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Missbrauch und Kirche, die Wahrheit und die logische Konsequenz

Wenn auch nur die Hälfte dessen stimmt, was Männern der Kirche an Missbrauchstaten vorgeworfen wird, dann muss es über diese Fälle hinaus eine klare Konsequenz geben, auch wenn sie vielen Katholiken nicht schmecken wird. Freilich sollte auch die andere Hälfte der Fälle nicht vergessen werden, wo die Dinge ganz anders liegen, als sie von den Medien und Opfern dargestellt werden. Papst und Bischöfe sind allerdings im Umgang mit beiden Hälften zuletzt krachend gescheitert.

Die Bewertung des Missbrauchsskandals ist in mehrere Teile aufzuspalten:

  1. Es ist absurd, vom "Kinder-Missbrauch durch die Kirche" zu reden. Es waren immer einzelne Männer (selten auch Frauen), aber nie "die Kirche". Es gibt keinen einzigen Hinweis oder gar Beweis, dass die Kirche als solche Missbrauch in irgendeiner Weise befürwortet hätte. Gäbe es das, müsste die Kirche sofort verboten werden. So wie andere Religionen, wenn sie etwa in ihren heiligen Büchern zur Tötung Anders- oder Nichtgläubiger aufrufen.
  2. Natürlich ist es nur eine Schätzung, wenn davon die Rede ist, dass die Hälfte der berichteten Missbrauchsfälle höchstwahrscheinlich keine solchen Fälle waren (aus einer ganzen Reihe von weiter unten aufgezählten Indizien heraus). Ihr Anteil kann deutlich größer wie kleiner gewesen sein.
  3. Die Kirche – und diesmal ist es wirklich die Kirche – hat rund um das Problem Kindesmissbrauch über Jahrhunderte gleich drei gravierende und dramatische Fehler gemacht. Die man nur lange nicht als Fehler erkannt oder zugegeben hat – und zum Teil noch immer nicht erkennt. Die ihr aber nun alle zum Verhängnis geworden sind.
  4. Der erste Fehler ist ihr allzu simples Verständnis von Sünde. Wenn auf eine Sünde die Kette Gewissenserforschung–Reue–Beichte–Buße folgt, ist sie nach kirchlicher Lehre schon komplett vom Tisch. Das ist an sich ja eine schöne Haltung (viele Ehepaare haben etwa nach einem Seitensprung wieder gut zueinandergefunden). Dieses Konstrukt versagt aber völlig bei Päderasten. Diese haben eine Veranlagung, die nicht durch Reue aus der Welt geschafft werden kann, selbst wenn die Reue noch so ernst gemeint ist. Die Veranlagung wird wieder und wieder durchschlagen. Zum Schaden eines Kindes. Das haben Vorgesetzte eines Kinderbelästigers – etwa Bischöfe – in der Vergangenheit sehr, sehr lange nicht begriffen, nicht gewusst. Sie haben sich deshalb mit einem – meist durchaus ernst gemeinten – "Ich werde es bestimmt nicht wieder tun" abspeisen lassen. Sie haben in den meisten Fällen nicht einmal eine Versetzung in ein Altersheim vorgenommen, damit die mutmaßlichen Täter keinem Kind mehr in die Nähe kommen.
