen die Einführung einer Pflegeversicherung und die Budgetfinanzierung des ORF eng zusammen.
Das muss man den Österreichern nämlich erst erklären: Die 1,5 Milliarden für die Pflegeversicherung sind im Budget nicht aufbringbar, aber die 600 Millionen zur Finanzierung eines eigentlich völlig überflüssigen ORF finden sich problemlos in den öffentlichen Kassen! Das sind immerhin 40 Prozent jenes Betrages, der da als Pflege-Bedarf genannt wird!
Wenn man das wirklich tut, wird sich jeder Österreicher gepflanzt vorkommen. Angesichts einer solchen Chuzpe kann sich nicht ernstlich irgendjemand in der Regierung einen Popularitätsgewinn durch Abschaffung der GIS-Zwangsgebühren erhoffen.
Manche Verteidiger der Regierungspläne werfen an dieser Stelle gerne ein: "Ja eh, aber was sollen wir denn mit dem ORF sonst machen?" Die Antwort ist einfach: Gar nichts, der ORF hat eigene Organe, die für den Betrieb entscheiden. Man muss nur das ORF-Gesetz abschaffen, sodass für den ORF die gleichen Spielregeln gelten wie für alle anderen Fernseh- und Radiosender und für alle anderen Medien. Keine zusätzlichen Pflichten, keine zusätzlichen Rechte.
Immerhin betonen ja auch sämtliche ORFler seit Jahren landauf, landab, dass sie nicht dem Staat gehören, dass sie eine Stiftung sind. Und Stiftungen gehören sich rechtlich selber. Also hat auch von der Eigentümersituation her die Republik absolut keine Verpflichtungen gegenüber dem ORF, sobald das ORF-Gesetz gekübelt ist.
Gewiss könnte es sein, dass ein alleine auf sich und seinen Markterfolg gestellter ORF Mitarbeiter abbauen muss. Da wäre es als einzige Staatshilfe denkbar, wenn der Steuerzahler einmalig zu einem kleinen Sozialpaket beitragen würde. Aber wirklich nur einem kleinen: Denn immerhin sind ORF-Gehälter die weitaus höchsten der Branche. Und vor allem müssen ja auch sonstige Arbeitnehmer in den sauren Apfel einer Jobsuche beißen, wenn ihr Arbeitgeber zusperrt oder Personal abbauen muss, ohne dass es zusätzliches Staatsgeld gäbe.
Es gibt jedenfalls längst keinen Grund mehr, den ORF durch staatlichen Zwang zu finanzieren. Das war historisch anders, als ein Sendernetz teuer errichtet werden musste, und als technisch nur ein oder zwei Fernsehprogramme empfangbar gewesen sind. Aber das ist in Zeiten von Kabel- und Satellitenfernsehen längst überholt.
So wie es ja auch für das Telefonieren keinen staatlichen Monopolisten mehr braucht. Es ist ja heute für viele längst unvorstellbar, dass man in Zeiten des Staatsmonopols nur mit guten Beziehungen einen Telephon-Anschluss binnen eines halben Jahres bekommen hat. Und das war dann meist nur ein sogenannter Viertelanschluss, wo man nur telefonieren konnte, wenn das nicht schon einer der drei anderen Viertelbesitzern tut; und wo jedes Telefonat nach zehn Minuten abschnappte.
Und vom Programm her gibt es schon gar keinen Grund für eine Zwangsfinanzierung. Nur ein paar Stichwörter dazu:
Es ist daher völlig egal, ob Herr Wrabetz oder sonst jemand in den Redaktionsetagen des ORF sitzt, ob dort ein einziger Mann oder ein Vierer-Direktorium amtiert. Das Entscheidende ist: Diese Mannschaft ist nicht mehr zur Ausgewogenheit, Vielfalt und Objektivitäts-Bemühung hin umlenkbar.
