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Viel spricht dafür, dass dem sozialistischen Regime in Venezuela die letzten Stunden geschlagen haben. Aber auch das Gegenteil könnte passieren, also dass die Repression noch einmal zuschlägt. Das macht die Frage spannend und wichtig, wie man als europäisches Ausland richtig darauf reagiert – und insbesondere als angeblich "immerwährend neutrales" Land. Die Vorgänge in Venezuela sind an sich ja eindeutig. Dort herrscht das weitaus übelste Regime, das es seit langem in irgendeiner Ecke Lateinamerikas gegeben hat.
Die Bilanz dieser Repression: Zusammenbruch der Wirtschaft (obwohl Venezuela die größten Ölreserven der Welt hat); eine große Zahl politischer Gefangener (dennoch kümmern sich all die linken NGOs nicht darum); über drei Millionen Flüchtlinge, die sich in die (rechts regierten, daher für Linksmedien wie den ORF urbösen) Länder Kolumbien und Brasilien gerettet haben; und Hunderttausende, die in Venezuela selbst vom buchstäblichen Verhungern bedroht sind.
Selbst wenn man alle Flüchtlinge aus lateinamerikanischen Militärregimen der letzten hundert Jahre zusammenzählt, kommt man nicht auf die venezolanischen Zahlen von heute. Dabei sind diese ehemaligen Regime ja von der europäischen Linken immer lautstark verdammt worden. Dementsprechend stottern Linksmedien wie "Falter", "Standard" und ORF heute zu Venezuela nur peinlich herum. Sie versuchen die eigene Blamage ob der unzähligen früheren Jubelartikel über Venezuela durch absurde Formulierungen zu verbergen, wie jener, dass dort ja nur "selbsternannte Sozialisten" herrschen würden. Was immer das sein soll. Bisher hat es ja eigentlich immer genügt, sozialistische Phrasen zu brüllen und man war immer einer.
Lateinamerikanische Linksdiktaturen wie Venezuela, Kuba oder Bolivien waren für die europäischen Linken lange überhaupt die letzten Hoffnungsschimmer, dass irgendwo der Sozialismus doch noch funktionieren und seine von zahllosen Hörsaal-Polito- und Soziologen behauptete Überlegenheit auch endlich einmal im wirklichen Leben beweisen könnte. Sie klammerten sich mit geradezu fanatischer Inbrunst an diese Hoffnung, nachdem ja im gesamten Rest der Welt ein real praktizierter Sozialismus jedes Mal zu wirtschaftlichen und humanitären Katastrophen geführt hat (der westeuropäische Sozialdemokratismus, der auch in manchen christlichen Sozialakademien gelehrt worden ist, hat hingegen "nur" zu Schuldenbergen und massenhafter Islamisierung geführt).
Das alles ist bitter für die gesamte Bobo-Linke. Gehen doch gerade aus der europäischen 68er Bewegung, die ja viele mediale und sonstige Machtpositionen innehat, dicke Stränge nach Lateinamerika:
Aber trotz all dieser Schützenhilfe ist das Regime unter Maduro am Kollabieren. Das kann man auch am Verhalten von Armee und Polizei beobachten. Zwar hat Maduro die Kommandanten mit allen verfügbaren Privilegien bisher erfolgreich bestochen. Aber die spüren offenbar genau, dass sie inzwischen Häuptlinge ohne Indianer sind, dass ihnen für einen ernsthaften Einsatz der bewaffneten Macht gegen die große Mehrheit der Bürger mittlerweile die Gefolgschaft, die Fußtruppen fehlen würden. Anders ist es nicht denkbar, dass zum Unterschied von allen früheren Oppositionellen der Gegenpräsident Guaidó nicht mehr festgenommen wird.
Wie aber soll das Ausland reagieren? Moralisch und ethisch kann es überhaupt keine Zweifel geben, dass Guaidó und die große Anti-Maduro-Mehrheit der Venezolaner jede Unterstützung verdient haben. Gibt es aber auch ein militärisches Interventionsrecht des Auslands?
Dieses gibt es völkerrechtlich nur dann, wenn der UNO-Sicherheitsrat es beschließt – der aber wird nichts tun, weil Maduro in Moskau und Peking noch treue Partner hat, die jeden Sicherheitsratsbeschluss mit Veto blockieren würden. In diesen beiden Ländern kann man nichts Verwerfliches an einer brutalen Militärdiktatur finden, noch dazu, wenn sie sozialistische Rhetorik pflegt.
Darüber hinaus gäbe es zumindest aus ethischer Warte noch zwei weitere Fälle, in denen das Ausland intervenieren darf. Der eine wären aggressive Bedrohungen anderer Länder – dazu aber ist Venezuela längst nicht mehr imstande. Das andere wären Menschrechtsverletzungen im Ausmaß eines Völkermords – auch das ist trotz aller Brutalität der Diktatur nicht der Fall.