  5. Der zweite Fehler ist die autoritäre klerikale Struktur. Pfarrer–Bischof–Papst: Alle sind auf ihrer Ebene nach unten jeweils ein absoluter Herrscher, dem niemand aus der Pfarre oder Diözese dreinreden kann, ja ganz oben sind sie sogar per Dogma "unfehlbar". Das ist eine totale Überforderung. Wie soll ein Mensch gleichzeitig Manager sein, Menschen führen, charismatische Ausstrahlung haben, Kirchenrecht und theologisches Wissen im kleinen Finger haben, zu Naturwissenschaften, Ökonomie, Pädagogik oder Politik kluge Aussagen machen, der modernen Kommunikationsgesellschaft gewachsen sein und überdies den mörderischen Anspruch des Zölibats durchstehen können! Zu welchen Verwirrungen dieser wahnwitzige Anspruch etwa im Papstamt führt, hat man gerade an den letzten, sich mehr denn all ihre Vorgänger der Welt öffnenden Päpsten gesehen. Im Grunde gab es bei jedem von ihnen eine völlig andere Kirche. Deswegen glauben die einen bis heute an die Kirche Wojtylas, andere an die Ratzingers, und wieder andere an die Kirche Bergoglios. Viele Bischöfe wiederum sind in ihrer Flexibilität jeweils zu hundert Prozent Anhänger des aktuellen Papstes, ohne sich daran erinnern zu wollen, dass sie das auch schon dem ganz anders gearteten Vorgänger gegenüber waren.
  6. Und der dritte Fehler ist das ständige Mea-Maxima-Culpa-Gehabe vieler Kirchenexponenten. Sie gehaben sich geradezu schuldsüchtig. Das zeigt sich in einem anderen Bereich derzeit gerade auch in Kärnten, wo dem päpstlichen Visitator bisher nichts anderes eingefallen ist, als einen "Bußtag" auszurufen – statt zuerst einmal die erhobenen Fakten einer sehr abgewirtschafteten Diözese klarzulegen (deren früherer Chef jetzt ungehindert in einer anderen Diözese schalten kann!). Und dieses Culpa-Gehabe gipfelte beim Thema Missbrauch im eigentlich ungeheuerlichen Satz des Wiener Kardinals: "Man muss den Opfern glauben". Was natürlich auch ein völliger Zirkelschluss ist: Denn zuerst muss man doch bitte nüchtern, faktenorientiert und Objektivität suchend herausfinden, wer eigentlich Opfer ist. Vielleicht ist ja der Angeschuldigte das eigentliche Opfer! Man kann doch nicht jedem ungeprüft glauben, der von sich sagt, "Opfer" zu sein. Das führt ja geradezu dazu, sich ebenfalls als "Opfer" zu melden – vor allem, wenn es auch Geld für Opfer gibt. Dieses neuerdings übliche Verhalten vieler Bischöfe ist völlig absurd und widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundprinzipien, die ja im Satz gipfeln: "In dubio pro reo". Jeder ist so lange unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.
  7. Eine Folge dieser kirchlichen Fehler ist das totale Versagen jeder Kommunikations-Strategie. Über Missbrauch in der Kirche wird ungefähr hundert Mal mehr geredet als über Missbrauch außerhalb. Dabei ist etwa das, was in Kinderheimen der Stadt Wien passiert ist, weit schlimmer als alles, was man bisher an Anschuldigungen gegen Priester gehört hat. Wurden doch diese Heime in Zwangsbordelle verwandelt, wo einschlägig Veranlagte (wohl mit guten politischen Beziehungen) sich reihum an den hilflosen Opfern bedient haben. Ohne dass es bis heute eine ordentliche strafrechtliche Aufarbeitung gegeben hätte, wie sie vor allem in den protestantisch dominierten Ländern gegen die Kirche mit großer Inbrunst betrieben wird.
  8. Aus all dem folgt nun ganz aktuell der vierte große Fehler: Auch bei der jüngsten großen päpstlichen Missbrauchs-Veranstaltung ist der sensationellste Aspekt völlig unter dem Teppich geblieben: dass vier von fünf Opfern Buben gewesen sind, dass es also ganz überwiegend um homosexuellen Missbrauch gegangen ist!
  9. Damit aber entsteht für die Kirche die ganz klare Notwendigkeit, sich dem Problem "Homosexuelle im Priesterstand" zuzuwenden. Das aber wollen die Linken in der Kirche nicht, die ja jede kritische Befassung mit Homosexualität am liebsten überhaupt verbieten würden. Das aber wollen auch die Konservativen nicht: Denn wenn man zu sehr über dieses Problem nachdenkt, kommt man unweigerlich zum Thema Zölibat.
