Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Gelbe Westen, Rote Hirne, Schwarze Löcher

Ein paar Hunderttausend Menschen haben an diesem Samstag in Wien viel Zeit verloren, weil SPÖ und andere Linke wieder einmal gegen die Regierung demonstriert haben. Gewiss: Der Verfassungsgerichtshof (der ja Recht immer seltener als etwas ansieht, was vom Volk ausgehen würde) gibt ihnen das geradezu unbeschränkte Recht dazu. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht vielmehr um die doch recht beklemmende Erkenntnis, dass die SPÖ wirklich jeden Rest an Intelligenz verloren zu haben scheint. Dabei ist sie immerhin die zweitgrößte Partei des Landes – zumindest noch, in Deutschland ist sie hingegen schon auf den vierten Platz zurückgefallen.

Daher hätte man eigentlich erwarten können, dass sie wenigstens ein bisschen nachdenkt, bevor sie so viele Menschen – nicht nur dieser Stadt, sondern auch aus halb Ostösterreich – so massiv verärgert. Die, die wegen des linken Aufmarsches irgendwo im Stau gesteckt sind, die, deren Straßenbahnen und Busse nicht fahren konnten, und die, die angesichts der Warnungen der Polizei gleich ganz auf den geplanten Weihnachtseinkauf verzichtet haben: Sie alle sind nur satt auf die SPÖ, die ihnen den de facto letzten Einkaufssamstag vor Weihnachten versaut hat.

Wer hingegen über den Intelligenzverlust der SPÖ jubeln kann, heißt Amazon. Eine große Zahl von Österreichern wird sich jetzt nämlich zusätzlich entschlossen haben, ihre Einkäufe künftig via Internet zu erledigen, nachdem schon eine Woche davor Streikankündigungen der nicht gerade SPÖ-fernen Gewerkschaft manche Menschen auf den Einkaufsbummel verzichten haben lassen (sie konnten ja damals nicht wissen, dass diese Streikaufrufe wenig Echo finden würden).

Das Absurde: wie oft haben Rot, Grün und Gewerkschaft schon gegen Amazon und dagegen gewettert, dass die Internet-Konzerne keine ausreichenden Steuern zahlen würden. Und dann ziehen sie aus, um den Menschen die beste, die einzige Alternative zum Internet zu versauen. Warum gibt es eigentlich keinen Intelligenztest, bevor man Politiker wird?

Oder glaubt auch nur einer der Genossen, dass man durch die Aktion auch nur bei einem der Opfer des Aufmarsches mehr Sympathien für die Linke geschaffen hat? Was denkt sich insbesondere der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder, wenn er bei einer Demonstration mitmarschiert, die Slogans aus der alleruntersten Lade durch die Stadt trägt? Wie:

  • "Eure Politik stinkt mehr als alte Socken" oder:
  • "Scheiss auf eure Leitkultur".

Da ist nicht nur die Erziehung (sofern jemals vorhanden), sondern auch der letzte Rest von Intelligenz in ein tiefes Schwarzes Loch gefallen.

Mit Staunen konnten die Opfer der Demonstration auch vernehmen, dass da ein paar Tausend Linke "gegen Rechtsruck" seien. Dabei besteht ja der "Rechtsruck" darin, dass genau diese nun durch die Demonstranten verärgerten Bürger stärker denn je Rechtsparteien gewählt haben. Kein noch so simpler Linker kann doch ernstlich glauben, dass die Bürger angesichts solcher Sprüche reumütig zur Erkenntnis kommen: "Ach so, da hab ich einen Fehler gemacht, jetzt wähle ich wieder links. Ihr habt mich überzeugt!"

Einige der rotgrünen Demonstranten haben sich gelbe Westen angezogen, um irgendwie in den scheinbaren Erfolgssog der französischen Gelbwesten-Demonstranten zu geraten. Dabei haben sie aber gleich mehrere weitere Denkfehler gemacht und mehrerlei übersehn:

  • Erstens waren die Aufmärsche der französischen Gelbwesten ursprünglich alles andere als eine linke Bewegung (bevor sich Hooligans aus den Vorstädten unter sie gemischt und zu plündern und devastieren begonnen haben), wandten sie sich doch vor allem gegen grün motivierte Steuerpläne.
  • Zweitens zeigen französische Umfragen, dass dort 80 Prozent der Bürger anfangs hinter den Gelbwesten standen, während sich in Österreich die schwarz-blaue Regierung größerer Sympathie denn je erfreut. Und in einer Demokratie entscheidet immer noch die Mehrheit der Stimmen am Wahltag und nicht, wer lauter schreit oder die blöderen Slogans auf Plakate malt.
  • Drittens: Die Linksparteien sind von einer demokratisch errungenen Mehrheit weiter denn je entfernt. Die Zahl jener Menschen, die da am Samstag demonstriert haben, ergibt nicht einmal jene Menge, die für die Wahl auch nur eines einzigen Parlamentsabgeordneten nötig ist.
  • Viertens haben die französischen Gelbwesten auch ein klares Anliegen gehabt, eben den Kampf gegen die geplanten mörderischen Treibstoffsteuern. Ein ähnlich klares Ziel haben die österreichischen Marschierer hingegen in keiner Weise. Ihre einzige Botschaft: frustriertes Schimpfen.

Aber auch bei den wöchentlichen Aufmärschen der französischen Gelbwesten ist mittlerweile eindeutig die Luft draußen. Ohne dass es schon Umfragen gäbe, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass jetzt keine Mehrheit mehr für die regelmäßigen Aufmärsche eintritt – nicht einmal in Frankreich, dem Mutterland der Demonstrationstradition. Die Terroranschläge von Straßburg haben der Regierung nämlich ein starkes Argument gegeben, das von vielen Franzosen geteilt wird: Die Exekutive soll sich auf die Jagd auf Terroristen, Gefährder und Helfershelfer konzentrieren und nicht dadurch abgelenkt werden, dass sie wöchentlich mit zigtausend Mann Vandalismus eindämmen muss.

Tatsache ist freilich auch, dass die französische Gelbwesten-Usance ansteckend geworden ist. Nicht nur die Kundgebung in Wien hat sich Inspirationen aus Frankreich zu holen versucht. Auch in Belgrad und Rom ist man auf die Straße gegangen.

Wobei die Belgrader Kundgebung wenigstens Ziele hatte, die man mit gewisser Sympathie sehen kann: Dort protestierten die Menschen gegen die Prügelattacke auf einen führenden Oppositionellen durch höchstwahrscheinlich regierungsnahe Schläger und gegen die sehr einseitige Berichterstattung eines städtischen Fernsehsenders darüber. In Rom hingegen hatte der Demonstrationssvirus zur Unterstützung eines sehr erstaunlichen Anliegens geführt: Dort haben die Menschen gegen die restriktive Migrationspolitik der Regierung protestiert. Dabei ist genau diese Politik die Ursache, weshalb Italiens Regierung massiv an Popularität gewonnen hat.

Aber zum Unterschied von den Wiener Gelbwesten-Imitatoren hatten die in Rom wenigstens ein ganz klares Anliegen, außer mitzuteilen, dass alles scheiße ist und stinkt.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung