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Bisweilen ist man auch als langjähriger Beobachter der politischen Dinge absolut sprach- und fassungslos: Wie konnte sich Ungarns Viktor Orbán diese Demütigung durch die Europäische Volkspartei nur gefallen lassen? Er ist damit binnen weniger Stunden aus eigenem Verschulden zum politischen Totalschaden geworden. Er hat ohne jede Not freiwillig seine eindrucksvolle Position als einer der wenigen wirklich Hoffnung gebenden und entscheidungsstarken Staatsmänner Europas aufgegeben und sich zum Putzfetzen von Herrn Juncker machen lassen. Erschütternd.
Für Orbáns Haltung gibt es absolut keine rationale Erklärung. Außer Feigheit. Dabei war der Mann einst mutig dem kommunistischen Besatzerregime entgegengetreten – was damals tausend Mal gefährlicher war, als heute gegen die lächerliche Figur eines Manfred Weber anzutreten. Und doch war er damals mutig und ist heute feig.
War Orbán doch jener Politiker, der nicht nur am effektivsten die Völkerwanderung gestoppt, sondern er war auch der erste, der das Ausbleiben der Kinder, als das ganz große Zukunftsthema Europas erkannt und zu bekämpfen begonnen hat. Sein Land ist wirtschaftlich sehr erfolgreich unterwegs. Und selbstverständlich gibt es in Ungarn volle Pressefreiheit, auch wenn es keinen Zweifel gibt, dass Orbán regierungsnahe Medien (wie fast jeder Regierungschef der Welt) bevorzugt. Aber diese Bevorzugungen sind geradezu Peanuts gegen die alljährlich fast 200 Millionen Euro, die vor allem (wenn auch nicht nur) von der rotgrünen Gemeinde Wien zur Beeinflussung der Medien aufgewendet werden.
Es ist geradezu lächerlich, wenn Orbán jetzt die Suspendierung der Mitgliedschaft seiner Fidesz-Partei in der EVP und die Einsetzung einer Überwachungskommission als "gute Entscheidung" preist, und wenn er bejubelt, die EVP habe "die Einheit bewahrt". Es ist nur peinlich, wenn er sich jetzt deshalb als Sieger ausgibt, weil er im letzten Moment die Suspendierung der eigenen Mitgliedschaft "gemeinsam" mit der EVP-Führung vorgeschlagen hat.
Dazu fallen einem nur die uralten Masochisten-Witze ein, die immer in dem Ruf gipfeln: "Peitsche mich noch fester".
Niemand kann noch Hochachtung vor einem Spitzenpolitiker haben, der aus einem Verein hinausgeworfen worden ist und sich daraufhin in demütiger Haltung vor die Tür des Vereinslokals setzt und wartet, ob er vielleicht doch wieder eingelassen wird. Orbán hat sein Gesicht verloren, und es ist sehr fraglich, ob er es noch jemals wiederfinden wird.
Bei den Wählern kommt nämlich nur eines an: Vor der EVP-Sitzung hat Fidesz noch den sofortigen wirklichen Austritt aus der EVP angekündigt, wenn dort solche Beschlüsse fallen. Nach der Sitzung aber waren dann Suspendierung und Einsetzung eines Feme-Gerichts plötzlich "gute" und "gemeinsame" Entscheidungen. Auch in Ungarn, einer einst so tapferen Nation, ist offensichtlich ein aufrechtes Rückgrat Mangelware geworden. Schade.
Es ist auch lächerlich, wenn Orban ein solches Gericht jetzt mit der Kommission vergleicht, die im Jahr 2000 von 14 anderen EU-Staaten wegen ähnlich lächerlicher Vorwürfe gegen Österreich eingesetzt worden war (nachdem diese Staaten auf Betreiben der Sozialistischen Internationale Sanktionen gegen Österreich beschlossen hatten). Denn damals ging es um Sanktionen auf staatlicher Ebene und die Wiener Regierung hat die Kommission akzeptiert, weil sie gesamtstaatliche Verantwortung verspürt hat.