  10. Der für die Kirche desaströse Zusammenhang mit dem Zölibat ist ja klar: Die Pflicht zur Ehelosigkeit hält einerseits viele fähige Männer vom Schritt in den Priesterberuf ab. Auf der anderen Seite ist diese Pflicht für viele schwule Männer ein erhoffter Schutz. Etwa vor Frauen, etwa vor elterlichen Fragen, warum man keine Freundin hat. Viele von ihnen dürften im Zölibat aber auch einen Schutz vor der eigenen Veranlagung erhoffen, die ja in den allermeisten Fällen nicht offen eingestanden ist. Das ist freilich genauso wie bei der Mehrheit der heterosexuell veranlagten Priester eine naive Illusion. Die Sexualität ist halt eine unglaublich starke Kraft.
  11. Nun ist in einer Wohlstandsgesellschaft das Homosexualitäts-Problem noch viel drängender geworden. Denn die Hauptquelle des Priester-Nachwuchses bleibt im Wohlstand aus: Das waren die vielen jungen Männer, die nur über den Priesterberuf die Chance auf Aufstieg, auf ein Studium, auf einen intellektuellen und angesehenen Job und auf einen Ausbruch aus der frustrierenden Rolle als lebenslanger Knecht gehabt hatten. Bei ihnen war das Sexualitätsproblem daher überhaupt kein Motiv. Das war es auch bei den dritten und vierten Söhnen von Fürsten nicht, die oft schon als Jugendliche auf Bischofssitze gehievt worden sind, die dort dann auch oft durchaus nicht sonderlich enthaltsam gelebt haben (siehe etwa die Salzburger Fürsterzbischöfe).
  12. Da niemand den Wohlstand zurückdrehen kann und will, bleibt nur eine Lösung des gesamten Problembereichs Priester und Sexualität: Das wäre eine Lockerung des Zölibats. Würde man den Priesterberuf zumindest für "Viri probati" öffnen, also für Männer, die  verheiratet sind und Kinder haben, dann wären gleich drei drängende Probleme der Kirche stark gemildert:
    • Der Priestermangel;
    • Der Anteil homosexuell veranlagter Männer;
    • Die mangelnde Lebenserfahrung junger Priester, die insbesondere dann immer schlagend wird, wenn sie mit Ehe- und sexuellen Problemen konfrontiert sind.
  13. Nun gewiss wäre es illusorisch, an eine rasche Verwirklichung dieser Dinge zu glauben. Der gegenwärtige Papst scheint zu nichts imstande  zu sein, als zum ständigen Mea-Culpa-Ritus und zu dummen Aussagen zu Politik und Wirtschaft. Aber nach den letzten Wochen ist die Gewissheit stärker denn je, dass es in diese Richtung gehen muss.
  14. Stärker denn je ist aber zugleich auch die Gewissheit, dass viele An- und Vorwürfe gegen Männer der Kirche nicht stimmen dürften. Dass sich in den kolportierten Zahlen auch viele völlig harmlose Vorfälle verbergen. Dass fahrlässigerweise Zölibatsverletzung mit Missbrauch gleichgesetzt wird. Dass es bei vielen Vorwürfen gar kein schuldhaftes Verhalten gibt, die nur psychologisch erklärbar sind, bei denen Rache im Spiel ist, bei denen auch Kirchenfeinde eine günstige Möglichkeit zur Attacke sehen. Einige Indizien für diese Gewissheit:
    • Der Vorwurf gegen den australischen Kardinal Pell wird umso fadenscheiniger, je näher man ihn anschaut. Er wird auch von vielen um Objektivität bemühten nicht-katholischen Journalisten aus Australien angezweifelt (dort liefern einander die britische Fairness-Tradition und der britische Anti-Katholizismus eine wilde Schlacht).