Diese moralisch-juristischen Erwägungen sind aber ohnedies müßig: Ist doch kein Land zu einer Intervention bereit. Auch Donald Trump, der sich diese Option demonstrativ in martialischer Rhetorik offenhält, wird mit Sicherheit nicht in Venezuela einmarschieren. Dazu hat er sich schon zu oft als in Wahrheit viel vorsichtiger und viel weniger kriegslüstern denn seine Vorgänger erwiesen. Er ist ein reiner Verbal-Aggressivling.
Etwas ganz anderes sind Sanktionen vor allem wirtschaftlicher Natur. Die sind moralisch eindeutig legitim, ist doch Maduro keineswegs demokratisch zur Macht gekommen. Und ist er doch eine schlimme Geißel seines Volkes.
Es ist jedenfalls klug, die Maduro-Mannschaft von sämtlichen Geldflüssen abzuschneiden (so wie es übrigens auch klug wäre, das Gleiche gegenüber einem ähnlich aggressiven Regime, nämlich dem in Iran, zu machen, wo aber Europa derzeit genau das Gegenteil tut). Die realistischste Hoffnung für das Land ist ja, dass die Offiziere von Maduro abfallen, wenn sie merken, dass all ihre Schwarzkonten im Ausland und all ihre Korruptionsposten im Inland wertlos geworden sind, und dass ihr eigenes Überleben in Gefahr ist, wenn sie nicht bald die Seiten wechseln.
Jedenfalls sind Sanktionen weit wirksamer als die in den letzten Tagen durch zahlreiche Staaten erfolgte formelle Anerkennung von Guaidó anstelle Maduros als Staatschef Venezuelas. Diese wäre ohne begleitende Sanktionen kaum mehr als eine symbolische Geste, die höchstens rechtliche Hindernisse bei der Umsetzung von Sanktionen aus dem Weg räumen kann.
Wie soll sich nun Österreich verhalten, das ja zumindest in Sonntagsreden immer auf die Neutralität pocht, obwohl diese seit Fall des Eisernen Vorhangs und dem EU-Beitritt überhaupt keinen Sinn mehr macht? Im Außenministerium liebt man die alte völkerrechtliche Theorie, dass eine Regierung oder ein Präsident ohne Ausübung der Staatsgewalt über ein Staatsgebiet nicht anerkannt werden können. Dieser Linie entsprechend war ja auch Außenministerin Kneissl anfangs gegen eine Anerkennung Guaidós. Erst der Bundeskanzler hat diese dann durchgesetzt.
Aber ist diese These nicht gerade für ein sich für neutral haltendes Land richtig? Kann man nicht mit etlicher Logik sagen: Man kümmert sich nicht, ob ein Regime anständig ist, sondern nur ob es die Kontrolle über das Land ausübt?
Ja, so könnte man juristisch argumentieren – hätte man nicht seit Jahrzehnten immer wieder das Gegenteil gemacht. Wie in allen anderen Dimensionen hat Österreich nämlich auch bei der Staatenanerkennung seine Verbalneutralität nie in die Realität umgesetzt (siehe etwa auch den jammervollen Zustand der Landesverteidigung). Weder in Sachen Sanktionen noch in Sachen diplomatischer Beziehungen hat man sich in den letzten Jahrzehnten neutral und gemäß diesen Prinzipien verhalten. Einige Beispiele:
Diese Beispiele zeigen also, dass es längst keine Neutralitäts-Praxis mehr gibt, die Österreich dazu verpflichten würde, Maduro die Stange zu halten, wie es einige im Außenministerium sowie auf der (amerikahassenden) äußersten Linken und auf der (amerikahassenden) äußersten Rechten wollen. Österreich tut also sehr gut daran, sich an die Seite der Anständigkeit und gegen ein verbrecherisches Regime zu stellen.
Doppelt interessant ist der Streit, der in Italiens Regierung zu diesem Thema ausgebrochen ist. Denn dieser ist bisher fast der heftigste Konflikt zwischen den beiden Regierungsparteien in Rom. Der Rechtspoplist Salvini stellt sich massiv gegen das Maduro-Regime und an die Seite der übrigen Europäer, während die Fünf-Sterne-Bewegung weiter zu Maduro hält und damit zeigt, wie sehr sie doch links steht.
Dabei ist Italien ein besonders relevantes Land in dem Konflikt: hat doch die Mehrheit der Bürger Venezuelas italienische Vorfahren, Familiennamen und vielfach auch heute noch Verwandte in dem Land.