Der Glaube, dass man durch einen Wechsel in den obersten Etagen etwas Gravierendes im ORF verändern kann, hat sich ja schon unter Wolfgang Schüssel als großer Irrtum erwiesen, als man es mit Frau Lindner und Herrn Mück versucht hatte. Die beiden sind hilflos am Beton der linken Volksfront in den Redaktionsstuben zerschellt. Ebenso wird auch jetzt jede andere neue Führung so zerschellen.
Es gibt weit und breit in der heimischen Medienszene keinen Gerd Bacher mehr, der da mit seinem Mut, seiner Energie und seiner beeindruckenden Intelligenz in den Kampf gehen könnte. Ganz abgesehen davon, dass wohl selbst ein Bacher in Hochform an den heutigen Zuständen im ORF zerschellen würde.
Der ORF ist mit absoluter Sicherheit nicht mehr reformierbar.
Also gibt es von der reinen Faktenlage her absolut keinen Grund, die Zwangsfinanzierung aufrechtzuerhalten. Überdies sollte die Regierung schon in den letzten Stunden gemerkt haben, wie laut die ORF-Lobbyisten aufheulen und es als skandalöse Staatseinmischung bekämpfen, wenn von Budgetfinanzierung statt GIS-Gebühren die Rede ist. Was ja nur eine marginale Veränderung ist
Lauter könnte daher das Aufheulen gar nicht werden, würde man gleich Nägel mit Köpfen machen. Würde man also gleich die durch ein staatliches Gesetz geschaffene Zwangsfinanzierung streichen und den ORF dorthin entlassen, wo er ja nach eigenen Aussagen ohnedies hinwill: in die völlige Staatsferne. Die Regierung könnte und sollte gelassen sagen: Wir haben verstanden und gehorchen, euer Wunsch ist Befehl für uns.
Eine ersatzlose(!) Abschaffung der GIS-Gebühr brächte überdies den seit der Migrationskrise größten Popularitätsschub für Schwarz-Blau. Eine solche Abschaffung wäre vielleicht sogar die einzige Möglichkeit, dass die beiden Parteien auch dann die nächsten Wahlen gewinnen, wenn sich die Opposition von ihrem jetzigen Zustand erholen sollte. Denn dann müssten die überlebenden Fernsehanstalten sich primär um das Publikum und damit um mehr Ausgewogenheit sowie die Präsenz auch linker Themen kümmern und könnten sich nicht mehr als Vorhut einer Gutmensch-Achse verstehen.
Freilich gibt es neben der sachlichen auch die politische Ebene, die rund um solche Entscheidungen immer wichtig ist. Es wäre naiv, das zu ignorieren.
Auf dieser Ebene hat sich der ORF in der österreichischen Sandkiste zwei mächtige Akteure geschickt zu Bundesgenossen gemacht hat: die Bundesländer und die Zeitungen. Wenn es daher Schwarz-Blau ernst ist mit ihren Reformabsichten, dann werden sie diese beiden Faktoren – leider – berücksichtigen müssen. Und das wird – leider – einen Teil des Geldes kosten, den derzeit die ORF Zwangsfinanzierung die Bürger kostet. Den diese sich also nur zum Teil ersparen könnten. Egal, ob dieses Geld aus einer gedrittelten GIS-Gebühr oder einem Budgetbetrag in ähnlicher Höhe fließt. Nochmals: Leider – aber nur so gibt es Chancen auf den entscheidenden medienpolitischen Schritt.
Die Bundesländer sind der härteste Brocken unter den Reformverhinderern. Viel härter als die Opposition. Sie sind nicht nur im Stiftungsrat stark vertreten (freilich kann eine Reform schon aus rechtlichen Gründen nur am Stiftungsrat vorbei erfolgen). Sie haben sich auch – in sieben von neun Ländern – bei der GIS-Gebühr durch eine zusätzliche Landesabgabe ein Körberlgeld geholt. Und vor allem sind sie vom ORF auch durch dessen Berichterstattung ungemein erfolgreich bestochen worden. Denn so regierungsfeindlich und einseitig links der ORF auf Bundesebene auch agiert, so handzahm ist seine völlig unkritische Hofberichterstattung auf Landesebene. Ein Mechanismus dabei ist das De-Facto-Auswahlrecht der Landeshauptleute bei der Nominierung des jeweiligen ORF-Landesintendanten. Dementsprechend gibt es "ganz zufällig" in den Landesstudios eine ganz der jeweiligen Partei des Landeshauptmanns entsprechende Mehrheit. Das ist zwar grauslich, aber Faktum.