    • Auch wenn Schönborn treuherzig, jedoch ohne einen Beweis zu kennen, zu ihr gesagt hat: "Ich glaube ihnen", ist doch der Fall einer Ex-Nonne, die eine Beziehung mit einem Priester hatte, bei objektiver Betrachtung kein Missbrauchs-, sondern eben ein klassischer Zölibatsfall.
    • In einem anderen bekannt gewordenen Fall, in dem die von Schönborn eingesetzte Klasnic-Kommission (fast muss man sagen: routine- und auftragsmäßig) Therapiekosten zugesprochen hat, handelt es sich um einen eindeutigen Stalking-Fall, wo eine Frau einen Priester jahrelang mit ihren Avcancen verfolgt hat, der jedoch als Priester naturgemäß nie deswegen Anzeige erstattet hat.
    • Ein anderer Fall dieser Kommission betrifft einen Erzieher in einem Konvikt, der hinter einem Plastikvorhang Buben beim Duschen beobachtet hat: Verklemmte Begierde oder ein von den Buben fehlinterpretiertes Kontroll-Ritual? Aber jedenfalls auch nicht gerade das, was man unter Missbrauch versteht. 
    • Immer wieder werden auch Ohrfeigen an Schülern unter die Missbrauchsfälle gezählt. Tatsache ist, dass Ohrfeigen noch vor wenigen Jahrzehnten bei kirchlichen wie nichtkirchlichen Lehrern und Erziehern ganz normale und erlaubte Methoden gewesen sind.
    • Ebenfalls nicht als Missbrauch, sondern nur als Irrtum würde ich die vielen in der Berichterstattung zuletzt sehr im Vordergrund stehenden Fälle einordnen, wo ein Bischof – auch oft im Bewusstsein des Beichtgeheimnisses – einen an ihn herangetragenen Fall nicht ausreichend verfolgt und angezeigt hat. Zugleich ist ja auch eher rätselhaft, wenn  Opfer zwar bereit gewesen sind, zum Bischof zu gehen, aber jahrzehntelang nicht Anzeige erstattet haben.
    • Ein besonders absurder Fall betrifft eine Frau, die mit einem polnischen Priester viele Jahre ein Verhältnis hatte, die mit ihm als "Pfarrersköchin" wie eine Familie zusammengelebt hatte, die mit ihm gemeinsam nach Österreich übersiedelt ist, die mit ihm eine gemeinsame Tochter hat – und die dennoch von der Klasnic-Kommission als Missbrauchsopfer anerkannt worden ist. Ich würde das ja gar nicht glauben, hätte mir diesen Fall nicht die über ihre Mutter wie auch die Kommission empörte Tochter erzählt. Und wieder bestätigt sich der Verdacht, dass der gegenwärtige Trend in der Kirche dahin geht, dass jeder noch so absurde Vorwurf vor lauter katholischer Lust am Schuldigsein unkritisch als wahr anerkannt wird.
    • Einen starken Beweis, dass da rund um das Thema Kindesmissbrauch Vorwürfe oft nicht stimmen, finde ich auch in einem ganz anderen Bereich: Eine Familienrechtsexpertin, die schon an die zehntausend Fälle zu betreuen hatte, ist überzeugt, dass rund ein Drittel der einschlägigen Vorwürfe Erfindungen sind. Meist aus Hass, um sich an dem Ex-Mann oder dem neuen Partner der Ex-Frau zu rächen. Und immer im Wissen, wie schlecht man sich von solchen Vorwürfen nur freibeweist. Hass gibt es natürlich auch auf die Kirche und ihre Amtsträger.
    • Und last not least ein total subjektives Indiz: Ich selbst habe eine vielfältige katholische Jugenderziehung hinter mir, meine Söhne hatten sie und meine Enkel haben sie (auf Lagern, als Ministeranten, in der Katholischen Jugend): Und mit absoluter Sicherheit hat es da über drei Generationen nichts Ungutes gegeben, hat man auch keinerlei Hinweise von Dritten gehört – auf die ich mit absoluter Sicherheit sehr sensibel reagiert hätte.

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