Hier aber geht es nicht um ein Land, sondern nur um eine europäische Fraktion. Das ist immerhin ein gewaltiger Unterschied. Allerdings war die Sanktionenstrategie gegen Österreich nach wenigen Wochen ohnedies schon im Kollabieren und es wäre daher Österreich damals gut angestanden, hätte es eine solche Kommission nicht akzeptiert, die ja nur dazu da war, um den beschämten Rückzug der Sanktionierer zu camouflieren.
Gewiss: Die antiungarischen Scharfmacher hatten jetzt nicht nur eine Suspendierung gefordert, sondern einen richtigen Ausschluss. Es wird aber wohl auch in Ungarn keinen Wähler geben, der da einen gewaltigen Unterschied sehen würde. Die Fidesz-Partei darf so oder so an keinen Fraktionstreffen mehr teilnehmen – dennoch hat Masochist Orbán sogar jetzt noch zur Wahl des am Schlammassel Hauptschuldigen Deutschen Weber zum Kommissionspräsidenten aufgerufen.
Gewiss: Man kann davon ausgehen, dass eine Dreier-Kommission, in der Wolfgang Schüssel sitzt, vernünftig arbeiten und Brücken bauen wird. Immerhin war Orbán der einzige Regierungschef, der zum 70. Geburtstag Schüssels extra nach Wien gekommen war.
Das erwartete Kommissionsergebnis wird aber nichts am massiven Glaubwürdigkeitsverlust Orbáns ändern.
Was war sein Hauptdelikt? Er hat die Majestätsbeleidigung gewagt, Jean-Claude Juncker, einen einst aus der EVP gekommenen Politiker, negativ zu plakatieren. Daraus, dass sich auch die Nach-Juncker-EVP so über eine Kränkung Junckers aufregt, kann man eindeutig schließen: Auch unter Manfred Weber wird haargenau die gleiche Politik fortgeführt, deren drei "Haupterfolge" waren:
Eine tolle "Erfolgs"-Bilanz Junckers! Und die EVP hat mit ihrer maßlosen Überreaktion auf dessen Kränkung allen Europäern eindeutig klargemacht: Sie will den Weg des schlechtesten und erfolglosesten Kommissionspräsidenten der Geschichte fortgesetzt haben. Das war freilich schon davor jenen klar, die Weber davon reden gehört haben, dass er seine Politik in Sachen Migration ausgerechnet am Papst orientieren will. Und der ist nun wirklich der größte Migrationsbefürworter.
Irgendwie scheint Weber gerade dabei, Juncker als negativen Rekordhalter zu übertreffen. So katastrophal hat er den Konflikt mit Orbán eskalieren lassen. So unfähig hat er sich dabei gezeigt.
Weber hat nicht einmal verstanden, den Europäern klarzumachen: Selbst wenn man Orbáns Politik nicht mag, ein zehn Mal größeres, nämlich wirklich verbrecherisches Problem sind die Sozialisten in Rumänien, die in schwerste, im Rest Europas undenkbare, Korruptionsdelikte verfangen sind und die die Justiz echt einschränken. Aber die Rumänen haben sich halt auf EU-Ebene relativ ruhig verhalten und nicht die Majestätsbeleidigung begangen, Juncker oder dessen Mastermind Angela Merkel öffentlich zu attackieren. Nur darum geht es, um die Eitelkeit einer gescheiterten Politikergeneration.
Ach ja: Und keine Stellungnahme zu EVP und Orbán kommt in diesen Stunden aus, ohne dass das Wort "Werte" aus jeder Zeile trieft. Europäische Werte, christdemokratische Werte: Die Europäer haben zwar nie erfahren, was für Werte das eigentlich genau sein sollen. Aber genau um die geht es …
PS: Auch die ÖVP und Sebastian Kurz haben eine Riesenchance versäumt: Sie haben sich opportunistisch hinter dem Leichtgewicht Weber versteckt, statt mit Ungarn eine enge Allianz echter Freundschaft aufzubauen.