Da Sebastian Kurz nicht der Typ zu sein scheint, der eine Frontalkollision mit allen Landeshauptleuten riskiert, vor allem nicht den schwarzen, wird jetzt er über diese bearbeitet. Die Landeshauptleute sind in den letzten Stunden prompt einer nach dem anderen von den örtlichen ORF-Intendanten zum Protest gegen die Regierung motiviert worden.
Wobei die Niederösterreicherin Mikl-Leitner mit den zweifellos groteskesten Formulierungen an die Öffentlichkeit gegangen ist: Sie warnte wörtlich davor, dass "uns in Zukunft etwa die österreichische Innenpolitik vor allem aus TV-Studios in Köln, Mainz oder Berlin erklärt wird". Als ob die privaten Sender jemals Studios ins Ausland verlegt hätten; und als ob der ORF nicht jetzt schon tägliche viele Stunden Programm aus Deutschland übernehmen würde. Wenn einem die Argumente zur Verteidigung der eigenen Hofberichterstattung ausgehen, dann scheut die Dame auch nicht davor zurück, sich lächerlich zu machen.
Aber da die Landeshauptleute eine mächtige Mafia sind, werden sich Kurz und H.C.Strache daher nolens volens ein Trostpflaster für die Länder überlegen müssen, auch wenn sie sich doch zu einer echten Lösung aufraffen sollten. Etwa:
Zeitungen und Privatsender sind durch andere Strategien vom ORF eingekocht worden: durch selektive Einladungen zu teilweise sehr gut honorierten Diskussionssendungen; durch eigene exklusive Sendungen für mehrere Zeitungen (etwa Wahl der Romy-Preise für den Kurier; etwa "Österreicher des Jahres" für die "Presse" …); und vor allem durch Werbezeit im Fernsehen (für welche die klammen Zeitungen kein Geld aufbringen, sondern lediglich dem ORF im Gegengeschäft Inseratenfläche zur Verfügung stellen müssen). Überdies hängt der ORF den privaten Medien aller Art ständig die Karotte vor die Nase, dass sie künftig irgendwelche Video-Inhalte des ORF für ihre Internet-Portale nachnutzen dürfen (natürlich unausgesprochen, aber eindeutig nur dann, wenn sie sich wohlverhalten).
Aus all diesen Gründen gibt es praktisch kein Medium, das eine kritische Haltung zum ORF zu zeigen wagt. Auch wenn sie alle innerlich nichts sehnlicher wünschen als das Ende der ORF-Privilegien. Hat ihnen der ORF doch auch die Chance genommen, wenigstens via online erfolgreich zu sein. Sie können es sich zum Unterschied vom ORF nämlich keinesfalls leisten, ein fast zur Gänze werbefreies Angebot ins Netz zu stellen. Womit der ORF natürlich leicht die Internet-Seiten der Zeitungen ausstechen kann, die sich mit Werbung überladen müssen, um einen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften.
Die Regierung sollte sich daher auch bei den Zeitungen und Privatfernseh-Anstalten etwas einfallen lassen, wenn sie deren Unterstützung gewinnen will:
Und jedenfalls müssen zugleich mit einer verstärkten gesetzlichen Förderung der Printmedien die skandalösen Bestechungsinserate durch jede von Steuermitteln lebende Institution total gestoppt werden. Was wohl nur über eine strafrechtliche Konsequenz gehen wird, sobald auch nur ein Inserat nicht genau nach Vergaberecht objektiv ausgeschrieben, sondern nach Bestechungs-Belieben eines Politikers vergeben wird.
Entscheidend werden am Ende der notwendigen Reform jedenfalls nur zwei Dinge sein, ob man von einem medienpolitischen Erfolg reden kann: